Dritte Scene

[5] Veit. Vorige.


VEIT von rechts. Mann von einigen Fünfzig, halb bäurisch, halb städtisch gekleidet, eine Sammetmütze auf dem Kopf, eine kurze Meerschaumpfeife rauchend. Wer sollt nimmermehr über unsre Schwell' kommen?

DORE. Die Mutter meint' – die Rosel!

VEIT. Du faselst Alte.

DORE mit unterdrückter Angst. Ja, und die Lisbeth sagt auch, sie käm' nicht wieder!

VEIT. Aus der red't der Neid. Aber wie kommst Du auf solchen Unsinn, Frau?

GERTRUDE. Kann's nicht sagen. Fliegt mich oft so an, weiß nicht, wo's herkommt.

VEIT. Ich aber weiß es! Das kommt von dem ewigen Lamento um das Mädel. Möchtest lieber den Jammer ausstehen daß sie ausblieb', nur um Recht zu behalten. Gemüthlich schmauchend, setzt sich. Schau Gertrud, Du bist das gescheidteste Weib im ganzen Schwarzwald, bist die beste Wirthin im Land, weißt jedes Geschäft am rechen End anzupacken, nur auf Deine Kinder hast Dich nie verstanden! Die da hätt'st dem Steffen schon geben als sie ihm nur die erste Magd werden konnte – statt wie jetzt, die Haus frau zu sein; und die Rosel hätt' ich mit dem Gevatter Leblanc ums Leben nicht in's Frankreich hineinlassen sollen, daß sie was Rechtes lernt, und weiß doch so gewiß, daß sie das treuste Schwarzwälder Herz hat; für die ganze Welt giebt die ihre Heimath nicht hin.

GERTRUDE kopfschüttelnd. Kann's nicht recht denken, daß es Einem, der drei Jahr in Paris gelebt hat, noch in unsern Bergen gefallen sollt!

VEIT. Nachher g'rad erst recht! Bin ich nicht alle Jahr zweimal fort? Im Elsaß, zu Paris oder Amsterdam, und gefallt mir's wo besser als bei uns? Es ist gar ein eigen Ding um die Heimath! Schmunzelnd. Hätt'st sie nur gesehen, als ich um Weihnacht im Pensionat zu Paris war, wie sie mir um den Hals fiel und gejubelt und nach Allem gefragt hat! Mit verklärtem Gesicht. Sag Dir, das Mädel ist bildsauber, und nett und ehrbar, daß Einem das Herz lacht wenn man sie nur anguckt! – Wart' Du nur, Du wirst Augen machen wenn sie jetzt heim kommt und Du siehst, wie sich die Rosel herausgewachsen hat –[5] und wie sie mit Franzos und Engländer in seiner Muttersprach schwätzen kann; der Theobald erst und die Gäst' werden Mund und Nas aufreißen über ihren prächtigen Gesang, und wie sie das Klavier schlagt! Donnerwetter! Da sollst Du sehen –

GERTRUDE. Daß Du verplatzen wirst vor Hochmuth und Eitelkeit auf das Kind, das nicht Fisch noch Fleisch sein wird im Sonn'wirthshaus! Ja, das werd' ich sehen! Hab' ich mein Lebtag ein ander's Wort als ehrliches Deutsch mit den vornehmsten Leuten geredt, hab ich Triller und Klavier geschlagen, und ist unser Haus nicht das gesuchteste im ganzen Schwarzwald? Die Gäst' wollen Alles gut und prompt haben was sie brauchen, und kriegen sie das recht, so verstehen sie's in allen Sprachen; ich mein', Du bist nicht arm worden bei meiner deutschen Wirthschaft! Meinst nicht auch, Sonn'wirth?

VEIT kleinlaut, rückt etwas zurück mit dem Sessel. Na, na! Ich sag' ja nichts gegen Dich, wenn ich die Rosel ein Bissel – ein Bissel neumodischer möcht', als es eben damals der Brauch war, wo sie Dich aufgezogen haben.

GERTRUDE dichter vor ihn hintretend. Neumodischer? – Jetzt laß mich ausreden – mich druckt's im Herzen, es muß einmal 'raus! Gott geb', daß Du Recht behältst mit der neuen Mode und daß ich's nicht verstanden hab' als ich Dir damals sagte: ein Bauernkind kann keine Pariser Erziehung verbrauchen, das geht krumm! Wann's g'rad' geht, soll's mir lieb sein! Aber ich wollt' – Du hätt'st niemals einen Baum an den Herrn Gevatter Leblanc nach Paris verkauft, und hätt'st Dein Geld lieber ohne Zins im Kasten liegen lassen, als daß Du's für 5 Procent bei ihm angelegt hast, denn wär' er dazumal nicht im Haus gewesen als wir die Rosel tauften, hätt' sich nicht zum Pathen antragen können, und ohne sein Zureden wären Dir mein Lebtag die Mucken nicht in den Kopf gekommen das Mädel auf französisch verziehen zu lassen; nachher wär mir mein liebes Kind nicht durch drei Jahr' Trennung so fremd worden, daß ich jetzt, statt mit Freuden, mit Herzklopfen an's Wiedersehen denken muß. So ist's und so sollt's nicht sein! Und das sag' ich Dir, – wenn das Mädel jetzt kommt und ist Dir vielleicht zu neumodisch worden und Du hast Dir genug singen und französisch welschen hören, und sie rührt Dir kein Glas und kein Teller an, und Du willst wettern und fluchen mit ihr, so bin ich ihr Advokat und leid's nicht, denn nachher kann sie nichts dafür, und dann sollst die Gertrud Werningerin kennen lernen, Alter! Verstehst? Ab zur rechten Seite.

VEIT sehr verblüfft. Na na! Kenn' Dich schon lang genug – verlang mir nicht mehr von Dir! – Hat ein höllisches Maulwerk Deine Mutter, wo sie nur den Athem herkriegt? Mit Schwätzen kommt der Pfarrer nicht gegen sie auf! – Steht auf, gewichtig. Ist aber doch die gescheidtste Frau im Schwarzwald, allen Respect vor ihr, hörst Dorle? Kannst sie nicht genug estimiren; Leiser. nur Ein's brauchst ihr nicht nachzumachen: das Rechthaben! Verstehst? – Muß ihr doch nachsehen, sie meint sonst ich ließ' ihr das letzte Wort – und das darf ein rechter Mann seinem Weib niemals nicht lassen. Das wär' weit gefehlt! Merk's! Folgt Gertrude, ab.[6]

DORE allein, hat während des Streits an dem Arbeitstische Platz genommen und genäht. Ob die Rosel sich wirklich so verändert hat, wie die Mutter meint? Kann's nicht glauben. Ihre Brief' sind so lieb! Nein, ich fürcht' mich nicht vor ihrer Heimkehr, ich sehn' mich danach, recht arg sehn' ich mich – und mein', ich könnt' sie nicht länger entbehren!


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Gesammelte dramatische Werke, Band 10, Leipzig 1863, S. 5-7.
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