Vierter Auftritt.

[202] Vorige. Hahnensporn mit Stiefeln an einem Stocke.


HAHNENSPORN bleibt hinten, stellt die Stiefeln weg und beschäftigt sich mit Röcken, die über einem Stuhle hängen. Guten Morgen allerseits.

OTTO brummend. Guten Morgen!

EDMUND sitzt am Kamin und trinkt Kaffee.

ANTONIE am Tische sitzend, dreht sich um, sieht ihn an, freundlich. Guten Morgen.

HAHNENSPORN für sich. Aha, da ist die Frau! Und hier im Studirzimmer? Schüttelt den Kopf.

ANTONIE hat getrunken. Pfui, pfui, pfui, was ist das für ein Getränk!

OTTO der schrieb. Was gibt's?

EDMUND verlegen, steht auf. Schmeckt Ihnen der Kaffee nicht?

ANTONIE. Kaffee? Das soll Kaffee sein?

EDMUND. Frisch aufgewärmt.

ANTONIE. Wie?

EDMUND. Wir kochen den Kaffee immer für vierzehn Tage im Voraus und wärmen jeden Tag die nöthige Portion auf.

ANTONIE aufstehend. Nein, das ist zu toll! Lacht stark.

HAHNENSPORN zieht sich nach der Thüre. Jetzt platzt die Bombe!

ANTONIE. Und solchen Kaffee, meint ihr, soll ich trinken?

OTTO. Aber ich habe –

ANTONIE ohne sich an ihr zu kehren, den ganzen folgenden Auftritt rasch, entschieden. Ich will euch zeigen was Kaffee ist. Ist das Wasser da in dem Kesselchen?

EDMUND. Frisches Brunnenwasser, ich wollte eben für die nächsten vierzehn Tage Kaffee machen.[203]

ANTONIE. Kocht es?

EDMUND. Im Augenblick.

ANTONIE. Auf meinem Tische steht eine Kaffeemaschine, holen Sie mir die!

EDMUND rechts ab.

ANTONIE. Sie da hinten, wie heißen Sie?

HAHNENSPORN. Hahnensporn, ich heiße Hahnensporn.

ANTONIE. Herr Hahnensporn, holen Sie geschwind frisches Weißbrod!

HAHNENSPORN immer auf Otto sehend. Aber ich –

ANTONIE. Da liegt Geld! Nimmt von Otto's Schreibtische Geld. Hier nehmen Sie.

HAHNENSPORN. Aber ich weiß nicht –

ANTONIE. Ganz frisches Weißbrod, hören Sie!

HAHNENSPORN. Aber der Herr Professor muß doch erst –

ANTONIE heftig, mit blitzenden Augen. Wollen Sie gehorchen! Im Augenblick!

HAHNENSPORN verblüfft, eilt ab.

OTTO. Aber der Lärm –

ANTONIE. Beruhige dich, du sollst gleich guten Kaffee haben!

EDMUND bringt eine Kaffeemaschine. Hier, Frau Professorin!

ANTONIE. Geben Sie her. Setzt die Maschine auf das Fußbänkchen am Kamin. Wer wohnt unten im ersten Stock?

EDMUND. Die Frau Majorin Birnbaum.

ANTONIE. Gehen Sie hinunter, sagen Sie eine Empfehlung von mir, ich würde ihr nachher meinen Besuch machen, jetzt bäte ich sie mir etwas Sahne und frische Butter zu leihen, ich sei noch nicht eingerichtet.

EDMUND. Ich bin gleich wieder da! Durch die Mitte ab.

OTTO. Aber Frau, das geht ja nicht –

ANTONIE gutmüthig. Armer Mann, wenn du immer so schlechten erbärmlichen Kaffee getrunken hast, mußtest du ja ganz schwermüthig werden. Jetzt kann ich begreifen daß du[204] in manchen Dingen so sonderbare Grillen hast. Schlechter Kaffee wirkt nachtheilig auf das Geblüt und erzeugt Melancholie und Hypochondrie. Nein lieber Freund, das darf ich nicht dulden, du sollst gleich guten Kaffee haben. Wo aber – halt, ich habe noch Kaffee und Zucker in meiner Reisetasche. Rechts ab.

