[37] Gutherz und die Vorigen.
GUTHERZ. Lieber Schwager, ich freue mich, daß ich sie noch bey guter Gesundheit sehe.
GROBIAN. Nun, das gestehe ich! Ich dachte, sie wären mir ganz böse; Haben sie nicht wider meiner Frau gesagt: Ich hätte sie beleidigt? Wie ist es denn möglich, daß sie zu mir kommen, da sie kaum merken, daß ich Lust habe, mich mit ihnen zu vertragen?
GUTHERZ. Ich habe gehöret, daß sie diesen Morgen in meinem Hause gewesen sind.
GROBIAN. Ha, ha, da kommts her. Ihnen ist mit der Ehre gedienet.
GUTHERZ. Keinesweges.
GROBIAN. Meinen andern Schwägern soll es auch so gut nicht werden, kommen sie nicht erst zu mir: ein Schelm, der sich mit ihnen verträgt.
GUTHERZ. Ich glaube, sie haben ihnen eben so viel zu leide gethan, als ich.
GROBIAN. Das thut zur Sache nichts. Ich bin der Reichste unter ihnen, und also gebühret mir auch die größte Ehre.
GUTHERZ. Das ist eine schlechte Folge. Doch begnüge ich mich damit, wenn sie mir das Zeugniß geben, daß ich mich jederzeit gegen sie als ein rechtschaffener Freund bewiesen habe.[37]
GROBIAN. Ich habe keine andere Ursache, als sie für meinen liebsten Schwager zu halten, und werde es auch künftig thun, wenn sie mir nur noch diesmal einen Gefallen erweisen wollen.
GUTHERZ. Von Herzen gerne; sagen sie mir nur, worin der Dienst bestehen soll.
GROBIAN. Der junge Ehrenwehrt von Leipzig und seine Schwester sind hier gekommen. Mein Sohn hat mir gesagt, daß es blos darum geschehen ist, weil er meine Tochter heirathen will; und ich bin nicht allein Willens, ihm meine Tochter zu geben; sondern ich sähe auch gerne, daß mein Sohn seine Schwester heirathete. Denken sie, welch eine vortrefliche Sache wäre das! Ihr Vater hat ihnen vier Tonnen Goldes hinterlassen.
GUTHERZ. Herr Ehrenwehrt aus Leipzig will ihre Tochter heirathen? Ich habe viel Gutes von ihm gehöret. Ey, beschreiben sie mir einmal seine Aufführung. Wie gefällt er ihnen?
GROBIAN. Er ist mit einem Worte ein Narr, er hat studieret.
GUTHERZ. Wollen sie denn ihre Tochter einem Narren geben?
GROBIAN. Er ist ein reicher Narr. Wäre er ein armer, so möchte er wieder hingehen, wo er hergekommen ist.
GUTHERZ. So, so. Aber hat er denn ihre Tochter schon angesprochen, und will er ihrem Sohne seine Schwester geben?
GROBIAN. Das ist es eben, worin sie uns behülflich seyn sollen. Die Sache siehet sonst noch weitläuftig aus. Sie haben diesen Mittag mit uns gespeiset, und da ist nichts vorgefallen. Sie kennen mich. Mir ist nichts verdrießlicher, als das lange Zaudern, zumal wenn es einem Unkosten verursachet. Da haben sie mir schon den ganzen Tag auf die Küche gelegen, und mir würde ein schlechter Gefallen geschehen, wenn dieses oft kommen sollte.[38]
GUTHERZ zum Sittenreich. Was sagen sie denn dazu, mein Vetter? Sollte Herr Ehrenwehrt ihnen wohl seine Schwester geben, und die ihrige dagegen heirathen?
SITTENREICH. Daß er in der Absicht hieher gekommen ist, um sie zu sehen, das kann ich ihnen versichern; ob sie ihm aber anstehe und ob er sie heirathen wird, desgleichen, ob seine Schwester mich liebet, das alles sind Dinge, welche der Erfolg lehren wird. Der Herr Vater ist ein bißgen allzueilig.
GROBIAN. Und du bist eine alte Hure. Was Teufel, hier sind ja Umstände, wo es keiner Weitläufigkeit bedarf. Ihr habt alle vier Geld. Ist das nicht genug? Hören sie, lieber Schwager, ich verlasse mich auf sie. Sie sind ein vernünftiger Mann, sie werdens so machen, daß ich noch heute ein Ende darin sehe.
Gehet ab.
GUTHERZ. Lieber Vetter, nachdem sie mich vor einiger Zeit zum Vertrauten ihrer Geheimnisse in Ansehung des Liebesverständnisses mit der Jungfer Charlotte gemacht haben: so habe ich nicht ermangelt, solche theils bey mir zu überlegen, theils auch bey der Jungfer Charlotte mich selber zu erkundigen, wie sie gegen ihnen gesinnet sey. Um ihnen nur also mit kurzem meine Meinung zu eröffnen; so wissen sie: daß ich sie gleich vor dem Eintritt in diesen Saal gesprochen, und aus ihren Reden so viel vernommen habe, daß sie ohne Einwilligung ihres Herrn Vaters sich nicht entschliessen will, in ihren Antrag zu willigen. Wenn nun des Herrn Ehrenwehrts Jungfer Schwester ihren Augen so wohl gefiele, als die Jungfer Charlotte: so wäre mein Rath, ihr Glück bey dieser zu versuchen. Ihre Hauptabsicht ist doch nur, sich des verdrießlichen Umganges ihrer Angehörigen zu entziehen. Und da die Jungfer Charlotte sie schon so lange aufgehalten hat, so sind sie gar nicht an sie gebunden. Gesetzt auch, sie schmeichelten sich mit der Hoffnung, daß sie dieselbe endlich überredeten, wiewol es nicht unmöglich wäre: So stellen sie sich dagegen die Schwürigkeiten vor, ihres Herrn Vaters Einwilligung zu erhalten. Ich bekenne in diesem Stücke mein[39] Unvermögen. Ueberlegen sie es kürzlich. Erwägen sie aber hauptsächlich, daß sie nicht alle Tage eine so schöne Gelegenheit haben, ihren Zweck zu erreichen.
SITTENREICH. Lieber Herr Oheim, ich habe die Sache bereits auf eben die Art überleget; ich habe auch schon dieselbe Entschliessung gefasset, und nur gewartet, daß sie durch ihren allezeit treuen Rath mich darin stärken möchten. Ja, ich will der Carolina mein Herz anbieten, und hoffe glücklich zu seyn. Sie hat eben so viel reizendes, als die Charlotte, und ihr Besitz wird mir durch die Einwilligung meines Vaters leicht gemacht. Nur fürchte ich, daß Charlotte mich einer Untreue beschuldigen möchte, und also erachte vorher nothwendig zu seyn, ihr mein Vorhaben zu eröffnen.
GUTHERZ. Nein, das finde ich nicht rathsam. Ich will es schon bey ihr verantworten, und hernach mich auch ihrer annehmen.
SITTENREICH. Ich nehme ihren guten Rath denn als einen Befehl an.