Siebenter Auftritt

[14] Theodora's Zimmer. Theodora kömmt mit einem Spiegel herein, tritt vor einen andern Spiegel, besieht sich von allen Seiten, geht vor ihn auf und nieder, und untersucht ihre ganze Gestalt, aber durchaus bescheiden, und ohne alle Koketterie. Lisette tritt bald darauf ein, und bemerkt dies.


LISETTE. Nun, das freut mich, daß Sie doch auch einmal anfangen, in den Spiegel zu sehen, wie wir andern Mädchen.[14]

THEODORA die zurück gefahren ist, und den Spiegel hingelegt hat. Ach, Du hast mich recht erschreckt. Wenn das jemand gesehen hätte; ich müßte mich schämen.

LISETTE. Warum denn? Ist es denn was Böses, in den Spiegel zu sehen?

THEODORA. Es läßt so eitel; aber ich will Dir's entdecken, warum ich mich so betrachtet habe. Meine Mutter hat mir immer gesagt, daß ich gar nicht hübsch sey, und da wollte ich zusehen, ob denn das wahr ist. Sage mir Lisette, bin ich denn wirklich so häßlich?

LISETTE. Sie häßlich? Ha, ha, ha! Wer soll denn schön seyn? Hübsch sind Sie, sage ich Ihnen, hübsch, wie ein Engel.

THEODORA. Du machst Dich lustig über mich, Du leichtfertiges Mädchen! Ich werde doch meiner Mutter mehr glauben, als Dir! Aber sage mir recht aufrichtig, bin ich denn wirklich so häßlich nicht?

LISETTE. Was es nicht für Mühe kostet, Sie davon zu überzeugen, was alle andere Mädchen ohne Versicherung glauben! Führt sie zum Spiegel. Sehen Sie sich doch nur an, und wenn Sie's denn nicht glauben wollen, so müssen Sie einen Fehler am Gesicht haben.[15]

THEODORA. Ich will nicht, ich schäme mich. Sich losmachend. Dir mag ich wohl gefallen, Du bist ein Mädchen; aber wenn Du eine Mannsperson wärest, würde ich Dir dann auch gefallen?

LISETTE. Was das für eine Frage ist! Noch zehnmal mehr. Aber wie kömmt es denn, daß Sie sich auf einmal so genau nach Ihrer Gestalt erkundigen, und so besorgt darüber sind?

THEODORA. Ach, ich weiß es nicht Lisette.

LISETTE. Aber ich weiß es recht gut. Seit dem letzten Balle sind Sie so unruhig, so sorgfältig in Ihrem Anzuge, so aufmerksam auf Ihre Schönheit.

THEODORA. Seit dem letzten Balle?

LISETTE. Ja, und ich weiß auch, warum? Da haben Sie einen jungen hübschen Menschen gesehen, der Ihnen gefallen hat, und nun möchten Sie gerne wissen, ob Sie auch hübsch sind, und ihm wiederge fallen haben.

THEODORA. Ach, Du bist ein schlaues Mädchen! Aber da Du es weißt, und ich keinen habe, dem ich mich entdecken kann, so will ich Dir's nur gestehen. Ja, ich habe auf dem letzten Balle einen jungen Menschen gefunden, der mir mehr gefallen hat. als bis jetzt alle andere Mannspersonen, der mir[16] immer vor den Augen schwebt, und über den ich alles andere vergesse.

LISETTE. Nun, das wußte ich wohl; aber kannten Sie ihn denn nicht?

THEODORA. Nein, und ich hatte auch nicht das Herz, jemanden zu fragen, wer er sei; aber ich kann Dir gar nicht beschreiben, wie schön er war, wie er so angenehm sprach, und so zärtlich gegen mich that. Ich kann ihn gar nicht vergessen.

LISETTE. Das brauchen Sie auch nicht.

THEODORA. Ich kann's nicht begreifen, wie ich mich so ganz von ihm habe hinreißen lassen. Meine Aeltern sind doch in der Zeit sehr reich geworden; aber ich habe weit mehr an ihn gedacht, als an unser Vermögen. Und wenn ich mich auch darüber freute, so geschah es immer nur um seinetwillen.

LISETTE. Das will ich Ihnen alles erklären; das kömmt davon, weil Sie verliebt in ihn sind.

THEODORA. Du erschreckst mich, Lisette; aber was soll daraus werden?

LISETTE. Er soll Sie wieder lieben, und Sie sollen sich einander lieben, und Braut und Bräutigam werden, und sich heirathen.

THEODORA. Ach behüte der Himmel, wie weit treibst Du die Sache. Denkst du denn gar nicht an meine Aeltern?[17]

LISETTE. Die werden schon einstimmen, wenn ihre Tochter einen hübschen jungen Mann heirathen kann.

THEODORA. Ach, ich werde ganz unruhig; ich muß frische Luft schöpfen. Geh, Lisette, hole mir meinen Mantel, wir wollen auf die Promenade gehen.

LISETTE für sich. Das Feuer muß man anfachen! Bei solchen Liebeshändeln fällt gewöhnlich für die Kammerjungfern was ab. Laut. Was befehlen Sie? den Mantel soll ich holen? Gleich. Geht und bringt bald nachher den Mantel.

THEODORA. Mir ist recht bange ums Herz. Wenn ich nur den Muth hätte, es meiner Mutter zu entdecken, Ich thue gewiß unrecht, daß ich allein mit Lisetten darüber spreche.

LISETTE zurückkommend. Hier ist der Mantel. Kommen Sie, es ist recht schönes Wetter, so lau; so angenehm. Beide ab.


Quelle:
Benkowitz, Karl Friedrich: Die Jubelfeier der Hölle, oder Faust der jüngere. Berlin 1801, S. 14-18.
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