Dritte Scene.

[33] Vorige. Sycorax mit einem Becher oder einer Schale, steigt aus dem Boden.


SYCORAX.

Ich komm', ich komm', ich bring' den Trank

In Katzensilber, rein und blank!

HEXEN drängen sich hinzu und langen darnach).

Die Alte bringt den Wundertrank!

O gieb uns! Wir sind liebeskrank![33]

MEPHISTOPHELES.

Schweigt und weicht zurück von ihr!

Ich bin Herr im Hause hier!


Die Hexen ziehen sich zurück.


FAUST.

Wohlan! Ich bin's, der dein begehrt!

SYCORAX reicht ihm die Schale.

Trink! und nichts ist dir verwehrt.

Wo nicht Gold und Silber helfen,

Hilft der Wundertrank der Elfen!

Trink! trink! trink!

Rasch und flink!


Faust nimmt die Schale.


HEXEN wie vorher.

Wir sind so krank,

Gieb uns den Trank!

FAUST.

Ist es thöricht auch, zu sinnen,

Will ich's muthig doch beginnen;

Wer hat je, Natur,

Ganz ermessen deine Spur?

Welche Wege du magst geh'n,

Kann kein Sterblicher erspäh'n!


Er trinkt.


MEPHISTOPHELES.

(Trau' dem Wahne, der dich blendet,

Traust der Hölle, die dich pfändet;

Könnte je Natur

Wohl verlassen ihre Spur?

Wer's versucht mit frevlem Sinn,

Stürzt in sein Verderben hin!)

SYCORAX.

Willst du leicht den Schatz gewinnen,

Darfst nicht lange dich besinnen,

Siehest du im Traum

Ihn dort schimmern unter'm Baum,

Gleich im Traume hebe ihn,

Willst du's wachend, ist er hin!

CHOR.

Trink, trink, trink!

Rasch und flink!

Doch ein Tröpflein laß am Grund

Mir, mir, mir!

Macht zu Liebeslust gesund


Aufs Herz zeigend.


Hier, hier, hier![34]

FAUST.

Ha! wie ist mir zu Sinnen!

Winterfrost und Sommergluth

Streiten im bewegten Blut!

Mich durchraset Lust und Wuth!


Wirft die Schale fort.


MEPHISTOPHELES.

Sieh, das ist des Trankes Kraft!

Seine selt'ne Eigenschaft.

SYCORAX.

O vermessenes Beginnen!


DREI HEXEN drängen sich liebkosend zu Faust.

Fühle mich zu dir getrieben,

Schöner Mann!

Sieh mich an!

Will dich herzen, will dich lieben!

FAUST.

Wilder Lust Verlangen

Regt mich auf, im tiefen Grunde

Heiß entflammt ist all mein Blut!

Nein, von dieser Fluth

Koste nimmer Bös noch Gut!


Ich allein

Will es sein!

Auf! zur Stunde,

Kunigunde,

Bist du mein!


Die Hexen abwehrend.


Fort, ihr Schlangen,

Fort von hinnen,

Nimmer schaut ihr diesen Ort!

Ja, das sei die letzte Nacht,

Die hier Hexen zugebracht!


Winkt, das Licht erlöscht und Nacht bedeckt die Gegend.


MEPHISTOPHELES.

In dem Busen brennt die Gluth,

Die Begierde kocht im Blut,

Und des Auges Sehnen sucht

Lüstern die verbot'ne Frucht;

Bald zu reicher Lust ersteht,

Was die Stunde hier gesä't.[35]

SYCORAX.

Süßer Buhle, hab' dich lieb!

Komm' ans Herz, ein Küßchen gieb,

Führe mich ins Brautbett ein,

Will dein trautes Weibchen sein!

Komm' an meine treue Brust,

Sollst vergeh'n in Liebeslust!

HEXEN.

Weh' uns, Weh'!


Die Hexen versinken.


Verwandlung. Ein Platz in Aachen, im Hintergrunde der Dom.


Quelle:
Louis Spohr: Faust. Leipzig [o. J.], S. 33-36.
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