230. Heiligenbeil

[172] Als die Heidenpriester am preußischen Ostseestrande den heiligen Adalbert erschlagen hatten, vernahm das Anselmus, der Bischof von Ermeland, der machte sich auf und kam zu der großen heiligen Eiche, unter welcher ein Heidengötze verehrt ward, und die Waidewut, der König, mit seinem Bruder Bruteno, dem obersten Priester, selbst geheiligt hatte. Diese Eiche war nicht kleiner wie die zu Romove und blieb ebenfalls im Sommer und Winter gleich grün. Da nun der neue Apostel kam, so begann er an der Eiche zu predigen und befahl alsbald einem Christen, der ihn begleitete, mit der Axt Hand an den geheiligten Stamm zu legen. Allein der führte kaum den ersten Hieb in den Baum, so entfuhr die Axt dem Schaft, sprang zurück und jenem an den Kopf, daß er alsbald entseelt niedersank. Da erhoben die Heiden ein frohlockendes Jubelgeschrei. Aber der fromme Anselmus ließ sich nicht schrecken. Er nahm eine neue Axt und führte in den Baum Hieb auf Hieb, und es geschah kein weiteres Zeichen. Dann ließ er die Eiche samt dem Götzen niederbrennen, erbaute an jener Stätte eine Kirche, darin das Beil verehrt werden sollte, und es gründete und bildete sich um dieselbe eine Stadt, die nannte man Heiligenbeil. Das Beil ist wohl im Laufe der Zeiten abhanden gekommen, aber die Stadt führt den alten Namen fort und führt auch das Beil in ihrem Wappen.

Quelle:
Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 172.
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