Zweite Scene

[57] Christel an einem Stock. Else.


CHRISTEL. Wer klopft so früh? Es tagt ja kaum! Was soll's?[57]

ELSE sieht ihn staunend an. Täuschen mich meine Sinne? Bist Du nicht der Christel vom Eisenhammer?

CHRISTEL. Ja wohl bin ich's.

ELSE. Wie kommst Du denn hierher? Bist Du nicht mehr auf dem Hammer?

CHRISTEL. Ach nein! Vor zwei Monden schon jagte man mich aus dem Hause.

ELSE. Wie? Dich? der dreißig Jahre auf dem Hammer diente, der den Rudolph gehätschelt und gepflegt von Kindesbeinen auf? Das kann ja nimmermehr wahr sein.

CHRISTEL. Ihr seid wohl recht bekannt hier in der Gegend, da Ihr Alles so wißt?

ELSE. Kennst Du mich denn nicht mehr, Christel?

CHRISTEL. Eure Stimme wohl; denn die klingt mir lieb und befreundet und ruft mir alte gute Zeiten ins Gedächtniß. Seht, mich hat das Unglück seit Kurzem schwer getroffen. Vor ein paar Monden, bald darnach, als der Hammermeister von Linz heimkam, hatten wir einmal viel Arbeit, ich legte Hand mit an, war schwer erhitzt, da geschah es, daß der kleine Friedel in den Hammerbach stürzte –

ELSE aufschreiend. Wie, der Friedel?[58]

CHRISTEL. Ja, Frau; ich aber sprang nach und holte den Jungen heraus. Ich mochte mich wohl jählings erkältet haben, es fiel mir auf die Augen und so bin ich fast ganz erblindet.

ELSE schlägt die Hände zusammen. Erblindet, großer Gott! Erblindet, Du, um seines Kindes willen, und Rudolph hat Dich aus dem Hause gewiesen?

CHRISTEL. Nicht er – ach er ist gut! – Er kaufte mir hier die Hütte und sorgt redlich für mich, aber es ist doch nicht das Haus, in dem ich alt wurde. – Nun, dem Hausfrieden mußte er mich wohl opfern; die Frau konnte mich nicht leiden.

ELSE. Die Frau – welche Frau?!

CHRISTEL. Nun, die junge Hammermeisterin.

ELSE starr. Hat denn der Rudolph – wieder geheirathet?

CHRISTEL. Hatte er schon früher eine Frau? Davon weiß ich nichts, müßte im Kriege gewesen sein. Hier im Orte ist er seit zehn Jahren verehlicht mit der Else, die jetzt das ganze Haus umwendet und eine gar sonderbare Wirthschaft treibt.

ELSE. Nein, nein, nein! Das ist nicht möglich, sage ich, die Else war ja weit getrennt von den Ihren.

CHRISTEL. Da hat man Euch falsch berichtet, Frau, sie war nie vom Hause fort; – aber seit der Herr von Linz zurück[59] kam, ist sie wie verwandelt, sie quält ihn und Alle, die sie umgeben; Solche, die aus der alten Zeit stammen, kann sie gar nicht mehr leiden. Die Gesellen meinen, die Bürgermeisterin Gertrud habe ihr was angethan, weil sie sich geärgert über das Glück der braven Leute.

ELSE. Und was treibt die Bürgermeisterin?

CHRISTEL. Die ist verschwunden seit dem ersten Mai. Viele sagen, sie sei mit einem jungen saubern Burschen, der ein paar Wochen auf dem Hammer gewesen, davon gegangen.

ELSE vor sich hinstarrend, in sich hinein. Die Gertrud verschwunden seit dem ersten Mai – die Else daheim – und sie war, sie, die – Mit plötzlichem Entschluß. was hier geschehen, kannst nur Du enthüllen, Du mein gütiger Gott! Du hast mich aus Noth und Jammer gerettet, Du wirst mich auch jetzt nicht verlassen! Hier waltet ein dunkles unbegreifliches Räthsel, ich will es lösen und bräche mir auch das Herz darob. Leb wohl, Christel! Auf den Abend bist Du wieder im Hammer, oder Du siehst mich niemals wieder. Eilt ab.

CHRISTEL tappt nach der Hütte. Ich weiß nicht, träum' oder wache ich, je mehr ich darüber sinne, je deutlicher wird mir's – die Stimme klang wie Elsens; doch dann müßten Herz und Gesinnung sich wunderbar geändert haben. Nun, auf den Abend werde ich's auf dem Hammer ja wohl von ihr hören. Ab.


Verwandlung

Großes reinliches Zimmer, wie es in reichen Meierhöfen zu finden. Alles verräth Wohlhabenheit, ohne den ländlichen Charakter zu verläugnen. In der Mitte der Bühne, ziemlich nach dem Hintergrunde zu, läuft von der Decke herab, gleichsam den Plafond stützend, ein[60] dicker Balken auf das Podium herab, wodurch sich zwei Bogen bilden. Ganz im Hintergrunde zwei große Fenster, durch welche man die Felsen sieht – zwischen diesen, auch auf der Hintergardine, der Haupteingang, welcher jedoch geschlossen ist. An dem Thürpfosten desselben ein Weihbrunnen-Kessel von Zinn, wie in Bauernhäusern üblich. Um den Strebebalken hängen Gewehre, besser unten ein Vogelbauer, davor steht ein Tisch mit Blumentöpfen, ganz im Vorgrund ländliche Tische und Stühle.

Als es verwandelt hört man vier Uhr schlagen; es muß klingen wie von einem fernen Kirchthurme. – Im Hintergrunde scheint brennende Morgenröthe durch die Fenster. Im Vorgrund dunkel.


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Gesammelte dramatische Werke, Band 9, Leipzig 1863, S. 57-61.
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