Vierte Scene

[62] Die falsche Else muß immer von derselben Schauspielerin dargestellt werden, welche die wahre spielt.

Suse. Gertrud-Else tritt rasch heraus mit der Lampe. Ihr ganzes Benehmen muß verändert sein, ihr Gang, ihre Sprache wie im Charakter Gertrud's, ihre Haltung aufrechter als früher, ihr ganzes Wesen muß eine decidirtere Richtung des Charakters bezeichnen, hier und da bricht ein Zeichen ihres schuldbefleckten Gewissens durch und der quälende Schmerz über ihre getäuschten Hoffnungen; sie ist sehr bleich.
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GERTRUD-ELSE bestürzt. Was giebt es hier? Welch ein Gepolter! Was soll's? Sie hält die Hand vor die Lampe, welche sie blendet. Du bist es, Suse?! Streng. Was suchst Du hier?

SUSE. Ich, Base? gar nichts!

GERTRUD-ELSE. Du übernimmst wohl das freundliche Amt, mich zu belauschen, von Rudolph dazu gemiethet? Immerhin! ich habe mich längst daran gewöhnt, eine Fremde im eigenen Hause zu sein.

SUSE. Aber Base, was fällt Euch ein? Was führt Ihr für anzügliche Redensarten? Ich komme eben aus den Federn, suche schlaftrunken nach dem Schlüssel zur Hausthür und werfe einen Stuhl um – das ist Alles. Läuft hin, nimmt den Schlüssel vom Tische, geht gleich damit in den Hintergrund, öffnet die Thür, welche nach innen zu aufgeht. – Von Außen sieht man nun das Halbgitter wie im zweiten Act.

GERTRUD-ELSE spricht indessen. Es ist schon heller Tag, die Lampe hat ausgedient. Verlöscht sie. Suse, mich täuschest Du nicht, Du wolltest mich belauern – Du bist eine verschmitzte Dirne, ich habe Dich längst durchschaut; es freut Dich, daß Rudolph und ich in Unfrieden leben.

SUSE. Nein, Base, das ist mir zu viel! Ihr mögt wohl Recht haben, daß ich Fehler habe – lieber Himmel! Menschen sind wir Alle, aber schlecht war ich mein Tage nicht, und das müßte ich wohl sein, könnte ich mich darüber freuen, daß zwei Eheleute, die sich Jahrelang liebten, auf einmal mit einander leben wie wildfremde Leute. Der Herr wohnt auf dem Hammer, Ihr hier im Haus – und sprächet Ihr nicht zuweilen zwei Worte, sollte man denken, Ihr ginget einander[63] gar nichts an. Nein, wenn ich denke, wie das sonst hier im Hause war – Eintracht und Liebe – Frohsinn und –

GERTRUD-ELSE auffahrend. Schweig, ich will nichts hören von sonst und jetzt.

SUSE. Nun ja, es ist doch wahr; sonst sah mich der Vetter Tage lang nicht an, jetzt ist er oft freundlicher mit mir als mit Euch.

GERTRUD-ELSE faßt sie fest am Arm. Nicht wahr? Siehst Du das auch?

SUSE. Base! Ihr thut mir weh! Laßt mich los.

GERTRUD-ELSE schleudert ihren Arm fort. Du mußt fort aus diesem Hause. Für sich. Alles, Alles soll nach und nach verschwinden, was ihm das Sonst täglich vor die Seele führt! Laut. Suse, der Schneider Martin hat um Dich geworben, Du wirst ihn heirathen, hörst Du?!

SUSE versteinert. Base! Was sagt Ihr?! Habt Ihr nicht vor drei Monden selbst erlaubt, daß ich ihm die Thür gewiesen? –

GERTRUD-ELSE. Und heute bin ich andern Sinnes – Du wirst noch in dieser Woche sein Weib, oder Du magst Dein Brod als Magd suchen, wo es Dir gefällt; ich habe Dich lange genug gefüttert.

SUSE bricht in Thränen aus. Base, Gott verzeih mir die Sünde! – Das kann nicht mit natürlichen Dingen zugehen! Ihr müßt verhext sein; denn das seid Ihr ja gar nicht mehr selbst!

GERTRUD-ELSE. Wohl bin ich nicht mehr die weiche Thörin, die ich gewesen;[64] Niemand achtete mich hier im Hause, weil ich verächtlich war, jetzt sollt Ihr mich kennen lernen, und will er, will Rudolph mir die Liebe nicht gewähren, die ich von ihm fordern kann, so soll er mich wenigstens fürchten lernen und zittern bei meinem Anblick. Hörst Du Suse? Ihr Alle sollt vor mir zittern lernen. Geht wieder in ihr Zimmer links ab.


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Gesammelte dramatische Werke, Band 9, Leipzig 1863, S. 62-65.
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