OTTO. Ich weiß nicht, sie widerstrebt meinem Willen – und doch – sie ist flink und rührig, das steht ihr ganz gut.

HAHNENSPORN kommt mit Weißbrod in Papier gewickelt, außer Athem. Da bin ich – uf – ah, Herr Professor – uf, was bin ich gelaufen. Das ist zu arg.

OTTO. Nun nun, das bischen Laufen wird dir nicht schaden.

ANTONIE nimmt mit Kaffee in einer Düte zurück. Ah da sind Sie ja. Hier auf den Tisch das Weißbrod! Geht zum Kamin, schüttet den Kaffee in die Maschine und gießt aus dem Kesselchen auf.

HAHNENSPORN legt das Weißbrod auf den Tisch rechts. Es ist ganz frisch, heute Morgen erst gebacken!

ANTONIE. Rücken Sie den Tisch da hinten in die Mitte.

HAHNENSPORN. Welchen?

ANTONIE. Den an der Thüre.

HAHNENSPORN. Aber da liegen ja Bücher.

ANTONIE. Legen Sie die Bücher auf den Stuhl!

HAHNENSPORN. Was? Die Bücher auf den Stuhl?

ANTONIE. Sie sind entsetzlich langsam und ungeschickt! Stellt den Kessel weg, eilt nach hinten, legt die Bücher von dem Tische rasch auf den Stuhl, wobei einige auf die Erde fallen. Es liegt ja alles so voll von Büchern, daß man sich nicht rühren und bewegen kann. So, so, so – sehen Sie, nun ist der Tisch leer. In die Mitte damit! Eilt nach dem Kamin und gießt auf.

HAHNENSPORN trägt den Tisch in die Mitte, doch nicht zu weit vor.

OTTO unbehaglich. Du machst aber eine heillose Verwirrung!

ANTONIE. Das kommt dir nur so vor! Du wirst bald die schönste Ordnung sehen![205]

EDMUND kommt mit einem Milchtöpfchen und einem Teller mit Butter. Da bin ich, die Kammerjungfer hat mir alles gegeben. Setzt alles auf den Tisch rechts.

ANTONIE. Auf den Tisch da vorn! Herr Famule!

EDMUND. Sie befehlen?

ANTONIE. Gehen Sie – nein, kommen Sie hierher und schütten Sie den Kaffee auf. Können Sie das?

EDMUND thut es. Gewiß.

ANTONIE. Gut. Eilt in ihr Zimmer.

HAHNENSPORN. Aber Herr Professor, was soll das geben? Was werden die alten Classicisten sagen, wenn hier in Ihrer stillen Wohnung so gewirthschaftet wird?

OTTO. Was redest du für Zeug? Laß meine Frau nur gewähren, wir werden ja sehen was da herauskommt.

EDMUND für sich. Die greift rasch an und bringt Leben in unsere Stille. Das kann wahrhaftig nicht schaden!

ANTONIE kommt mit einer damastnen Kaffeeserviette über dem Arme und einem vollständigen Kaffeeservice auf breitem Präsentirteller. Sie stellt es auf den Tisch rechts und reicht Hahnensporn die Serviette. Decken Sie das auf den Tisch.

HAHNENSPORN breitet die Serviette über den Tisch in der Mitte.

ANTONIE. Bringen Sie mir den Kaffee her!

EDMUND bringt die Kaffeemaschine auf den Tisch rechts.

ANTONIE gießt während dessen die Milch in die Milchkanne des Service und thut die Brödchen in einen blechernen lackirten Brodkorb, den sie mitbrachte. Das Service ist ein Hochzeitsgeschenk meiner Freundin Sophie. Du hast ihm gestern nicht die geringste Aufmerksamkeit geschenkt, mein Freund. Gießt den Kaffee aus der Kaffeemaschine in die Kanne des Service. Setzen Sie Stühle an den Tisch, Herr Hahnensporn!

HAHNENSPORN setzt drei Stühle an den mittlern Tisch.

ANTONIE. Auf meinem Zimmer stehen kleine Teller und Messer, holen Sie mir die, Herr Famule!

EDMUND rechts ab.

ANTONIE. Wenn du immer so zwischen den Arbeiten trinkst, kann es dir nicht bekommen, man muß sich zu allem Zeit nehmen, auch zum Essen und Trinken.[206]

EDMUND bringt die Teller und Messer und stellt sie auf den mittlern Tisch.

