324. Magdeburgs Erbauung

[234] Magdeburg ist eine uralte Stadt, die soll Julius Cäsar begründet haben, siebenundvierzig Jahre vor Christi Geburt, und habe einen Tempel in ihr erbaut, den er der Venus geweiht, dessen Stätte man noch zeigt, und der erste Name dieser alten Stadt war Parthenopolis; vom Mädchenbilde der holden Liebesgöttin aber hat man sie später Maidenburg und endlich Magdeburg genannt. Nach Karl des Großen Zeit wurde die Stadt von den Wenden und Ungarn ganz verwüstet und blieb nur ein kleiner, von armen Elbfischern bewohnter Ort. Den schenkte hernachmals Kaiser Otto der Große seiner Gemahlin Editha, der es allda wohlgefiel, und diese begründete das neue Magdeburg und in Gemeinschaft mit ihrem Gemahle auch den Dom, darinnen neben ihrem Gemahle auch ihr herrliches Marmorbildnis zu sehen. Das eine Kaiserbildnis hält einen runden Reif in der Hand, der aus neunzehn kleinen vergoldeten Tönnchen gebildet ist, die bedeuten, daß auf den Dombau neunzehn Tonnen Goldes verwendet worden sind. Die Kaiserin Editha fuhr damals in einem Wagen herum und bestimmte Ausdehnung, Mauern und Befestigung der neuen Stadt. Am und im Dome ist mancherlei steinern und hölzern Bildwerk zu sehen, an das sich Sagen knüpfen. Ein Schäfer mit seinem Knecht und Schafen und Hunden, der nach einem Sterne am Turme blickt. So hoch der Stern steht, so hoch habe der Schäfer den Turm auf seine Kosten bauen lassen. Ein Mönch, auf den der Teufel lauert, weil er in unbedachter Vermessenheit sich ihm verschworen. Zwei gefesselte Männer aus Holz im Dome selbst stellen zwei Grafen von Gleichen vor, die den Dombau wehren wollten, und deren Bildnisse man dann in Ketten aufhing.

Quelle:
Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 234.
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