[179] Edmund. Hahnensporn mit einem Koffer auf der Schulter.
HAHNENSPORN. Uf der ist schwer! Helfen Sie, Herr Famulus! Bringt mit Edmunds Hülfe den Koffer auf die Erde, setzt sich darauf und trocknet sich den Schweiß. Das ist eine Schlepperei! Ich[179] habe es mir gedacht, die junge Frau hat noch keinen Fuß in das Haus gesetzt, und schon geht die Schererei los! Also heute Abend kommt sie, die junge Frau. Na es thut mir leid; ich habe dem Herrn Professor gern gewichst und dem Herrn Famulus auch, aber ich sehe es kommen, nicht acht Tage bin ich mehr im Hause.
EDMUND. Warum nicht gar! Der Herr Professor hat ausdrücklich gesagt daß durch seine Heirath nicht das Geringste in der bisherigen Hausordnung geändert werden soll. Jeder behält sein Amt und seine Verrichtung nach wie vor.
HAHNENSPORN. Hat das der Herr Professor gesagt?
EDMUND. Es sind seine eignen Worte.
HAHNENSPORN. Wir werden ja sehen, werden ja sehen! Der Herr Professor ahnt in seiner Unschuld gar nicht was die junge Frau für Verwirrung im Hause anrichten wird.
EDMUND naiv. Hahnensporn, Ihr seid ein erfahrener Mann – sind denn die Frauen wirklich so schlimm?
HAHNENSPORN. Na ob! Sie armes Schaf, mit Respect zu melden, thun mir leid, die junge Frau wird Sie schön hin und her hetzen; Sie kommen gar nicht mehr zu Athem.
EDMUND. Ach es wird so arg nicht sein.
HAHNENSPORN. Pah Sie haben keine Erfahrung! So wie Sie reden viele und tappen blind hinein in eine Heirath und hinterher seufzen sie Ach und Weh. Ich will gerade nichts Uebles vorhersagen, aber der Herr Professor thut mir leid.
EDMUND. Habt Ihr denn so bittere Erfahrungen gemacht?
HAHNENSPORN. Ich? Gott soll mich bewahren, ich war immer zu klug und hielt mich von den Weibern fern. Sehen Sie, ich kam als ganz junger Bursche unter die Soldaten und habe meine zwölf Jahre gedient, wäre auch Unteroffizier geworden, hätte ich ordentlich schreiben und lesen gekonnt. Als Soldat konnte ich nun nicht heirathen. Nachher wurde ich Bedienter, Hausknecht, Kutscher – da konnte ich überall nicht heirathen. Jetzt bin ich Wichsier, und wenn ich wollte, es hat schon manche ihr Auge auf mich geworfen – aber Gott soll mich bewahren; ich diene lauter ledigen Herren und bleibe selbst ledig.[180]
EDMUND. Da habt Ihr aber doch selbst keine Erfahrungen gemacht?
HAHNENSPORN. Bin zu klug gewesen, Herr Famulus, habe mich begnügt an andern zu sehen wie ein Hauskreuz drückt! Sehen Sie, Herr Famulus, Sie können die Spinnen nicht leiden?
EDMUND. Nein, die Thiere sind mir zuwider.
HAHNENSPORN. So geht es mir gerade mit den Weibern. Sie gehen den Spinnen aus dem Wege, ich den Frauenzimmern.
EDMUND. Frauenzimmer und Spinnen sind doch nicht zu vergleichen!
HAHNENSPORN. Allerdings, Herr Edmund, allerdings! Die Frauenzimmer machen auch Netze, wie die Spinnen, und fangen Männer, wie diese Fliegen. Sie sind auch so eine arme Fliege, für die man Netze spinnen wird.
EDMUND lachend. Nun wenn die Frauenzimmernetze nicht stärker sind als Spinnennetze, kann man es schon darauf wagen!
HAHNENSPORN. Junger Mann, hüten Sie sich. Wenn ich mich hier so umsehe in dieser friedlichen Wohnung, wo die behaglichste Ruhe herrscht, wo man den ganzen Tag die alte Schwarzwälderin picken hört und wo die alten Classicisten ungestört an ihrem Platze stehen, und wenn ich nun denke daß ein Frauenzimmer mit all ihrem Lärm, ihrer Unruhe, ihrem Krimskrams hier herrschen soll – puh da überläuft mich ein Schauder.
