Dritte Scene

[59] Barbara. Baron von Gleisenburg. Emma.


BARBARA ganz versteinert. Nun, da bitt' ich zu grüßen!

BARON der Julius nur vom Rücken sah. Was war das? Für sich. War das nicht Julius?

EMMA an allen Gliedern zitternd, fällt, wie Julius zum Fenster hinausspringt, auf beide Knie und bedeckt das Gesicht mit den Händen. Mutter, ich bin unschuldig![59]

BARBARA die sich von ihrem Schreck nach und nach erholte, kerzengerade auf sie losgehend. Das will ich hoffen, sonst drehe ich Dir das Genick um!

BARON dazwischen tretend. Na nu, gute Frau – Sie sind ein wenig streng.

BARBARA. Streng? Eine Mutter, die mit einer hübschen Tochter gestraft ist, kann heut zu Tage nicht streng genug sein, daß sie brav bleibt. Zu Emma hintretend indem sie sie aufhebt. Spiel mir keine Komödie vor, Du weißt, die Faxen rühren mich nicht! Der Verstand wird bei Dir auch noch kommen, und ich bin gewiß, daß mir meine Emma dereinst für jede wohlthätige Ohrfeige, die ich ihr applicirte, einen Kranz auf's Grab legen wird. Nun sag', wie kam er herein? ich habe ihm nicht aufgemacht.

EMMA hastig. Ach, Mutter, ich auch nicht; ich kann gewiß nichts dafür! Er kam durch's Fenster und war so desperat, und sprach von seinem tyrannischen Vater, und daß er mich entführen wollte. Und da sagte ich: »Nein, ich gehe nicht mit, lieber sterben als unehrlich handeln« – und da wurde er ganz toll und war mit einem Satz zum Fenster herein und sagte, er wollte wenigstens Abschied von mir nehmen, und er sähe, daß ich ihn nicht liebe – und nun gehe er morgen nach Holstein, Schluchzend. und lasse sich auf dem Fleck todtschießen.

BARON ausbrechend. Das ist mein Sohn! Der nichtsnutzige Bursche!

EMMA erschrocken. Ihr Sohn?

BARBARA trecken. Ih, laß Dir nichts weiß machen; ich kenne dem seinen Vater. Zum Baron. Wer wollen wir denn eigentlich sein, wie heißen wir denn, wenn ich fragen darf?

BARON ärgerlich. Baron von Gleisenburg heißen wir, Erbherr auf Randan und Schloß Gleisenburg wollen wir sein. Ich hoffe nicht, daß Madame das in Zweifel ziehen!

BARBARA ruhig. Ih bewahre, vor mir können der Herr Baron heißen wie Sie wollen und Erbherr sein, wo es Ihnen gefällt. Was aber Ihren[60] Herrn Sohn betrifft – der eben nicht von der schwersten Sorte sein soll – so können Sie glauben, daß Sie den hier nicht finden, da müssen Sie sich schon eine Treppe höher bemühen in die Bel-Etage zur Frau von Schönhelm, dort betet der an, wo so ein vornehmer Herr hingehört.

BARON. Ja, so sagte man mir allerdings! Allein wie mir scheint, hat er es hier auf das ganze Haus abgesehen, denn er sprang ja so eben vor meinen Augen aus dem Fenster.

EMMA. Ah – das war Julius!

BARON. Das ist's ja eben, freilich war es Julius!

BARBARA. Ach was, dummes Zeug – sag's heraus – Julius heißen viele Leute. Es ist ein Bürgerlicher, da brauchst Du Dich als Bürgermädchen nicht zu schämen. Es war der Julius Krabbe, und dem seinen Vater kenne ich, den sieht man nur einmal und dann merkt man sich das Gesicht für allemal!

BARON in dessen Gesicht es hell wird. Julius Krabbe? Also doch – wirklich. Ja richtig Für sich. die Bursche kleiden sich ja sogar gleich.

BARBARA. Ja, Julius Krabbe, der seit einem halben Jahr meinem Mädchen nachläuft und ehrliche Absichten vorgab – daß ich ihm das Haus heute früh verboten, das hat seine eigne Ursachen; aber wenn Sie uns für Leute halten, die sich von einem Baron etwas weiß machen lassen, da sind Sie sehr links, guter Herr! Ich hab' allen Respekt vor Ihrem Stand, aber ein Baron kann meine Tochter nicht heirathen, verstehen Sie mich! Wir kleinen Leute haben auch unsere Ehre – das ist die Unbescholtenheit, und darauf halten wir eben so viel, und sind eben so stolz drauf wie Sie auf Ihre viele todten Herren Ahnen, das können Sie mir glauben!

BARON der ihr lächelnd zuhörte. Und dazu haben Sie alles Recht, wackere Frau! Sie haben Charakter, Sie gefallen mir; und das Kind hier Emma näher tretend, will sie in die Wange kneifen. gefällt mir auch.[61]

BARBARA zwischen Beide tretend. O ja, das glaube ich Ihnen – die gefällt Ihnen wohl noch besser wie ich? Bleiben Sie hübsch fort mit dem Backenknipen, ich verbitte mir das!

