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[471] Ummerstadt soll eigentlich den Namen Immerstadt haben, wie früher manche haben behaupten wollen, zum Zeichen, daß es stets und immer eine Stadt gewesen. Zu dessen Zeugnis habe vormals an einem Schwibbogen (man weiß nicht, an welchem Gebäude) das griechische Wort ἀεῖ gestanden, welches nichts anders als immer heißt. Doch ist die Stadtgerechtigkeit dieses Ortes erst vom Jahre 1394 an nachzuweisen, in welchem Jahre aber die Bürger beim Landgrafen Balthasar von Thüringen eingekommen waren, ihnen die verlornen und verwahrlosten Urkunden und Briefe über die Stadtfreiheit, Jahr- und Wochenmärkte zu erneuen, was auch geschah. Sonst ist Ummerstadt in der Gegend bekannt wegen der Schildbürgerstreiche, die seinen Bewohnern von den Nachbarorten aufgebürdet werden, und die ziemlich gleichlautend mit denen sind, mit welchen man sich von der Stadt Wasungen trägt, sowie mit manchen derer des Dorfes Dittis an der Rhön und andern, wie solche des weitern nachzulesen sind.
Wie die Ummerstädter den Hasen gejagt, hören sie nicht gern erzählen; ihrer lustigsten Stücklein eines ist das mit dem Salzsack, und doch ist’s nicht eigentlich ein Ummerstädter Streich. Ein Bauernknecht von Kolberg fuhr durch Ummerstadt und wollte nach Koburg; da rief eine Ummerstädtsche ihn an, fragte ihn, wohin er fahre, und bat ihn, ihr einen Sack Salz von dort mitzubringen. Der Sack, den sie ihm gab, hatte am untern Zipfel ein Loch von[471] ziemlicher Größe, welches die Frau mit einem Bindfaden zuband. Der Salzhändler in Koburg hielt diese zugebundene Öffnung für die richtige, knüpfte sie auf und füllte das Salz nicht ohne Mühe hinein. Jetzt zog er am Sack, damit das eingefüllte Salz sich recht setze und mehr hineingehe, da fiel alles Salz zur großen Öffnung unten heraus, und er hatte den leeren Sack in der Hand. – Na so was, so was! schrie der Koburger Mann, sollt’ m’r denn meinen! Ihr seid gewiß aus Ummerstadt? – Auf diese Frage wurde das Knechtlein rot bis über die Ohren und stammelte verschämt: Nä, lieber Herr, iche nich, aberst der Sack. – Ein Bäcker ließ 1851 einen Backofen bauen, bei welchem ein Maurer während des Bauens in das Gewölbe sich legen und dasselbe von innen mit Lehm oder Kalk verstreichen mußte, während die andern Gesellen von außen mauerten. Endlich war der Ofen fertig, aber o weh!, das Ofenloch, aus welchem der inwendige Maurer nun herauskriechen sollte, war zu klein! Der arme Schelm konnte nicht heraus; sie hatten ihn eingemauert, und der Ofen mußte zum Teil wieder eingerissen werden, um den schlimmbesudelten Architekten ans Tageslicht bringen zu können.
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Deutsches Sagenbuch
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