ANTONIE ist fertig und setzt das ganze Kaffeeservice auf den mittlern Tisch. So – nun ist alles bereit.

EDMUND setzt das Körbchen mit dem Weißbrod auch auf den Tisch.

ANTONIE geht zu Otto, mit anmuthiger Verbeugung. Willst du jetzt die Güte haben die erste Tasse Kaffee, die deine Frau bereitet, mit ihr in Gesellschaft zu trinken?

OTTO legt die Feder weg und steht auf. Hm du bist so freundlich – und das sieht wirklich ganz einladend aus.


Setzt sich.


ANTONIE Kaffee einschenkend. Herr Famule, wollen Sie Platz nehmen?

EDMUND setzt sich schüchtern.

ANTONIE reicht Otto eine volle Tasse. Hier ist Zucker und Sahne, bediene dich! Steht auf. Herr Hahnensporn!

HAHNENSPORN. Hier!

ANTONIE. Wissen Sie wo die Näherin Lisette Ueblich wohnt?

HAHNENSPORN. Ja wohl!

ANTONIE. Bestellen Sie sie um zwölf Uhr zu mir.

HAHNENSPORN. Ich weiß nicht – Herr Professor – soll ich –?

ANTONIE entschieden. Sind Sie nicht als Aufwärter hier in Diensten?

HAHNENSPORN. Allerdings – aber –

ANTONIE. So erfüllen Sie ohne Widerrede die Aufträge, die ich Ihnen gebe, ich, die Frau vom Hause. Und rasch, kommen Sie bald wieder, ich habe noch mehr für Sie zu thun. Gehen Sie!

HAHNENSPORN verblüfft. Wie Sie befehlen. Ab.

ANTONIE setzt sich, sehr freundlich. Nun, mein Freund, wie ist der Kaffee?

OTTO. Ich muß gestehen, so habe ich ihn noch nicht getrunken. Gib mir noch eine Tasse.[207]

ANTONIE einschenkend. Pflegst du nicht des Morgens zu essen?

OTTO. Während des Anziehens bin ich gewöhnt ein Brödchen zu mir zu nehmen.

ANTONIE. Erlaubst du daß ich dir eins bereite? Schmiert ein Weißbrod und reicht es ihm dann auf einem Teller. Das Essen, das man so halb stehend und halb gehend zu sich nimmt, kann ja nicht bekommen.

OTTO. Daran mag etwas Wahres sein. In der That, der Kaffee ist trefflich! Famule, mit Ihrer Kochkunst ist es nicht weit her, da müssen Sie etwas lernen.

ANTONIE die indessen auch Edmund eingeschenkt hat, freundlich. Ich entbinde Sie in Zukunft von dem Küchenamte, das sich jedenfalls besser für die Köchin als für Sie paßt.

OTTO. Aber mit der Köchin –

ANTONIE. Noch eine Tasse, mein Freund?

OTTO. Nun ja – es schmeckt mir trefflich, ich muß anerkennen daß du dich darauf verstehst ein Frühstück zu bereiten.

ANTONIE. Ich hoffe, du sollst in jeder Beziehung finden daß ich meinen Platz als Hausfrau auszufüllen verstehe. Trinkt der Herr Famule noch ein Täßchen?

OTTO. Lus!

ANTONIE. Wie?

OTTO. Famulus, nicht le.

ANTONIE. So? Darf ich dem Herrn Famulus noch einmal einschenken?

OTTO. Lo, Famulo!

ANTONIE. Nun wieder lo? Meinetwegen. Ich frage den Herrn Famulo –

OTTO. Famulum!

ANTONIE. Geh, du hältst mich zum besten! Sagen Sie mir selbst, heißen Sie Famulus, lum, lo oder le?

OTTO schulmeisternd. Das sind die verschiedenen Casusendungen. Es gibt einem tüchtigen Grammatiker immer einen Stich in das Herz, wenn ein Casus falsch angewendet wird.

ANTONIE lachend. Nun, mein Freund, vielleicht lerne ich[208] die Anwendung der verschiedenen Casusendungen noch von dir. Schenkt Edmund ein. Damit aber über die Casus nicht der Casus eintritt daß Sie keinen Kaffee bekommen, hier! Zu Otto. Hättest du nicht Lust zur letzten Tasse ein Pfeifchen zu rauchen?

