[56] Vorige. Rösel.
RÖSEL sehr eilig. Ach, Meister Antonio, Gott sei Lob und Dank, da seid Ihr endlich. – Wie habe ich Euch gesucht; den ganzen langen Tag eile ich von einer Herberge, von einer Bude zur andern; aber Niemand gibt mir Rede und Antwort. Eben als ich schon ganz verzagt nach Hause gehen will, kommt mir Euer Diener in den Weg, und sagt mir, wo ich Euch finde, da lief ich, was ich laufen konnte, und da bin ich nun.
BANDINI. Das sehe ich, meine liebe Pfeffer-Rösel – aber was willst Du denn von mir – was führt Dich her, mein freundliches Kind?
RÖSEL. Was ich will? Ja seht, es ist seltsam; erst meinte[56] ich, ich müßte Euch sprechen, und es wäre hochwichtig, was ich Euch zu entdecken hätte, und Niemand als Euch dürfte ich es vertrauen, aber – nun ich vor Euch stehe – nun dünkt mir mein Treiben so kindisch und läppisch, daß ich gar nichts sagen kann.
BANDINI. Aber Rösel, so sprich doch nur; so gern ich Dich sehe und höre, so kurz ist meine Zeit gemessen – meine Saumthiere sind gepackt, und in einer Stunde, will's Gott, liegt die Stadt hinter mir.
RÖSEL erschrocken. Wie? O Du mein Himmel! da ist es doch zu spät, und da muß ich am Ende doch zum Junker selbst gehen; ach, und das kommt mir recht hart an, Meister, recht hart!
BANDINI lächelnd. Und warum denn? Ich dachte doch, Du warst dem Junker nicht eben böse, als er Dir gestern das viele Geld schenkte.
RÖSEL. Nein, Meister Antonio, gewiß, böse war ich ihm nicht – aber seht, nu, ich will's Euch wohl sagen, warum ich gar nicht mehr zu ihm gehen kann. Gestern Nachmittag lief ich hin zur Herberge bei der Reichskrone, wo der Junker wohnt, und brachte alle meine Lebkuchen mit, so viel ich ihrer hierher nach Frankfurt[57] geschafft, weil sie ihm von Gottes- und Rechtswegen gehören. Der Junker war nicht da – da baute ich nun eine stattliche Burg in seinem Gemach von lauter süßen Kuchen, und eben, als ich mitten im Geschäfte bin, tritt der Junker ein. Er lachte viel, und begann gar freundlich mit mir zu reden, ich mußte ihm allerlei Schnurren erzählen – auf einmal sah er mich an mit einem Blick – so seltsam – huh, es rieselt mir noch durch Mark und Bein, wenn ich an den Blick denke – und dann kniff er mich in die Wange, und flüsterte: mein süßes Röschen! Hört Ihr, Meister, Röschen – nicht Pfeffer-Rösel; mir ward ganz weinerlich und weich um's Herz, ich wand mich los, und wollte fort, denn ich schämte mich; da, denkt nur – Pfui, Meister, seht mich nicht an, dort in die Ecke schaut. Sie stößt ihn sanft mit dem Ellbogen an, daß er sich abwenden muß. Da küßte mich der Junker recht herzhaft! – Ich riß mich los, stürzte fort, und weinte den ganzen Abend und die halbe Nacht. Das schöne Fräulein Amalgundis hätte er wohl ungeküßt gelassen, so gern er's auch gethan – aber die arme Pfeffer-Rösel dünkt ihm zur Kurzweil gut genug – und da verschwor ich's, nimmermehr zu einem Junker hinzugehen.
BANDINI. Da thust Du wohl, mein Kind, obgleich er's nicht so böse gemeint. Nun, war es das, was Du mir entdecken wolltest?
RÖSEL. Ach, bewahre, lieber Meister, das ist weit schlimmer. [58] Geheimnißvoll. Schickt den Gehilfen fort, ich muß es Euch doch sagen.
Bandini winkt, Giulio geht ab.
Seht, diese Nacht ward meine Mutter schwer krank, ich weckte die Hausfrau, lies sie zurück, die Mutter zu hüten, steckte ein Goldstück zu mir, und eilte fort in meiner großen Angst, den Doctor zu holen. Ich lief, was ich konnte; schon war ich durch die halbe Stadt gekommen, da führt mich der Weg durch ein kleines Gäßchen an einer langen Gartenmauer hin. – Auf einmal ist mir's, als höre ich neben mir sich eine Pforte öffnen, ich erschrecke, stehe still, lausche, und die Angst um mein Goldstück befällt mich – da tritt eine weibliche Gestalt aus der Mauer, und geht ein paar Schritte das Gäßchen hinauf, ich drücke mich hinter einen Brunnen, den ich in der Dunkelheit erspäht, und warte mit Herzklopfen, was da kommen soll. – Nun sehe ich am andern Ende des Gäßchens Laternenschein; zwei Männer, der Eine in einen Mantel gehüllt, schreiten eilig daher. »Endlich!« ruft die vermummte Frauensperson, »endlich!« »Hier sind wir, meine Jutta« – sagte der Mann im Mantel, im nämlichen Augenblick fällt das Licht der Blendlaterne auf sie, und – wahrlich Meister, ich erkannte die schöne Jutta von Praunheim.
