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[492] Dicht bei Salzungen liegt ein sehr schöner See, ihm ganz nahe war ein kleinerer, jetzt nur noch ein tiefer Tümpel, der hieß die Teufelskutte. In der Gegend liegen noch einige kleinere Seen; von allen gehen Nixensagen. Im großen See zu Salzungen hielt sich eine Wasserfrau auf, die kam häufig durch die Seespforte herein zu den Fleischbänken, die ganz nahe bei dieser Pforte standen, jetzt aber weggerissen sind, deren Gewandsaum war immer naß, und ihr Haar war grünlich. Einst kam sie, brachte ein Kind mit, ließ es zurück und kam niemals wieder. Wie das Kind beschaffen war und was aus ihm geworden, weiß niemand. Dicht am See steht eine alte Kemnate, der hünische (haunische) Hof genannt, dahinein kamen zwei Seejungfern zum Tanze, weilten zu lange, und als sie wieder in den See sich gestürzt, wurde er blutrot. Im Jahre 1670 ist es geschehen, daß einmal mitten im Winter der ganze See blutrot gefärbt erschien, und im Jahre 1755, am 1. November, zog das Wasser plötzlich strudelnd, wie in einen Trichter, in die Tiefe und kam dann wieder, donnergleich brausend, und überschwoll schäumend den Uferrand. Es war der Tag, da Lissabon durch ein Erdbeben verheert ward.
In der Teufelskutte oder Grube hat sich nach alten Nachrichten der fliegende Drache oft eingelassen. Einem Kutscher, der über ihr dahinfuhr, als sie noch fast den ganzen Erdball ausfüllte, der jetzt die Grube heißt, wurden durch ein Gespenst die Rosse so geschreckt, daß sie mit Mann und Wagen sich in den Abgrund stürzten. Nicht weit von Salzungen, nach Wilprechtrode zu, liegt der Buchensee oder Büchensee; dort hat vorzeiten gar ein stattliches Schloß gestanden, darinnen war immer Saus und Braus, und da ging es wie bei dem Kloster bei Neuenkirchen im Odenwalde. Es kamen zwei müde hungrige Wanderer und baten flehentlich um Einlaß und um Trank und Speise und ein geringes Nachtlager. Es ward ihnen aber mitnichten aufgetan, und mit Hohn und übeln Scheltworten wurden sie zurückgewiesen. Da verwünschten sie das Schloß, und es versank auf der Stelle, und an seine Stelle trat der kleine unergründliche See, welcher der Buchensee heißt. Es waren aber, wie dort die eine gütige Nonne, hier drei Fräulein im Schlosse gewesen, die hätten gern die Armen eingelassen und hatten keinen Teil an der Härte und dem Hohn, womit jene abgewiesen wurden, gleichwohl versanken auch sie zusamt dem Schloß, aber es blieb ihnen vergönnt, alle Jahre einmal zur Wilprechtroder Kirmsezeit den Tanz zu besuchen, mußten aber jedesmal pünktlich vor zwölf Uhr des Nachts zurückeilen. Ein Jäger aus Wilprechtrode sah sie einst auf seinem Heimweg von der Schnepfenjagd in ihrem altmodischen Wagen fahren und erstaunte über ihre jugendliche Schönheit und das uralte Gefährts, meinte aber, die fremde Herrschaft wolle seine Herrschaft besuchen, und setzte sich, um schneller fortzukommen, hinten auf den Kutschentritt. Mit einem Male aber hörte er es rauschen, und Wasser spritzte über ihm zusammen: geschwinde sprang er herab und rettete sich mit Mühe. Der Wagen war in den Buchensee hineingefahren, und der Schnepfenjäger kam naß wie ein Pudel[492] nach Hause. Nachher hat auch die drei Fräulein das Nixenlos ereilt, sie verspäteten sich einmal, wurden von ihren Tänzern zum Buchensee begleitet, und diese sahen, wie jene in den See sich stürzten und Blutstrahlen aus dem Wasser stiegen. Niemals kamen die Fräulein wieder zum Tanze.
Etwas weiter ab von Salzungen, nach Frauensee zu, liegt der kleine Döngessee oder Hautsee mit einer schwimmenden Insel. Fast die gleiche Sage geht von ihm; zwei Nixenfräulein entstiegen ihm, erlustigten sich auf dem Tanzboden des nächsten Dorfes, Dönges, öfters, bis ein Bursche einer derselben ihre Handschuhe raubte und über dem ängstlichen Suchen danach die Mitternachtsstunde herbeikam, worauf erfolgte, was die Sage bei der Nixenverspätung stets erfolgen läßt. In den Döngessee ist auch einstens eine Wehmutter von einem Reiter mit Gewalt geführt wor den, sah darin große Schätze und ward reich beschenkt entlassen und wieder an ihren Ort gebracht, mußte aber heilig schwören, niemandem davon ein Wort zu sagen. Als sie viele Jahre darauf erkrankte, konnte sie nicht sterben, bis sie dem Pfarrer ihren nächtlichen Ritt und Gang gebeichtet hatte.
So liegt auch bei Wilhelmsthal ein See und fließt ein Flüßchen hindurch, die Elne, darin die Elnenymphe wohnt; ein junger Jäger sah sie, liebte sie, verlobte sich ihr, ward ihr aber treulos, und sie strafte ihn – er mußte ihr folgen, bis sie ihn hinunter in die Tiefe zog und ihn tot küßte, dann warf sie ihn wieder aus, in Unkenrode – wie schaurig klingt der Name dieses Dorfes – liegt er begraben.
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Deutsches Sagenbuch
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