[56] Sittenreich. Die Vorigen.
GROBIAN. Nun, nun, wie stehts, mein Sohn? Wie hast du deine halbe Stunde angewandt, die du mit der Jungfer Carolina allein zugebracht?
SITTENREICH. Recht wohl, Herr Vater! Ich habe nicht allein ihr Herz erobert, sondern auch die Einwilligung ihres Bruders erhalten.
GROBIAN. Das ist ja unvergleichlich.
AGNETA. Das habt ihr mir zu danken.
GROBIAN. Wie stehts aber mit deiner Schwester? Hat der Herr Ehrenwehrt sich noch nicht heraus gelassen?
SITTENREICH. Die Wahrheit zu gestehen, Herr Vater, ich habe meiner eigenen Sache wegen nicht Acht[56] darauf haben können. Ich glaube aber, es wird sich wohl geben. Bey Seite. Der Henker sage ihm die Wahrheit.
GROBIAN. Nun höret, weil der eine Punkt seine Richtigkeit hat, so bemühet euch alle beyde, daß ihr den andern auch so weit bringet. Du, liebe Frau, hast ungemein Glück im Kuppeln, und du, mein Sohn, hast Verstand, das merke ich heute zum erstenmale, indem du dich ein reiches Mädgen zur Frau erwählet hast. Wenn ihr beyde euch zusammen macht, so wird es schon gehen. Mit einem Worte: Ich habe viel Vertrauen zu euch. Ich will indessen unter meinen Pfändern suchen, ob ich nicht ein paar Ringe und andere Sachen, welche sich für euch schicken, finden kann, die will ich den Eignern fürs halbe Geld abdringen. Man muß seinen Staat auf anderer Leute Rechnung führen können.
Gehet ab.
AGNETA. Nun, mein Sohn, ihr müsset denn auch hinführo mit eurer Braut, ob sie gleich eine Ausländerin ist, nach unserer Landesweise leben. Vors erste muß die Heirath noch vier Wochen verschwiegen bleiben, hernach müßt ihr sie nicht anders, als Sonntags, Dienstags und Donnerstags besuchen.
SITTENREICH. Liebe Frau Mutter, ich werde es morgen allen Leuten sagen; und hernach des Montags, Mittwochs, Freytags und Sonnabends hingehen.
AGNETA. Was! wollet ihr mir zu guter letzt noch ungehorsam seyn? Wisset ihr nicht das alte Sprüchwort: Ländlich, sittlich. Wisset ihr wohl, daß unsers Nachbarn Sohn, da er am Sonnabend nach seiner Braut gehen wollte, das Bein zerbrach? Wisset ihr wohl, daß man kein Stern noch Glück hat, wenn man es nicht so macht, wie die lieben Alten es gemacht haben.
SITTENREICH. Ey, Frau Mutter, verschonen sie mich doch mit abergläubischen Dingen, und laßt uns doch einmal vernünftig werden.
AGNETA. Saget mir doch eure Meinung, wie bringen wir die Heirath der Susanna am besten zu Stande.[57] Ihr seht, daß mein Mann ganz verdrießlich wird, weil es so lange währet.
SITTENREICH. Er wird noch viel verdrießlicher werden, wenn er höret, daß gar nichts daraus wird.
AGNETA. Warum sollte nichts daraus werden? Was Henker! Herr Ehrenwehrt ist ja blos deswegen hieher gekommen. Er würde sich ja schämen, wenn er unverrichteter Sache wieder weggehen sollte.
SITTENREICH. Ich habe von jeher daran gezweifelt. Denn obwol seine Absicht würklich gewesen ist, meine Schwester zu heirathen: So bedenke die Frau Mutter dagegen, wenn ein Mensch von solcher Lebensart, von solchen Sitten und von solchem Herkommen, als Herr Ehrenwehrt ist, ein so verwildertes Mädgen zu sehen kriegt, wie meine Schwester ist, nicht Ursache hat seine Meinung zu ändern?
AGNETA. Schweigt, sage ich! von eurer Schwester Lebensart. Sie ist gut genug. Sie kann zehn Männer vor einen kriegen.
SITTENREICH. Das glaube ich gar wohl. Ihres gleichen, das ist, solche Leute, welche man alle Augen blicke von der Gasse greifen kann. Aber von der Art, wie der Herr Ehrenwehrt ist, das möchte viele Mühe erfordern.
AGNETA. Der Herr Ehrenwehrt wird doch nicht mehr Künste können, als andere Mannspersonen?
SITTENREICH. Ja freylich kann er die. Zum Ehestande gehöret mehr als Essen, Trinken und Schlafen. Es wird ein angenehmer Umgang und eine gute Begegnung beyder Gatten erfordert, welche die verdrießliche Stunden, so im Ehestande vorkommen, versüssen; wodurch einer den andern beständig aufmuntert, und wodurch die Liebe immer wächset, an statt sie bey andern abnimmt. Es wird Verstand erfodert, wenn einer dem andern seine Fehler zu gute hält. Es sollen auch wohlgezogene Kinder, und nicht solche Ungeheuer ....
AGNETA. O, schweigt, schweigt! Von so vielen Weitläuftigkeiten habe ich mein Lebtage nicht gehöret, und lebe gleichwol im Ehestande.