BANDINI. Was sagst Du?
RÖSEL. Ja, hört nur weiter! – »Gib mir die Schlüssel[59] Günther« – sprach sie weiter, »mein Vater schläft noch fest, aber es ist schon spät, wir haben Eile;« darauf wandte sie sich zu dem andern Mann, und sagte etwas lauter: – »Ihr, toller Raufbold, verdient es wohl nimmermehr, daß ich Euch rette aus meines strengen Vaters Hand, dankt es Euerm Herrn, und meiner Liebe für ihn – ich habe Euch in unserm Hause ein Kämmerlein bereitet, wo man Euch wohl nicht suchen wird.« Der Mann wollte Etwas sprechen; doch der Mann im Mantel unterbrach ihn: »Schweig, Ralph, spare Deinen Dank zu gelegner Zeit, und merke auf, was Dir jetzt zu thun obliegt.« Nun gebt Acht, Meister, was der Mann im Mantel sagte: »Bis Morgen nach Mitternacht wird Dir das Fräulein die bewußten Dokumente übergeben, nebst einem Schreiben von mir, ich führe einen Meisterstreich im Schilde, Du magst dem Gerhard sagen, einen kühnern hätte ich nie für ihn vollführt; sobald Du die Papiere hast, begibst Du Dich auf den Weg, am Thore, gegen Mainz, ist der Thorwart unser, Du rufst ihm zu: lup – lup – ja, wartet ein wenig – lupus in fabula, – richtig, das ist der Spruch, – und er wird Dir ohne Säumniß öffnen; jenseits der Stadtgrenze wird Dir, bei der schwarzen Bank, ein Mann im weißen Mantel die Dokumente abverlangen; Du gibst sie ihm, wenn er Dich mit dem Spruche: lupus in fabula, anredet, er wird dann schon für Deine fernere Sicherheit Sorge tragen; mach' Deine Sache gut, denn dießmal gilt's das Höchste.« Darauf schieden sie, und als sich der im Mantel umwandte, erkannte ich – doch[60] kaum wage ich es zu sagen – aber ich will dennoch schwören, daß er es war, ja, ich erkannte des Kaisers Freund, den Günther von Nollingen.
BANDINI zusammenfahrend. Den Günther? – den Günther von Nollingen? des Kaisers Liebling? Ja, nun ist Alles wahr, was Du gesagt, und klarer, als Du denken kannst, liegt das höllische Gespinnst vor meinen Blicken.
RÖSEL stolz. Nun, Meister, daß es auf eine Verrätherei hinausläuft, wenn des Kaisers Freund in dunkler Nacht Botschaft senden will an Gerhard von Mainz, seinen ärgsten Todfeind – das ward der Pfeffer-Rösel doch auch klar, so dumm Ihr sie immer halten mögt; auch wäre ich gerne hingelaufen, und hätte Alles dem Kaiser entdeckt, denn dazu fehlt es mir nicht an Muth. Ihr mögt es glauben; aber erstlich rief mich die Sorge für die Mutter heim, und dann dachte ich auch: wer wird der armen Pfeffer-Rösel glauben, wenn sie gegen solche vornehme Leute ihre Stimme erhebt. Da, als die Mutter besser ward, dachte ich an Euch, Meister Antonio, wie Ihr so recht ein wackerer ehrenfester Mann seid, und Gott ließ mich Euch finden.
BANDINI in großer Bewegung. Du thatest wohl, mein kluges Kind. Ha! Nollingen,[61] der Antonio lebt noch – die Rache kommt – reift sie auch langsam, endlich naht sie doch! Klugheit, Vorsicht nur führt hier zum Ziele; ich kann nicht zeugen gegen ihn, Du kannst es nicht, und die Beweise fehlen. Pause. Wie, wenn ich – ja, der Junker von Sonnenberg ist ein edler Jüngling voll ritterlichen Muthes, er hat mir einen Dienst erwiesen, ich will ihm einen leisten, der ihn hoch erheben kann; Rösel, zeige mir den Weg zu ihm.
RÖSEL froh. Ja, ja, der Junker muß es wissen; kommt, Meister, laßt uns zu ihm eilen, an der Thüre kehr' ich gern um, aber, wenn der Tag graut, komm' ich wieder, dann müßt Ihr mir Alles sagen, was sich weiter begeben. Nicht wahr, Meister, Alles, Wort für Wort! Kommt nur. Geschwinde, kommt! –
Indem ihn Rösel geschäftig fortzieht, fällt der Vorhang.
Ende des zweiten Aufzuges.
[62]
Buchempfehlung
Simon lernt Lorchen kennen als er um ihre Freundin Christianchen wirbt, deren Mutter - eine heuchlerische Frömmlerin - sie zu einem weltfremden Einfaltspinsel erzogen hat. Simon schwankt zwischen den Freundinnen bis schließlich alles doch ganz anders kommt.
52 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro