Vierte Scene

[11] Vorige ohne Gertrud und Gesellen.


HANNS. Suse, ich gehe.

SUSE. Meinethalben, geh'!

HERRMANN. Eine Frage, Suschen! Wer ist die junge Frau?

SUSE. Saht Ihr sie noch nicht? Ach ja so – sie kam immer den andern Weg vom Städtchen her, und Ihr wart hier auf der Schmiede. Ja, da müßte ich Euch eine lange Geschichte erzählen. Geschwätzig. Seht, das ist eigentlich –

HANNS zupft sie stark am Rocke.

SUSE stampft ärgerlich mit dem Fuße. I, geh Deiner Wege, – wenn ich reden will, muß man mich reden lassen.

HANNS zornig. Nun, so schwatze bis zum jüngsten Tag! Ich springe in den See.

SUSE. Wirst nicht lange drin bleiben, das Wasser ist heute sehr naß.

HANNS läuft ab.

SUSE vergnügt, daß sie nun wieder reden kann. Ja seht; die Bürgermeisterin ist eigentlich die Tochter des reichen Stadtpflegers im Orte, und mit ihrer Bürgermeisterschaft[11] hat es seine eigne Bewandtniß. Ehe meine Base Else heirathete, war sie ledig, na, das könnt Ihr Euch denken – aber sie war ein armes Ding, und so hübsch und brav sie war, wollte sich doch kein Freier melden, gerade – wie's jetzt mit mir geht. Da vergaffte sich der Sohn des reichen Sensenschmiedes in sie, und weil der Vater nicht wollte, ward der Sohn störrisch und ging, mir nichts, dir nichts, unter die Pappenheimer. Nach drei Jahren kam er wieder im stattlichen Soldatenrock und verrückte allen Jungfrauen hier den Kopf, und Alle thaten ihm schön, er aber war meiner Base Else so treu geblieben wie sie ihm. Nun, da munkelte man, daß die reiche Pflegerstochter Gertrud dem Rudolph mehr geneigt sei, als ziemlich für eine sittsame Dirne, auch soll sie ihm die Ehe angetragen haben; doch er wies Alles von sich und heirathete Elsen, da sein böser Vater starb. Sie lebten froh und glücklich, die Gertrud aber war voll Neid und Galle, und auf einmal kam der Bürgermeister aus der nächsten Stadt und freite um sie. Das war eine Hochzeit! – Nein, so was habt Ihr mein Lebtag nicht gesehen! Musikanten und Schnurranten dudelten, daß man fast taub wurde von dem Lärm, die Kranzeljungfern strotzten alle in Seide, und die Braut glitzerte wie ein Christbaum voll Goldpapier und Lichter. Als ich aber vollends den Bräutigam sah, mit seinem stattlichen Schmerbauche, den krummen Sichelbeinen und den rothen Locken. Da ward mir ganz seltsam zu Muthe; denn um die Pracht der ganzen Welt, ja nicht einmal um den prächtigen Titel »Frau Bürgermeisterin« wäre ich mit dem zum Altar gegangen. Nun, daß ich's kurz mache – sie reiste also mit ihrem Manne zur Stadt und lebte dort mit lauter reichen, vornehmen Leuten, bis er starb. Nun kam sie vor einem Jahre plötzlich wieder hierher. Jung und hübsch genug ist sie, sie könnte alle Tage einen Mann haben, Seufzt tief. die Glückliche! – Aber ich wollte wetten, sie ist noch immer in den Rudolph vernarrt. Sie wußte das Ding so lange zu drehen und zu wenden, bis sie zu uns in's Haus kam. Nun besucht[12] sie uns allwöchentlich und thut so zuckersüß mit der Base, daß es eine Freude ist. – Else, die gute Stunde selbst, merkt nichts; ich aber sage: »mit der ist's nicht richtig, sie führt was im Schilde; denn sie hat zweierlei Gesichter und solche Menschen taugen nichts.« – Na, nun geht mir aber schon der Athem aus – jetzt wißt Ihr Alles, was ich weiß, nun vertraut mir geschwinde, was Ihr wißt; denn ich kann's schon vor Neugier nicht mehr aushalten.

HERRMANN. Nun, mein liebes Suschen, Du hast mir weit mehr erzählt, als ich eigentlich wissen wollte, aber –

SUSE. So, jetzt habt Ihr's nicht einmal wissen wollen? Warum fragt Ihr denn? Warum laßt Ihr mich schwatzen bis mir die Zunge lahm wird?

ELSE hinter der Scene. Suse! Suse! – Wo bist Du denn?

SUSE erschrocken. O weh! Die Base! Was wird sie denken, wenn sie mich hier allein mit Euch trifft? ich schäme mich! Sagt, ich wäre nicht hier, ich wäre zur Schmelzhütte gegangen, sagt, was Ihr wollt, nur verrathet mich nicht – aber wegen –

ELSE näher. Suse, Suse! hörst Du nicht?

SUSE in komischer Eile. Morgen müßt Ihr mir's sagen, was es für eine Bewandtniß mit Euch hat, ich kann's Euch nicht schenken, denn wenn ich's nicht erfahre, so wird's mein blasser Tod. Läuft hinter die Schmiede ab.

HERRMANN sieht ihr nach. Ländliche Einfalt, ich werde Dich mit Undank belohnen[13] müssen; denn Du wirst nie erfahren, wer der Herrmann war. Ich muß fort von hier, denn ich bin verrathen.


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Gesammelte dramatische Werke, Band 9, Leipzig 1863, S. 11-14.
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