OTTO. Hm das wäre nicht übel –

ANTONIE holt ihm rasch eine Pfeife. Ich weiß, der selige Oheim liebte es auch beim Kaffee zu rauchen. Da.

OTTO. Hm hm, du bist sehr gefällig – ich finde es in der That ganz behaglich, was ich bisher niemals gethan, sein Frühstück mit etwas Ruhe zu genießen. Es scheint mir auch im Grunde kein Unrecht sich an dem Wohlgeschmack der Speisen und Getränke zu erfreuen, da dieser Wohlgeschmack eine Eigenschaft ist, die Gott seinen Gaben beigelegt hat.

ANTONIE. Der Meinung bin ich auch, also zünde deine Pfeife an.

OTTO sieht nach der Uhr. Ich möchte wohl – indessen – Springt auf. o weh, es ist schon neun Uhr vorüber, und ich muß in die Classe. Ich begreife nicht wie die Zeit so rasch vergangen ist.

ANTONIE. Kannst du nicht am ersten Tage deiner Ehe den Unterricht einmal aussetzen? Ich habe noch so manches mit dir zu besprechen, niemand wird es unbillig finden wenn du einmal einen Tag überschlägst.

OTTO zweifelnd. Ich habe noch nie eine Stunde versäumt.

ANTONIE. Desto weniger wird es dir jemand verargen.

OTTO. Nun denn es ist ohnehin schon spät, ich habe mich auch nicht ordentlich vorbereiten können. Famule, eilen Sie in die Classe und sagen Sie: ich wurde Morgen sowol die Stunde des Tacitus als die des Xenophon ausfallen lassen.

EDMUND. Augenblicklich. Ab.

ANTONIE zündet an einem Schwefelhölzchen einen Fidibus an und reicht ihn Otto.

OTTO hat es nicht gleich bemerkt. O – ich danke!

ANTONIE sitzend. Entsinnst du dich wol noch des Besuches[209] bei dem seligen Oheim, wo wir uns zum ersten Male sahen?

OTTO rauchend, sich immer mehr behaglich fühlend. Ja, o ja, das war vor vier Jahren.

ANTONIE. Richtig! Der selige Oheim war ein munterer Mann und liebte es viel Gesellschaft um sich zu sehen. Du aber standest immer finster und zurückhaltend in einer Ecke und runzeltest die Stirn, wenn wir munter und fröhlich waren. Die jungen Mädchen nannten dich den Philosophen! Ich habe dich immer darauf angesehen. Mir wollte diese Benennung gar nicht passend erscheinen. Unter einem Philosophen dachte ich mir immer einen alten graubärtigen Mann, du aber sahst jung und gar nicht übel aus.

OTTO belehrend. Man kann auch jung ein Philosoph sein. Philosophie ist nämlich die Wissenschaft –

ANTONIE schmeichelnd. Ich bitte dich, jetzt keine Gelehrsamkeit. Ich weiß auch ungefähr daß Philosophie Weisheit sein soll – wenn ich aber an die Aussprüche der Philosophen denke, die du mir vorhin mitgetheilt hast, so erheben sich in mir doch einige Zweifel an ihrer Weisheit.

OTTO. Das sind aber Autoritäten, die weisesten Männer des Alterthums.

ANTONIE. Und du meinst daß sie Recht haben? Springt auf. Da war der eine, der uns Frauen mit Füchsen, Affen und gar mit Hunden verglich. Sich anmuthig vor ihm drehend. Sieh mich einmal an. Findest du denn Aehnlichkeit an mir mit einem Fuchse oder Affen oder gar – ach ich mag es gar nicht sagen.

OTTO sie wohlgefällig betrachtend. Mein Kind, das ist auch nicht wörtlich gemeint. Simonides spricht nicht von körperlicher Aehnlichkeit, sondern von geistigen Eigenschaften. Man nennt diese Redeweise –

ANTONIE. Pst – heute Morgen schweigt die Gelehrsamkeit. Sitzend. Warum schautest du vor vier Jahren so finster darein, wenn wir lustig waren? Hältst du die Fröhlichkeit für Unrecht?[210]

OTTO. Das nicht, allein ein gemessenes Betragen ziemt namentlich jungen Mädchen.