BARON empfindlich. Nun Frau, Sie werden doch nicht denken, daß ein alter Mann wie ich –

BARBARA trocken. Ih, gehn Sie mir, die alten Barone sind noch schlimmer als die jungen, das kenn' ich aus meiner Jugend her! Besser bewahrt als beklagt, das ist einmal mein Prinzip, und so ist die Emma ein braves Mädchen geworden, die dereinst ihrem Manne Ehre machen wird. Der alte eklige Gewürzkrämer aus der Provinz brauchte gar nicht so patzig zu thun mit seiner Einwilligung, in ganz Glognitz kann der kein Mädchen für seinen Sohn auftreiben, das besser für ihn paßt wie meine Emma.

EMMA sanft. Sprich nicht so hart, liebe Mutter, der alte Herr kennt uns ja nicht und wer weiß, was man ihm gegen uns gesagt hat.

BARON der Emma mit Wohlgefallen betrachtete und sie nicht aus den Augen ließ. Da müßte der alte Krabbe ja ein Erz-Dummkopf sein, wenn er eine solche Schwiegertochter verschmähte. Aber er denkt gar nicht daran, ich kenne den Alten, ich bin im Gegentheil gekommen, um Sie zu fragen, Frau Klammer, ob Sie Ihr Mädchen dem Herrn Julius Krabbe auf der Stelle zur Frau geben würden, wenn der Alte einwilligte?

BARBARA sehr verdutzt. Was? Auf der Stelle? Ih warum nicht gar!

BARON. Wenn's aber nun kein anderes Mittel gäbe, um ihn von der Tollheit, nach Holstein zu gehen, abzuhalten?

EMMA flehend. O Mutter, er will sich ja todtschießen lassen!

BARBARA. Ja – hat er denn zu leben?

BARON lachend. O ja, Frau, der alte Gewürzkrämer ist reich, davon werden Sie die Beweise bekommen.[62]

BARBARA. Wirklich? Na, ich will mir's überlegen.

BARON sehr heiter. Bravo, Frauchen! Lassen Sie mich gewähren, Sie sollen sich mit dem alten Baron schon aussöhnen. Er reibt sich die Hände. Die erste Commission in dem Hause wäre also glücklich abgemacht, Für sich. nun gilt's noch die zweite in der Bel-Etage. Er kratzt sich hinter den Ohren. Ein saurer Apfel! Muß aber die Teufelei doch einmal untersuchen. Laut. Nun Adieu, Kind! sein Sie froh und heiter, für Krabbe's Einwilligung verbürge ich mich.

EMMA faßt plötzlich in großer Freude seine Hand. Was? Wie? Wäre das möglich! Ach sehen Sie nur, da kommen mir vor lauter Freude die Thränen! Wenn Sie das zu Stande bringen, dann – dann falle ich Ihnen um den Hals und küsse Sie, und wenn mir die Mutter auch nachher den Hals umdrehte. Ach, wird er denn Ja sagen?

BARON ganz elektrisirt. Wenn er Sie sieht und spricht wie ich jetzt, so müßte er fühlloser sein wie sein Gummi-Elastikum und zäher wie seine Pfefferkuchen, wenn er Sie nicht am Kopf nähme wie ich jetzt – Er giebt ihr einen tüchtigen Kuß. und sagte: »Komm, sei meine Tochter!« Lassen Sie mich nur machen, sein Sie guten Muthes – Sie sollen erfahren, daß ich ein ehrlicher Baron bin. Ab rechts.

BARBARA. Ein ehrlicher Baron! Na, das will ich glauben, sobald ich's sehe! Ich stehe da wie versteinert. Läßt sich das Mädchen abküssen und schreit nicht einmal.

EMMA ganz selig. Ach Mutterchen, hast Du denn nicht gehört, der gute alte Herr wird ja Alles machen und ich und mein guter Julius, wir werden glücklich sein. Die Wonne prickelt mir bis in die Fußspitzen; Mutter, sei gut, Du mußt mit mir singen, tanzen und springen, sonst werde ich närrisch und die Freude drückt mir das Herz ab! Sie fällt ihr um den Hals.

BARBARA. Ist mir grade so! Zum Herd wollen wir tanzen, ich habe[63] Hunger und am Herzen drückt's mich seit zwanzig Jahren nicht mehr. Im Abgehen. Es geht bei Dir auch vorbei.

EMMA neben ihr herhüpfend. Bei mir nicht, Mütterchen, niemals, niemals! Beide ab nach Links.


Verwandlung.

Sehr elegantes Zimmer bei Ewelinen, eine Mittel-und zwei Seitenthüren. Rechts ein Divan und ein Armstuhl. Links Tisch mit einem Armleuchter mit fünf brennenden Lichtern, und mehrere Stühle.


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Vatersorgen. Berlin 1849, S. 59-64.
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