Erste Szene

[60] Josepha – Leopold – Franz.


JOSEPHA ärgerlich aus dem Haus. Ja, hört denn kein Mensch, wo san's denn alle? Rufend. Leopold! – Franz!

FRANZ säumig von links kommend. Ich komme ja schon!

JOSEPHA. Aber wie kommen's! – Wie a Schnecken – wollen's nit so freundlich san, Ihre Füßerln a bisserl schneller in Bewegung zu setzen?

FRANZ. Jesses – i kann doch net fliegen.

JOSEPHA. Wenn's net gleich schau'n, daß Sie weiter kommen, dann werde ich Ihnen mal zeigen, wie's fliegen können, aber hinaus! Ist das eine Bedienung? Die Gäst' wollen auch ihr Recht haben.

FRANZ mürrisch. Man tut ja, was man kann – aber wenn man sieht, daß man eh' gar nichts mehr recht machen kann ...! Der Herr Leopold hat auch schon g'sagt – 's is' net mehr zum aushalten.

JOSEPHA zum auftretenden Leopold. Was, das haben Sie gesagt?

LEOPOLD. Freili hab' ich's gesagt.

JOSEPHA. Ah, der Herr Oberkellner hetzt die Leute gegen mi auf – das hab' i gar gern.

LEOPOLD. Weil ich's net anschaun mag, wie's uns den ganzen Tag sekieren. – Der Kellner ist auch ein Mensch.

FRANZ. Recht haben's, Herr Leopold, daß Sie unseren Stand so hoch halten.


Erneutes Klingeln hinter der Szene.


FRANZ. Na ja, ich komm ja schon. Ab in das Haus.

JOSEPHA zu Leopold. Ich dank' auch schön für die Unterstützung, die ich bei Ihnen finde!

LEOPOLD. Wenn's aber auch den ganzen Tag mit uns grantig sind!

JOSEPHA. Ja, wer ist denn daran schuld?

LEOPOLD. Wir net. I weiß ganz gut, über was die Frau Sephi sich so gift't!

JOSEPHA. Über die Schlamperei hier im Haus.[60]

LEOPOLD. Ah bewahr'. Der Wind blast aus einem ganz anderen Fenster'l – Auf den Balkon zeigend. Von da oben kommt er her.

JOSEPHA. Fangen's schon wieder an?

LEOPOLD. Sie haben halt auch bemerkt, daß der Herr Doktor, auf den Sie so g'spitzt haben, hinter einer anderen her ist.

JOSEPHA. Woher wollen denn Sie das wissen?

LEOPOLD. Bitte sehr. Wann so etwas in einem Hotel vorkommt, wissen's immer die Kellner zuerst! Und das sehen's doch alle, daß sich zwischen Nummer vier und Nummer fünfzehn was anbandelt. Bloß der Herr Vater, der sieht nichts. Den schickt der Herr Doktor Siedler immer auf den See hinaus zum Rudern und scharmuziert derweil mit dem Fräulein Tochter.

JOSEPHA. Is net wahr! Lugenschippel seid Ihr alle miteinander.

LEOPOLD. Na, wenn Sie's net glauben – bitt' schön – spitzen's nur weiter auf den Herrn Doktor! Sie werden bald sehen, was es Ihnen nützt, aber von mir verlangend nur net, daß ich mir's weiter mit anschau' – dazu bin ich der Frau Sephi zu gut.

JOSEPHA. Ja, san's denn das wirklich?

LEOPOLD. Ja, wenn's das noch net gesehen haben! ... Aber Sie haben's halt net sehen wollen. Ausgelacht haben's mich – und ausgefrotzelt. Und darum gefreut's mich hier nimmer. Mit Entschluß. Frau Sephi – i geh'!

JOSEPHA. Was denn – jetzt in der Saison?

LEOPOLD. Wann sich's um mei Herz handelt – nachher kann i auf di Saison keine Rücksicht neh men.

JOSEPHA. Aber daß Sie a bisserl auf mich Rücksicht nehmen – das hätt' i doch g'laubt.

LEOPOLD. Man kann net Zahlkellner sein, wenn man so a Liab im Herzen trägt. Erst gestern hab' ich mich wieder um einen Gulden verrechnet – Mit Nachdruck. und zwar zu meinem Nachteil –! Wann dös einem Zahlkellner passiert, dann muß er das Geschäft aufgeben. – I geh'!

JOSEPHA. Aber, Leopold, schauen's – wo wir immer so gut mit einander ausgekommen sind.

LEOPOLD. Ja, aber seit gewisse Leut' hier in das Haus gekommen sind ...

JOSEPHA. Leopold, ich hätt' Sie wirklich für vernünftiger gehalten.

LEOPOLD. Da haben Sie sich geirrt – ich geh'!

JOSEPHA. Alsdann – bitten werd' ich Sie nicht – wann's durchaus wollen ... nachher schaun's, daß Sie weiter kommen![61]

LEOPOLD. Bitte sehr! Bitte gleich! Ab hinten rechts.

JOSEPHA. Aber Leopold! – Ach was! – Ich werd' ihn doch nicht noch bitten! Setzt sich trotzig vorn links.


Quelle:
Oskar Blumenthal und Gustav Kadelburg: Im weißen Rössl. Berlin 16[o.J.], S. 60-62.
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