ANTONIE. Waren wir denn ungemessen?

OTTO. Das will ich gerade nicht sagen – aber – ich – habe mich im Kreise von Frauen niemals wohl befunden.

ANTONIE. Bist du denn schon viel in Frauenkreisen gewesen?

OTTO. Selten oder nie.

ANTONIE. Sieh mein Freund, da ertappe ich dich. Du kennst also die Frauen nicht aus eigner Anschauung, sondern nur aus deinen alten, garstigen Büchern. Und gestehe es nur, es war nichts als Verlegenheit, was dich damals bestimmte in deiner Ecke zu bleiben?

OTTO. Verlegenheit? Quod non. Der Mann, der sich seiner Würde bewußt ist, wird niemals verlegen. Allein ich fühlte mich da nicht an meinem Platze.

ANTONIE. Das ist dasselbe. Der Mann, der sich seiner Würde bewußt ist, muß sich an jedem Platze zurechtfinden können. Sieh, du kennst weder mein Geschlecht, noch die Art mit uns umzugehen, und deshalb bin ich nachsichtig gegen dich.

OTTO versucht sich in Würde zu werfen, was ihm nicht mehr recht gelingen will. Du übst Nachsicht gegen mich? Die Frau gegen den Mann und Herrn? Das ist ein gänzliches Verkennen deiner Stellung.

ANTONIE. Meinst du? Ich will einmal von allen den harten und ungerechten Urtheilen absehen, die du über mein Geschlecht gefällt hast, muß ich aber nicht nachsichtig gegen dich wegen der Art und Weise sein, mit der du mich heimgeführt hast? Als unsere Verbindung feststand, freute ich mich schon auf die Hochzeits- oder Brautreise. Eine solche Reise ist jetzt allgemeine Sitte, und ich habe noch so wenig von der Welt gesehen. Statt dessen kommst du einsylbig angefahren, lässest dich mit mir trauen, fährst einsylbig hierher, führst mich in dein Haus und lässest mich ruhig stehen. Gestehe daß ich dafür sehr nachsichtig sein mußte.[211]

OTTO nicht ohne Verlegenheit. Die Griechen und Römer führten ihre Frauen einfach in das Haus, aus dem diese nie heraus kamen. Die Alten wußten auch nichts von der Hochzeitsreise.

ANTONIE. Lieber Freund, wir sind aber nicht die Alten. Alle Achtung vor den Griechen und Römern, allein wir haben andere Sitten und nicht zu verwerfende Sitten. Eine solche ist die daß zwei junge Eheleute zum Antritt ihrer Ehe eine Reise zusammen machen. Wird nach und nach ernster. Zwei Menschen, die sich für das Leben mit einander verbinden, die Freud' und Leid zusammen tragen wollen in langen, langen Jahren, die es aufgeben in selbstsüchtiger Vereinzelung zu stehen und hinfort eins für das andere leben wollen, müssen sich in einander fügen und schicken lernen, sie müssen ihre Seelen austauschen in unbegrenztem Vertrauen, in gegenseitiger Liebe. Denn das, mein Freund, ist das Wesen der Ehe. Darum ist es eine schöne Sitte daß sie sich zum Anfang losmachen von den gewöhnlichen Geschäften des Lebens und mit einander hinausreisen in die weite Welt. Sie meiden für den Anfang die Menschen, mit denen sie gewöhnlich umgehen, um eins nur für das andere auf einige Wochen wenigstens zu leben. Als Bild der großen Lebensreise gilt ihnen die kleine Reise durch Städte und Länder, und wie sie da, überall fremd, desto mehr auf einander angewiesen sind, so lernen sie daß sie im Leben auch fest an einander halten sollen. In heiterer Muße durchwandeln sie auf ihrer Reise die herrlichen Gegenden und erregt von der Fülle und Schönheit der Natur ketten sich ihre Herzen fester an einander, denn der Mensch fühlt nie wärmer, tiefer, besser, als wenn der frische Athem der weiten Natur seine Brust durchzieht. Es ist eine recht schöne Sitte, eine Hochzeitsreise, die beste Vorbereitung für die Freude – – und den Ernst der Ehe.

