Vorwort

An Alfred Walter Heymel


Lieber Heymel! Versbücher sollte man eigentlich nur Frauen widmen; außerdem kommen höchstens noch Jugendfreunde oder engste Genossen der Kunst in Betracht. Als das Absurdeste aber auf diesem Gebiete muß es erscheinen, bringt einer ein Versbuch seinem Verleger dar.

Grade dies ist nun mein Fall, und ich wäre in einer bösen Verlegenheit, sollte ich ihn erklären, wenn ich nicht erstens darauf hinweisen dürfte, daß Sie eine sehr besondere Spezies der Gattung Verleger darstellen, und wenn nicht zweitens diese Sonderstellung gerade bei Herausgabe dieses Buches ganz besonders deutlich in die Erscheinung träte, – ganz abgesehen davon, daß Sie in erster Linie mein Freund und mehr nebenbei mein Verleger sind, und daß ich alle Ursache habe, Ihrer Freundschaft endlich einmal öffentlich meinen herzlichsten Dank für alles das auszusprechen, was sie mir gutes angethan hat.[5]

Aber Sie müssen es sich immerhin gefallen lassen, daß sich diese Widmung nicht bloß an den Freund, sondern auch an den Verleger wendet, während sie den Dichter ganz außer Betracht läßt.

Für die Rücksichtnahme, die in dem letzteren Umstande liegt, werden Sie mir dankar sein müssen, wenn Sie bedenken, wie bös die liebe Welt ist, sobald es sich um litterarische Höflichkeiten oder Herzlichkeiten handelt. Man würde sagen, ich wollte Ihnen damit schmeicheln, oder ich wollte Sie als eine Art Schüler in Beschlag nehmen, oder ich wollte den alten Onkel spielen, der da sagt: Nimm deine Leyer, mein Sohn, und folge mir nach! Diese freundlichen Auslegungen wollen wir vermeiden, so genau wir auch wissen, wie falsch sie wären.

Eine andre Sache ist es mit der Freundschaft und ihrem Danke; das geht nur uns beide an; und die absonderliche Verquickung mit dem Verleger kann ich unmöglich beiseite lassen, weil es mir ein Bedürfnis ist, Ihnen bei dieser Gelegenheit ganz besonders dafür zu danken, daß Sie meinem Lieblingswunsche zur Ausführung verholfen haben, dem lange gehegten: einmal alle meine Verse sammeln und zu einem so niedrigen Preise herausbringen zu können, daß sie sich ein Jeder anschaffen kann, der sie mag.[6]

Indem Sie diesen Wunsch erfüllten, wußten Sie wohl, daß der Erfolg durchaus unsicher ist, wenngleich Sie so liebenswürdig sind, an diesen Erfolg lebhafter zu glauben, als ich. Wie froh werde ich, für Sie und für mich, sein, wenn es sich herausstellt, daß der Versuch zur rechten Zeit gemacht worden, will sagen, daß die Zeit gekommen ist, die auch dem lebenden lyrischen Dichter Resonanz in weiten Kreisen seiner Volksgenossen gewährt, wenn die äußeren Bedingungen eines breiteren Erfolges gegeben sind. Ist dieser eine Versuch gelungen, so werden andre folgen, und Liliencron, Dehmel, Falke sowie alle andern werden von Ihrem Wagnis denselben Nutzen haben, wie ich, dem das Glück beschert war, zuerst einen Mutigen zu finden.

Schlägt der Versuch fehl, so wird die Erklärung dafür wohl darin gesucht werden müssen, daß meine Lyrik nicht die rechte war, mit ihr den Anfang zu machen. – Hoffen wir fürs Erste im Interesse der Idee, die Sie mit dieser Ausgabe verfolgen, daß er gelingt. Mich selbst würde sein Fehlschlagen nicht bessern und bekehren, obwohl er mich darüber belehren würde, daß ich mich falschen Hoffnungen hingegeben habe, wenn ich glaubte, meine Verse seien dazu geeignet, Vielen Freude zu machen. Nach jedermanns Geschmacke wollen sie ja nicht sein, aber das bekenne ich gern, daß ich mir nichts besseres zu wünschen wüßte, als eine Wirkung in möglichst weite Kreise des Vaterlandes. Sie wissen, wie ich darüber denke. Ich halte nur die Poesie für wirklich lebendig, die vom allgemeinen Leben aufgenommen werden kann. Was sich nur im Treibhause erhält, kann ja unter Umständen für viel schöner befunden werden, und ich selber entziehe mich dem Reize solcher Kunstpflanzprodukte nicht, aber das schenkende, fördernde Leben ist nicht in ihnen. Sie wollen bewundert werden, nicht sich geben; die »schenkende Tugend«, die mir die eigentliche lyrische Tugend zu sein scheint, ist ihnen fremd. Es fällt mir nicht ein, sie zu schmähen, denn Schönes zu schmähen ist immer ein Frevel, auch wenn die Schönheit unfruchtbar und in einem gewissen Sinne monströs ist, – nur: sie sollten nicht gar so vornehm thun, diese steril brünstigen Orchideen; es giebt viele Rosen, Tulpen, Lilien, die viel adeliger sind, obwohl sie ihren Duft und ihre Schönheit jedem Handwerksburschen, jedem kleinen Laufmädel schenken, denn es giebt nichts Vornehmeres, als Reichtum, der sich mitteilt.[7]

Was rede ich viel! Es giebt ein Wort, das dieses alles ausdrückt: Liebe. Darum mußte dieses Wort auch in dem Titel meines Buches stehen, und es will auch dort in diesem umfassenden Sinne verstanden werden. Und: Irrgarten? Warum: Irrgarten der Liebe? Das, lieber Freund, ich gestehe es Ihnen gern, ist eine poetische Floskel, eine Art Bilderrätsel, und ich hätte es durch ein Wort ersetzen können: Jugend.[8]

Doch ich gerate ins Kommentieren meiner selbst, und mein Ehrgeiz läge gerade darin, daß dieses Buch keines Kommentars bedürfte.

Darum nur nochmals das eine Wort: Dank!


In herzlicher Ergebenheit


Ihr Bierbaum.


München, den 4. Mai 1901.


Quelle:
Otto Julius Bierbaum: Irrgarten der Liebe. Berlin/Leipzig 1901, S. 5-9.
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