227. Romove

[171] Wo die heilige Eiche der alten Preußen stand, war eine große Stadt, und die hatte von ihren Erbauern, welche einen Heereszug gen Rom gemacht hatten, den Namen Roma nova erhalten, daraus ward in der Folge Romove. Die Eiche war sechs Ellen im Durchmesser, Sommer und Winter blieb sie grün, und durch ihr dichtes Gezweig und Laub fiel nicht Regen noch Schnee. Ringsum war durch acht Ellen hohe seidene Vorhänge ihres Stammes Anblick den Uneingeweihten entzogen. Drei Götter wurden unter dieser heiligen Eiche verehrt, das waren Perkunos, der Donnergott, Pikollos, der Todesgott, und Potrimpos, der Kriegsgott und der Ernten. Geopfert wurden diesen Göttern alle Christen, welche die heidnischen Preußen in ihre Gewalt bekamen.

Außer dieser heiligen Eiche standen deren noch mehr im alten Preußenlande, alle vom Volke hochverehrt und beschirmt, so eine nahe bei Wehlau an der Straße von Königsberg nach Ragnit; eine andere stand am Flüßchen Bachnau, ohnweit dem Frischen Haff, eine dritte eine Stunde davon, wo die Stadt Thoren liegt, nach dem Meeresstrande zu. Die heiligen Eichen und selbst die Plätze, darauf sie gestanden, blieben noch lange lange Zeit beim Volke in hohen Ehren, als längst schon das Christentum ihm mit Feuer und Schwert gepredigt worden war.

Als dies geschehen, wurde zu Romove eine Kirche und ein Kloster erbaut, es ist aber damit, wie mit der ganzen Stadt, zum Ende gediehen, und es ist kaum noch eine Spur mehr von Stadt, Kirche und Kloster vorhanden.

Quelle:
Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 171.
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