[36] Vorige. Dore.
DORE in ihrer Bauerntracht, eine kleine Jacke über dem Anzug, einen Strohhut auf dem Kopf, tritt durch die Mitte ein.[36]
ROSE starrt Dore einen Augenblick wie träumend, an allen Gliedern zitternd an, aufschreiend. Ha! Rettung – Rettung! Fliegt auf Dore zu und sinkt halb ohnmächtig an ihre Brust, sie fest umklammernd. Du, – Du! O, Gott hat mich nicht verlassen! –
DORE sie fest an sich drückend. Er verläßt Keinen, der ihn nicht läßt! Du kennst mich noch, Du hast ihn nicht verlassen. In Thränen ausbrechend. Oh, grüß' Dich der Herr zu tausend, tausendmalen! Sie halten sich umschlungen.
ADOLPH starrt Dore wild an. Wer sind Sie?
CHARLES wüthend. Wie kommen Sie dazu sich in unser Haus, in dieses Zimmer zu drängen?
DORE den Kopf erhebend, streicht den Hut mit Ruhe in den Nacken, daß er in bäurischer Art halb auf dem Rücken ruht, sieht Charles fest an. Ich hab' den Mann drunten an der Hausthür mit dem goldbordirten Rock nach der Rosel gefragt, er hat mich da herauf gewiesen – und da oben bin ich der Stimm' nachgegangen die mir das Herz troffen hat! –
CHARLES. Und der Portier ließ Sie ohne Weiteres ein?
DORE energisch. Er hat sich nicht unterstanden mich aufzuhalten, denn der Mann – wann gleich er nur in einer Livrée steckt, hat das Recht respectirt, was nicht Jedermann's Sach' ist in diesem Haus – sonst müßt ich nicht vom Schwarzwald kommen die Schwester selber heimzuholen!
ADOLPH UND CHARLES zugleich. Die Schwester?
DORE mit bebender Stimme auf Rose herabsehend, die wie sinnlos an ihrer Brust liegt. Ja die herzlieb Schwester, die sie mir so umgewandelt haben, daß ich nichts mehr kenn' an ihr, als ihre glockenhelle Stimm' – und das warme Herz, das an dem meinen schlägt. Rosel! Mein' liebe Seel'! Was haben Sie Dir denn angethan? Sag' mir doch nur ein einzig's Wort – 's ist ja Dein altes treues Dorle! Bist Du denn wahr und wahrhaftig so krank, wie der Herr Pathe geschrieben hat?
ROSE erhebt matt das Haupt, Dore mit Entzücken betrachtend. Ja, ja, ich war krank, schwer krank, Dorle, Sich ermannend. aber – ich kann Dir in's Auge sehen, in dieses reine fromme Auge, Faßt ihren Kopf mit beiden Händen. und der milde Strahl bricht siegend durch die Nacht meines wirren Geistes – ich sehe den Abgrund an dem ich schwankend stand – Sich hoch aufrichtend. ich bin gesund Dorothee – denn ich erkenne den Weg der allein zum Rechten führt. Legt beide Arme um ihren Nacken, mit Hingebung. Ich bin Euer!
DORE jubelnd. O, ich hab's ja gewußt! Sie wollten mich nicht lassen – sie gaben Dich Alle verloren, den Vater warf's auf's Krankenbett, die Mutter hatte kein trocknes Auge mehr – der Bastian sagte: die Weltlust habe Dir Paris zur Heimath gemacht! Ich allein hab's gewußt was Dich hier hält, und da ist die Angst über mich kommen! Mit zitternder Stimme. Ich hab' d'ran denkt wie Du mich damals vor dem Sturz bewahrt hast, und hab' gemeint es sei meine Pflicht Dich jetzt zu halten – und hab' gesagt: »ich bin ihr mein Leben schuldig; wann die Rosel mir nicht folgt – so komm' ich nimmermehr in den Schwarzwald.« Und so bin ich ihnen fortgangen.
ROSE. Aber – Dein Mann, der Steffen ist doch mit Dir?
DORE fest. Der Bastian ist mit mir kommen. Ich hab keinen Mann, bin noch freiledig, wie wir von einander gingen.
ROSE aufschreiend. Dorle! Du bist nicht verheirathet?[37]
DORE sanft vorwerfend. Hast Du wirklich gemeint – die Dorothee könnt' Hochzeit machen, und Dich in der Gefahr wissen?
ROSE heftig erschüttert. Oh Dorothee! Wendet sich plötzlich zu Adolph. Jahre lang hat dieses treue Herz sehnsüchtig auf ihr Glück geharrt – für mich läßt sie, den Bräutigam, die Hochzeitsfreuden, das Vaterhaus – ihr Glaube an mich wankte nicht, da Alles mich verdammte. Das vermag ein einfaches Bauernkind! Begreifen Sie nun was mir das Bewußtsein ist, in dieses Auge blicken zu können ohne zu erröthen? Lassen Sie uns denn in Frieden scheiden.
ADOLPH der in finsterer Verzweiflung die ganze Scene verfolgte und mit unterschlagenen Armen abgewandt stand, aufschreiend. Scheiden!
ROSE mit bebender Stimme. Leben Sie wohl, Graf Adolph!
DORE erschrocken. Der ist's? Umschlingt Rose, wie schützend.
ADOLPH. Rose! Haben Sie kein anderes Wort mehr für mich?
ROSE fest. Es ist mein letztes.
CHARLES war etwas früher, lauschend, an das Fenster getreten. Ein Wagen! Das ist der Vater. Fort, Graf Adolph! Fort! Faßt seinen Arm und zieht ihn fort.
ADOLPH mit dem Fuß stampfend. O sie hat kein Herz! Verzweifelnd. Rose! Werde ich Dich wiedersehen?
ROSE. In der Heimath – oder niemals wieder! In Thränen ausbrechend, stürzt in Dores Arme.
ADOLPH. Nun denn – niemals wieder, denn Du liebst nicht! Stürzt durch die Mitte ab.
CHARLES folgt ihm.
DENISE wirft sich weinend in einen Stuhl.
ROSE UND DORE halten sich umschlungen.
Der Vorhang fällt rasch.