EDMUND. Ihr stellt Euch auch gar zu schlimm an.
HAHNENSPORN. Sie verstehen das nicht, junger Mensch. Sie sind im Waisenhause erzogen, nachher hat Sie der Herr Professor als Famulus zu sich genommen, so gewissermaßen adoptirt – Sie sind ja niemals mit Frauenzimmern zusammen gewesen. »Gehe den Weibern aus dem Wege,« sagt der Prophet Epiphanias. Sehen Sie, Herr Edmund, unsere eigene Natur, gewissermaßen eine innere Stimme warnt uns vor den Weibern.
EDMUND. Ach warum nicht gar![181]
HAHNENSPORN. He, nicht? Wenn Sie mit einem Frauenzimmer, besonders mit einem jungen und hübschen zusammen kommen, werden Sie da nicht verlegen?
EDMUND. Das ist wahr!
HAHNENSPORN. Sie schlagen die Augen nieder, Sie werden roth, Sie trauen sich nicht zu sprechen, Sie fühlen eine gewisse Beängstigung?
EDMUND. Das ist wahr.
HAHNENSPORN. Sehen Sie, das ist die innere Stimme, das ist der Instinct der Natur, der Sie vor den Frauenzimmern warnt.
EDMUND. Hm hm! Für sich. Die Beängstigung ist gar nicht unangenehm und kommt mir gar nicht vor wie eine Warnungsstimme.
HAHNENSPORN. Ich begreife den Herrn Professor nicht. Ist auch niemals mit Frauenzimmern umgegangen, war Famulus wie Sie bei dem seligen Professor Oechslein, auch ein wackerer Junggeselle, da durfte niemals ein Frauenzimmer in das Haus. Und so hat es der Herr auch hier gehalten – ich besorgte die ganze Haushaltung. Ich weiß, der Herr Professor hält nichts auf die Weiber und ist doch jetzt zweiunddreißig Jahre alt, wo er über die Jugendstreiche hinaus sein könnte. Und auf einmal fällt es ihm ein zu heirathen – ich begreife es nicht.
EDMUND. Ich kann Euch wol sagen wie das zusammenhängt.
HAHNENSPORN. Nun?
EDMUND. Die Frau ist ihm vermacht worden.
HAHNENSPORN. Als Erbschaft?
EDMUND. Ziemlich so. Vor einem Vierteljahre starb der Oheim des Herrn Professors und hinterließ sein Vermögen von etwa dreißigtausend Thalern seinen beiden Bruderskindern, unserm Herrn Professor und seiner Base, mit der Bedingung daß sie sich heirathen sollten. Wenn eines von beiden nicht auf die Heirath eingehen wollte, so fällt das ganze Vermögen dem andern Theile zu.[182]
HAHNENSPORN. Hm so kann ich es mir erklären, dreißigtausend Thaler sind allerdings ein Grund. Der Herr Professor wird gedacht haben: mit so schönem Vermögen kann er seiner Leidenschaft Bücher zu sammeln recht nachhängen. Ich weiß aber doch nicht wie der Herr Professor mit der Frau zurechtkommen will, er ist viel zu gelehrt um mit Weibern umgehen zu können und aus den alten Classicisten hat er es sicher nicht gelernt. Steht auf. Wir wollen aber doch den Koffer in das Schlafzimmer schaffen.
EDMUND. Was mag wol darin sein, Hahnensporn?
HAHNENSPORN. Hm allerhand Krimskrams: Kleider, Schürzen, Bänder, Flittertand, was so Frauenzimmer brauchen.
EDMUND. Hahnensporn, seht, der Koffer ist offen!
HAHNENSPORN. Alle Wetter wahrhaftig! Da ist die Krampe losgegangen! Es wird doch nichts herausgefallen sein! Oeffnet den Koffer. Nein, noch alles in der schönsten Ordnung!
EDMUND. Wahrhaftig, in der schönsten Ordnung; das liegt alles so glatt und zierlich neben einander, allerliebst!
HAHNENSPORN nimmt einen Kragen heraus. Da sehen Sie, alles dünn, wie Spinngewebe! Nimmt Schleier, Hauben, Kragen, Vorhemdchen u. dergl. heraus und entfaltet alles.
EDMUND empfängt die Sachen, hält sie gegen das Fenster und legt sie auf den Tisch rechts. Sacht, Ihr zerreißt ihn! Ei wie fein!