OTTO von ihrer Schilderung ergriffen. In der That du schilderst mit so viel Lebendigkeit – –

ANTONIE sanft. Hattest du wirklich so viel zu thun, daß du keinen Urlaub zu einer Reise bekommen konntest?

OTTO. Es hätte dessen gar nicht bedurft, denn morgen[212] beginnen die Ferien auf sechs Wochen, in denen ich ganz frei bin.

ANTONIE plötzlich munter. Das ist nun vorbei, die Alten machten keine Hochzeitsreise, also thun wir es auch nicht. Mein Geplauder scheint dich zu langweilen?

OTTO. Nein nein, du sprich recht hübsch!

ANTONIE. Wirklich? So will ich einmal eine recht gelehrte Frage an dich thun. Haben die Alten ihre Frauen nicht geliebt?

OTTO im gelehrten Tone. Hm es ist keinem Zweifel unterworfen daß die Alten die Liebe kannten, hatten sie doch einen Gott der Liebe, Amor oder Eros genannt, und auch die Venus oder Aphrodite kann man als Göttin der Liebe bezeichnen – dennoch war das Verhältniß der Frauen ein anderes als bei uns, es war würdiger, gemessener, gehaltener. Die Frauen waren auf das Haus beschränkt und hatten weder Stimme noch Einfluß bei den Männern.

ANTONIE. So? Es schweben mir so einige Geschichten vor von einem gewissen Coriolan, von einer Frau Lucretia, einer Arria, Cornelia u.s.w., die beweisen daß die Alten dennoch viel auf ihre Frauen hielten, wenn diese nur darnach waren.

OTTO schmunzelnd. Sieh sieh, auch einige Kenntniß des Alterthums, wie ich mit Wohlgefallen bemerke. Auch ist diese Citation ganz gut angebracht.

ANTONIE. Es freut mich deinen Befall zu haben. Wenn also die Alten unzweifelhaft auch geliebt haben, du aber den Alten nacheiferst – hast du denn auch schon geliebt?

OTTO verlegen. Man muß hier bedenken daß später das Christenthum uns offenbart und dadurch die Sitten der Alten wesentlich verändert worden sind. Das Christenthum gebietet aber die Liebe zu seinem Nächsten, und ich habe mich immer bestrebt seine Gebote zu erfüllen.

ANTONIE hat ganz in der Stille Tassen u.s.w. auf dem Präsentirteller zusammengesetzt, steht jetzt auf und trägt ihn auf den Tisch rechts. Während[213] dessen für sich. Es ist wie ich dachte, nichts als Unkenntniß und Unerfahrenheit.

OTTO für sich. Sie macht alles so zierlich und anmuthig, sie ist wirklich eine ganz angenehme Frau.

ANTONIE faßt den Tisch an. Hilfst du mir?

OTTO. Mit Vergnügen. Tragen den Tisch nach seinem Platze.

ANTONIE. Du hast eine hübsche Wohnung, nach vorn heraus sind ganz angenehme Zimmer.

OTTO. Hast du die schon gesehen?

ANTONIE lächelnd. Als du mich gestern Abend allein ließest, hatte ich hinreichend Zeit mir alles zu besehen und auch den größten Theil meiner Habseligkeiten auszupacken. Ich muß dir doch das Schlafkissen geben, das uns Base Karoline zur Hochzeit geschenkt hat; das Geschenk ist doch für dich und wird sich auf dem Sopha im vordern Zimmer ganz gut ausnehmen. Rechts ab.

OTTO. Sie hat die Hochzeitsreise so hübsch beschrieben, daß man fast Lust bekommt. Die Alten konnten diese Sitte auch füglich nicht haben, da sie weder Posten, noch Dampfschiffe, noch Eisenbahnen kannten. Jedenfalls sind wir in dieser Beziehung fortgeschritten, und deshalb möchte die Sitte der Hochzeitsreise nicht zu verwerfen sein. Es muß lohnend sein die Schweiz einmal zu sehen – ich kann mir eine solche Reise ganz angenehm denken.

ANTONIE kommt zurück. Ich habe ganz vergessen, das Schlafkissen ist hier in dem Schranke.

OTTO erstaunt. In dem Schranke?

