Vierte Scene

[32] Denise, Adolph Seitenthür rechts.


ADOLPH tritt rasch ein, dunkles Reisekleid, blaß, verstört, hastig. Verzeihen Sie – Ueberblickt rasch das Zimmer. Sie sind allein, Denise?

DENISE kleinlaut. Ja – ganz allein!

ADOLPH fieberhaft. Ich habe lange im Vorsaal gewartet, jede Minute zählend – denn Sie sollen wissen Denise, daß ich nicht viele Minuten mehr zu verschwenden habe –

DENISE erschrocken. Mein Himmel! Sie sehen so wild aus, so verstört, so – Sie wollen sich doch nicht etwa ein Leides thun?

ADOLPH bitter lächelnd. O – Lust hätte ich dazu – besonders – wenn Sie mir nicht helfen wollen, Denise.

DENISE wie oben. Wenn ich es kann, gewiß!

ADOLPH. Nun denn – aber können Sie auch schweigen?

DENISE. Wenn man mir etwas Geheimes anvertraut, wie eine Mauer!

ADOLPH zieht sie etwas in den Vorgrund, leise. Ich weiß, daß Madame Armande abwesend ist – verschaffen Sie mir eine Unterredung mit Rose, aber allein, ohne Zeugen, hören Sie Kleine? Ich muß sie sprechen.

DENISE. Aber sie will Sie nicht sehen – sie entfloh so eben in ihr Boudoir vor Ihnen.

ADOLPH. Sie muß mich sprechen! Sagen Sie ihr: mein Leben hänge an dieser Unterredung. Sein Sie so gut, Denise!

DENISE die es vor Neugier nicht länger mehr aushält. Aber, dann muß ich doch vorher wissen – was Sie denn von ihr wollen?

ADOLPH dumpf. Abschied will ich von ihr nehmen. Ich reise in einer Stunde – muß fort – und liebe Rose! Begreifen Sie nun?

DENISE vergnügt. Was – in Rose sind Sie verliebt, und nicht in mich? O das ist reizend! Papa bildet sich fest ein, all' Ihre Besuche gälten mir! Ha, ha, ha!

ADOLPH betreten. Ihnen Denise? Wie kommt er darauf?

DENISE. Charles hat ihm das eingeredet.

ADOLPH rasch. Charles? Wirklich? – Aber – Sie Denise, haben Sie ihm auch geglaubt, wie Herr Leblanc?[32]

DENISE. Ich? Ich habe nie darüber nachgedacht; ich mag Sie sehr leiden, weil Sie mein bester Tänzer sind, aber mir ist es ganz einerlei wenn Sie eine Andere nehmen; ich bin hübsch und reich, sagt Madame Armande, ich kann so viele Männer bekommen als ich will, und da es vollends meine Rose ist in die Sie verliebt sind, so finde ich es entzückend, daß ich die Vertraute Ihrer Liebes-Intrigue sein soll. – Ach, ich habe das lange gewünscht! Wissen Sie, man kommt sich so sehr wichtig vor wenn man etwas zu verschweigen hat – ach – und wenn es gar gefährlich wäre – Plötzlich. wenn eine Entführung daraus würde, wie in der Porte St. Martin – Mit plötzlichem Einhalt. sagen Sie, haben Sie vielleicht Lust, Rose zu entführen?

ADOLPH. Wie kommen Sie auf den Gedanken?

DENISE. Weil ich weiß, daß Papa sie gutwillig keinen Andern als Charles heirathen läßt, – also kann nur List helfen. Wollen Sie sie entführen? –

ADOLPH sehr betreten. Wenn ich auf Roses Einwilligung hoffen dürfte –

DENISE in die Hände klatschend. Sie soll, sie wird einwilligen! Aber Sie versprechen mir: daß Sie Rose wieder zu uns nach Paris bringen, wenn sie erst Ihre Frau ist? Daß sie nicht mehr in ihren häßlichen schwarzen Wald zurück muß?

ADOLPH. Das verspreche ich Ihnen!

DENISE. Dann lassen Sie mich nur machen, ich helfe ihr fort. O, ich bin sehr schlau, wissen Sie! Ach Gott, wenn Rose so plötzlich verschwunden wäre, und Niemand wüßte wo sie hingekommen als ich allein – und die ganze Pension platzte vor Neid, daß Rose von einem Grafen entführt wurde – ja, sie thut mir diesen Gefallen, gewiß, gewiß! Halten Sie sich nur ganz still – ich bringe sie heraus. Seitenthür links ab.

ADOLPH. Die kindische Einfalt zeigt auf denselben Weg, den die Intrigue Charles ersann und mir in diesem Augenblick ebnet. Wie sehr mein Gewissen vor diesem letzten Mittel zurückbebt, mein Herz reißt mich unwiderstehlich vorwärts auf der abschüssigen Bahn!


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Gesammelte dramatische Werke, Band 10, Leipzig 1863, S. 32-33.
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