872. Heiligblut und Sankt Salvator

[567] Eine Stunde nördlich von Pleinfeld und ebenso weit südlich von Spalt liegt einsam im tiefen Walde das Franziskanerkloster Heiligblut, wohin viele Wallfahrten geschahen und noch geschehen. Es wird in der Kirche unter einem der Altäre der Stock eines abgehauenen Fichtenstammes gezeigt und dieses erzählt: Als im Jahre 1444 eine große Hungersnot das Land heimsuchte, beredete ein Jude einen armen Tagelöhner zu Unterbreitenlohe, aus der Kapelle zu Stirn eine geweihte Hostie zu stehlen, diese auf jenen Fichtenstock zu legen und dreimal aus allen Kräften mit der Axt auf die Hostie zu hauen. Andere sagen, der Jude habe selbst mit dem Messer in dieselbe hineingestochen. So oder so – floß aus der Hostie Blut, der Tagelöhner wurde hierauf von entsetzlicher Reue ergriffen, zeigte seine und des Juden Freveltat an, und das heilige Blut ward aufgehoben, über dem Fichtenstamm zunächst ein Altar errichtet, über diesen dann eine Kirche erbaut und das Kloster begründet, dem der Ruf von jenem Wunder zahllose Waller zuführte, so daß es insgemein nur die Wallfahrt genannt wird.

Ein anderer berühmter Wallfahrtort im Eichstättischen, und noch dazu der älteste, ist Sankt Salvator, und auch zu dessen Gründung gab eine heilige Hostie den ersten Anlaß, die ein Edelfräulein von Neuses bei Oberbach in der Karwoche zu Rauenzell empfing und im Munde behielt, aber im Walde vor einem Kruzifix fallen ließ. Die Hostie konnte nicht wieder aufgehoben werden, und es ging mit derselben wie mit dem Gott im Kasten. Erst als der Weihbischof mit dem ganzen Klerus zu Herrieden und alle Pfarrer von Burgoberbach, Großenried, Neunstetten mit allen ihren[567] Pfarrkindern in zahlreicher Prozession naheten, ließ die heilige Hostie sich erheben und in ein gläsernes Gefäß legen und in der Rauenzeller Pfarrkirche in einem Reliquienschrein aufbewahren.

Quelle:
Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 567-568.
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