823. Die Ritterkapelle in Haßfurt

[540] Am obern Ende der Stadt Haßfurt am Main, an welcher jetzt die Eisenbahn vorbeizieht, steht die Ritterkapelle, eine geräumige Kirche und Muster deutscher Architektur. Man sagt, die gesamten Edeln des Frankenlandes haben sie erbauen lassen zu einer Grabdenkmalkapelle ihrer Geschlechter, deshalb zieht auch rings um die Kapelle ein Fries von lauter Wappen, und mag wohl kein Adelsgeschlecht in Franken geblüht haben oder noch blühen, des Wappen hier nicht mitgefunden würde. Unter dem Portal und über der Vorhalle wird ein wunderlich Steinbild erblickt, das nennen sie in Haßfurt das Wahrzeichen der Ritterkapelle. Eine männliche nackte Figur ist mit Armen und Beinen so ausgespannt, daß die Glieder die Gradrippen des Gewölbbogens bilden. Das sei des Meisters Bildnis, geht die Sage, der die Kapelle erbaute und die Gesellen betrog. Er soll an seinen Gliedern mit Gewichten also ausgespannt worden sein, die auch an der Steinfigur angebracht sind.

Noch ein anderes Wahrzeichen findet sich an der Außenseite der Kapelle linker Hand, nämlich an einem der nördlichen Pfeiler in ziemlicher Höhe ein Fisch, andeutend, daß einst bei einer Überschwemmung das Wasser also hoch gestanden.

Quelle:
Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 540-541.
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