ANTONIE öffnet den Schrank, er ist ganz voll weiblicher Kleider. Ich glaube wenigstens!

OTTO heftig. In diesem Schranke deine Kleider?

ANTONIE ruhig. Ich fand in meinem Zimmer keinen Schrank, und da ich doch einen Platz für meine Kleider haben mußte, so habe ich sie hieher gehängt.

OTTO. Aber meine Instrumente, meine physikalischen Apparate?[214]

ANTONIE. Die habe ich unterdessen in mein Schlafzimmer gestellt.

OTTO sehr heftig. Wie, meine theuren, kostbaren Apparate in dem feuchten Zimmer, wo sie dem Roste und dem Verderben ausgesetzt sind?

ANTONIE sanft, aber ernst. So, mein Freund, du wußtest, daß diese Zimmer feucht und dumpfig sind? Und doch hast du diese feuchten Zimmer, in die du nicht einmal deine Instrumente stellen willst, deiner Frau angewiesen?

OTTO von dem Vorwurf betroffen, beschämt. Du hast Recht, das ist unpassend – Rasch. du magst sogleich die vorderen Zimmer beziehen.

ANTONIE freundlich. Dann müßtest du in dem feuchten Zimmer schlafen und Unterricht geben? Nicht doch, wir wollen überlegen wie es sich am besten einrichten läßt – und geht es nicht, ei nun, so nehmen wir eine andere Wohnung!

OTTO. Wie du meinst. Für sich. Wo hatte ich auch meine Gedanken, sie in die feuchten Zimmer zu weisen? Und sie ist so gut, kein Vorwurf kommt über ihre Lippen. Laut. Es ist wirklich ein grober Verstoß meinerseits mit den Zimmern, Antonie, und ich bitte –

ANTONIE. Sprich nicht mehr davon, du hast es nicht bedacht, nicht überlegt. Für sich, vergnügt. Das erste Mal daß er mich beim Namen nennt. Laut, sich umsehend. In der That wird es am besten sein eine neue Wohnung zu nehmen, ich kann mich dann auch mit der Küche besser einrichten.

OTTO. Also meinst du noch immer daß eine Köchin in das Haus kommen soll?

ANTONIE freundlich. Herr Professor, die Hausordnung ist meine Sache. Was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen Rath geben wollte über eine Stelle im Plautus? Es bleibt also dabei, wir nehmen eine neue Wohnung. Die alten Griechen und Römer hier im Zimmer werden sich wundern, wenn sie aus ihrer behaglichen Ruhe vertrieben werden. Sie hatten sich so fest eingenistet, als wollten sie ewig hier bleiben. Neckisch, sich verbeugend. Ja ja, meine Herren Cicero, Virgil, Horaz, Tacitus,[215] Terenz, und ihr Herren Sophokles, Homer und Pindar, ihr müßt auswandern.

OTTO. Ei ei, mein Kind du scheinst ja mit den Alten recht vertraut zu sein?

ANTONIE schelmisch. Recht vertraut? Bewahre der Himmel, nur oberflächlich kenne ich die alten Herren, just so viel als eine christliche Frau darf, um nicht in schlechten Ruf zu gerathen.

OTTO. Man kann mit den Alten nie zu bekannt sein.

ANTONIE. O doch, wenn man die Lebendigen darüber vergißt. Wir leben um zweitausend Jahre später, sind andere Völker, in andern Ländern und müssen uns selbstständig entwickeln. Wollen wir die Ansichten und die Sitten der Alten auf unser Leben übertragen, so verwischen wir unsere Eigenthümlichkeit und in dieser liegt unser Werth.

OTTO. Ha jetzt kommst du mir in mein Feld und ich werde dir die Antwort nicht schuldig bleiben. Die Sitten der Alten waren so vortrefflich, daß wir uns immer bestreben sollen nach ihnen zu leben. Ich werde dir das beweisen. Das Leben zerfällt –

ANTONIE lachend. Halt, glaubst du wirklich ich wäre so einfältig dich in deinem Felde mit deinen Waffen bekämpfen zu wollen? O nein, euch ihr Herren gehört das Wissen, uns die Anwendung!


Quelle:
Roderich Benedix: Haustheater. Leipzig 21865, S. 202-216.
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