621. Gottes Gericht

[415] Sankt Benno, der Slaven Apostel, der im Heiligental bei Meißen die Frösche stumm machte, war ein Mann Gottes und Bischof zu Meißen vierzig Jahre hindurch und tat mächtige Wunder. Da regierte Markgraf Otto zu Meißen, der machte die Güter der Kirche sich zu eigen, denn er meinte, der Kirche gehöre kein irdisches Gut, sie solle sich am himmlischen genügen lassen. Sankt Benno stellte dem Markgrafen freundlich vor, daß er mit solchem Tun sich versündige, und er solle der Kirche zurückgeben, was er ihr genommen, oder den gerechten Richter fürchten, der alles Unrecht sehe und räche. Diese Rede mißfiel dem Markgrafen Otto über die Maßen, er hob die Hand und schlug hin und gab dem Bischof einen derben Backenstreich. Da rief Sankt Benno: Diesen Schlag wird Gott heute übers Jahr an dir, Markgraf, rächen! – Der Markgraf aber lachte und spottete: Du bist wohl des Herrgotts geheimer Rat und Himmelreichskanzler, Bischof? – Der Bischof schwieg und kränkte sich, und begann von dem Tage an zu kränkeln, und starb bald darauf mit frommem Gebet, und ward als ein Heiliger verehrt und betrauert. – Als das Jahr 1106 herum war und der Tag wiederkam, war der Markgraf frisch und gesund, und war ihm nichts Übles widerfahren, und gedachte, da der Tag fast herum war, des Bischofs und dessen drohender Prophezeiung, und sagte: Wo bleibt nun Bennos Weissagung? Sie ist in den Topf gefallen. Kaum hatte der Markgraf das Wort gesprochen, so durchschlug ihm des jähen Todes Hand Mark und Bein, daß er plötzlich zu Boden stürzte und nur noch schrie: Helft! Helft! Da war aber kein Helfer da und keine Hülfe mehr, es riß ihn die allgewaltige Hand des Todes vor das Gericht Gottes.

Quelle:
Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 415.
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