HAHNENSPORN. Da sehen Sie, kein Halt darin!
EDMUND. Schöne Muster! Und wie fein gestickt!
HAHNENSPORN. Nichts als unnützer Kram.
EDMUND. Und hier, mit blauer Seide durchzogen!
HAHNENSPORN. Hält keinen Windstoß ab!
EDMUND. Und hier ein Schleier!
HAHNENSPORN hat ein Packet Haarwickel. Was ist denn das?
EDMUND. Ich weiß nicht.
HAHNENSPORN. Sieht aus wie kleine Würste.
EDMUND. Vermuthlich Geräthschaften zu weiblichen Arbeiten.[183]
HAHNENSPORN lacht. Nein, mir fällt es ein! Ich hatte einmal einen Herrn, der brauchte auch solche Dinger. Das sind Haarwickel!
EDMUND. Ihr packt ja aber den ganzen Koffer aus! Es ist genug, wir wollen die Sachen wieder hineinlegen.
HAHNENSPORN. Na geben Sie her!
EDMUND. Hübsch vorsichtig, daß alles wieder so ordentlich kommt, wie es war.
BEIDE bemühen sich, die Sachen wieder in die alten Falten zu legen.
EDMUND. Wie war doch das zusammengelegt?
HAHNENSPORN. Verdammter Weiberkram!
EDMUND. Ich finde die alten Falten nicht wieder!
HAHNENSPORN. Das paßt nicht hinten und nicht vorn.
EDMUND. Nein, so war es nicht, so geht es auch nicht in den Koffer!
HAHNENSPORN. Herr Famulus, das kriegen wir beide nicht wieder so zusammen, wie es war.
EDMUND. Das merke ich auch.
HAHNENSPORN. Dazu gehören Frauenzimmerhände, das ist für uns zu knifflich!
EDMUND. Was machen wir aber? Wenn die junge Frau das bemerkt?
HAHNENSPORN. Na, die wird einen schönen Lärm schlagen.
EDMUND. Sie wird uns für neugierig und zudringlich halten!
HAHNENSPORN. Ja ich kriege die Dinger nicht zurecht.
EDMUND. Was machen wir? Sie müssen bald kommen!
HAHNENSPORN. Da müßte uns ein Frauenzimmer helfen! Ich kenne wol die scheele Suse, die an der Ecke einen Schnapsladen hält, aber die wird sich auch nicht auf solche luftige Sachen verstehen.
EDMUND ängstlich. Was soll der Herr Professor denken! Er kann es nicht leiden wenn man in anderer Leute Sachen herumstöbert. Schafft Rath, Hahnensporn!
HAHNENSPORN. Halt, ich hab's! Ich rufe die Kammerjungfer[184] von der Frau Majorin, die im ersten Stock wohnt, die soll uns helfen.
EDMUND. Aber –
HAHNENSPORN. Lassen Sie mich nur machen. So ein Kammerkätzchen weiß mit dergleichen umzugehen! Ab.
EDMUND. Aber Hahnensporn, hört doch! Er ist fort! Die Kammerjungfer hier auf des Herrn Professors Stube? Ich glaube hier ist noch nie ein weiblicher Fuß eingetreten. Wenn das der Herr Professor wüßte! »Ein Weib im Heiligthume der Wissenschaft« würde er sagen! Hm er bringt ja seine eigene Frau mit, da wird das Heiligthum doch einmal entweiht. Nimmt eine Haube. Dünn wie Spinngewebe, es ist wahr, aber es muß doch hübsch aussehen wenn so ein frisches, lächelndes Gesichtchen darunter steckt! Hm jung ist die Base des Herrn Professors, hübsch soll sie auch sein, ein Bischen will ich es mir schon gefallen lassen hin und her geschickt zu werden. Lachend. Wie muß solch eine Haube einem Todtenkopfe stehen! Das muß ich einmal versuchen. Oeffnet den Schrank rechts hinten. Darin stehen mehre Schädel oder ein Gerippe, eine Elektrisirmaschine, physikalische Apparate, Gläser mit Spiritus u. dgl. Er setzt die Haube einem Schädel auf und geht zurück, um sie zu besehen. Hahaha, sieht gar nicht übel aus! Wer weiß, alter Schelm, was du im Leben auf dem Kopfe gehabt hast! Vielleicht findet die junge Frau Gefallen an dir und braucht dich als Haubenkopf!
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