§ 4. Römer.

[11] Nun die südwestliche Ecke Germaniens ohne Herren war, zogen abenteuernde Kelten, selbst Germanen vom Rheine herüber und siedelten sich an. Auch mochten manche Sueven zurückgeblieben sein. Aber nicht lange und der ganze Strich Landes[11] fiel den Römern, welche schon von Augusta Rauracorum das linke Rheinufer ab- und aufwärts beherrschten und am Lech bis zur Donau sich vorstreckten, ohne Schwertstreich als Beute heim. Nun wanderten Römer ein. Vor Allem wurden Veteranen der kaiserlichen Heere mit Land belohnt. Dafür hatten die Ansiedler Zehent nach Rom zu entrichten und das Land gewann den Namen Decumaten- oder Zehent-Land. Unter Kaiser Domitian gehörte es ganz zum römischen Obergermanien.

Die Römer richteten sich ganz wohnlich ein. Kälte und Feuchte bewog sie zu unterirdischer Heizung der Wohnungen, in welchen die kleinen Gemächer nicht selten mit Marmor verkleidet waren. Ackerbau wurde betrieben, doch nicht Weinbau. Die Gewerbe blieben nicht zurück. Zahllos sind die vorhandenen Spuren von Töpferwerkstätten und Ziegeleien. Reger Handel vermittelte für Rom die Erzeugnisse germanischer Wälder. Das Leben gewann nicht bloß die Nothdurft, auch dessen Verschönerung war gegönnt. Unter dem Schutze der Legionen, hinter dem Pfahlwerke der sogenannten Teufelsmauer lebte es sich ruhig. Dauerhafte Straßen durchzogen das Land auf den Höhen, nicht wie jetzt in den Thalgründen. Die Lager und Burgen der Heeresabtheilungen erwuchsen zu größeren Ortschaften, Märkten und Städten. So entstand die Respublica Aurelia Aquensis, das heutige Baden-Baden, von den Kaisern begünstiget und geliebt wie jetzt von den freundlichen Nachbaren, den Franzosen, welche in ihm bereits einen Faubourg de Paris sehen – dann die Colonia Sumlocenne oder Solicinium, nun Sülchen bei Rotenburg a.N. – Lupodunum oder Lupfen, – das Vallum Conciense, der Konzenberg – ferner Köngen, Canstatt, Marbach u.s.w., deren römische Namen noch der Entdeckung harren. Weiter nach Osten, auf dem Boden der keltischen Vindelikier am Lech, erblühte die herrliche Augusta, Augsburg,[12] als eine Perle römischer Kolonien, für Rhätien der Hauptwaffenplatz wie in Obergermanien Mainz. Noch höher hinauf lag Campodunum oder Kempten, am Bodensee Brigantium oder Bregenz, Arbor felix = Arbon, Constanz.

Eine Menge baulicher Ueberreste aus jener Zeit bewahren die Erinnerung römischen Lebens, Verschanzungen, Trümmer von Vesten und Thürmen, Bäder, langgestreckte Wasserleitungen. Denksteine aller Orten zeugen von zahlreicher Bevölkerung mit Stellvertretern aller Länder der Römerwelt vermischt, Bildsäulen und Weihesteine beweisen, daß römische, keltische, germanische und persische Gottheiten sich friedsam in die dankbare Verehrung theilten, häufige Münzfunde, daß es auch an Geld nicht fehlte.

Mit des Kaisers Maximin Tode, 238, hat aber diese Herrlichkeit ihr Ende. Alamannen gruben ihr das Grab.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. XI11-XIII13.
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