Neunter Auftritt.

[68] Ehrenwehrt, Charlotte und die Vorigen.


EHRENWEHRT. Ist etwan Feuer im Hause? Es war ja vor kurzem ein abscheuliches Geschrey hier.

GROBIAN. Wenn nur kein Feuer in des Herrn Gehirne ist. Ich werde ja wohl Macht haben, in meinem eigenen Hause Lerm zu machen?[68]

EHRENWEHRT. Sie verzeihen, mein Herr, wenn ich so fürwitzig gewesen bin. Es kam mir zum wenigsten vor, als wenn sich ein Unglück zugetragen hätte, und ich wollte gerne deswegen mein Mitleid bezeugen.

GROBIAN. Wir brauchen des Herrn Mitleid nicht. Es thut ihm selber nöthig, daß man Mitleiden mit ihm träget.

EHRENWEHRT. Wie so?

GROBIAN. Ist der Herr nicht so närrisch gewesen und hat sich mit einem nackten Mädgen vertändelt? Wahrhaftig, wenn ich es nicht in Betrachtung, daß mein Sohn sein Schwager wird, unterliesse, ich spie ihm ins Gesicht.

EHRENWEHRT. Ey, ey, mein Herr! nicht so hitzig!

GROBIAN. Meinet der Herr, daß meine Tochter eine Närrin ist?

EHRENWEHRT. Ich habe nicht das geringste an ihrer Jungfer Tochter auszusetzen.

GROBIAN. Warum will der Herr sie denn nicht heirathen? Meinet er nicht, daß ich weiß, daß er blos deswegen nach Hamburg gekommen ist? Hat den Herrn etwan sonst niemand umsonst beherbergen wollen?

EHRENWEHRT. Ich gestehe gerne, daß meine Absicht gewesen ist, ihre Jungfer Tochter zu heirathen. Ich habe es ihrem Herrn Sohne auch selbst gesagt. Allein eben darum bin ich auch selbst anhero gekommen, um sie erst zu sehen. Daß ich ihnen nun die Ursache nicht sage, warum ich meine Neigung geändert habe, belieben sie meiner Bescheidenheit zuzuschreiben.

GROBIAN. Bescheidenheit hin, Bescheidenheit her. Der Herr hat einmal meine Tochter verlanget, er muß sie auch nehmen. Ich halte es überdem nur für eine Uebereilung; wenn der Herr sich erst recht besinnet: so wird er die Charlotte bald laufen lassen, und dagegen meine Tochter nit beyden Händen ergreifen. Und ihr, Jungfer Charlotte, ihr habt hier nichts zu thun, da schert euch zum Hause hinaus.

CHARLOTTE. Ich habe ietzo keinen andern Befehlshaber,[69] als den Herrn Ehrenwehrt; sobald mich der verstößt, will ich gehen.

GROBIAN. Was! in meinem eigenen Hause?

EHRENWEHRT. Sie soll gehen, doch mit dem Bedinge, daß ich sie begleite.

GROBIAN. Nein, das ist die Meinung nicht, der Herr soll hier bleiben.

EHRENWEHRT. Ey, das würde sich nicht schicken. Sie ist ein für allemal meine Verlobte, und also kann uns niemand trennen.

GROBIAN. So will der Herr also meine Tochter nicht haben?

EHRENWEHRT. Mein Herr, dringen sie nicht so stark in mich; es schickt sich nicht, daß ich nein sage.

GUTHERZ. O, es wäre nicht das erstemal, daß Mannspersonen dem Frauenzimmer einen Korb geben.

GROBIAN. Weiß der Herr wohl, daß er nach hiesigen Stadtrechten, wenn es zur Klage käme, meiner Tochter etwas für den Abtritt geben müste?

EHRENWEHRT. Die Sache würde sehr weitläuftig auszumachen seyn. Jedoch, wenn es auch darauf ankäme, so wollten wir uns schon vergleichen.

GROBIAN. Ich rufe euch alle zu Zeugen. Herr Ehrenwehrt hat sich anheischig gemacht, meiner Tochter etwas für den Abtritt zu geben. Mein Herr! wenn er allezeit so fix mit seinem Gelde ist; so hätte er sich zu meinem Schwiegersohne nicht geschickt; denn von Verschwendern bin ich ein Todfeind! Er mag also mit seiner nackten Braut immer hinlaufen.

EHRENWEHRT. Ich versichere sie, mein Herr! daß ich vergnügter mit ihrer blossen Person bin, als mit der reichsten Jungfer ohne Erziehung.

GROBIAN. Ey, meinetwegen heirathe der Herr des Teufels seine nackte Großmutter.

AGNETA. Unsere Tochter soll auch schon einen Mann kriegen, das soll meine Sorge seyn.[70]

EHRENWEHRT. Ich wünsche ihr einen Liebsten, wie sie ihn verlanget.

AGNETA. Kriegt sie denn keinen, der so reich ist, so soll sie auch keinen Verschwender haben. Meine Tochter! wenn sonst niemand ist, so sollst du den Rothbart heirathen.

SUSANNA. Ach ja, Mama! mit dem können wir machen, was wir wollen, er ist nicht so vornehm.

SITTENREICH. Mit dem könnet ihr auf dem Feuerheerd in der Karte spielen; der kann auch schöne weltliche Lieder mit euch singen.

GUTHERZ. Es ist besser ein schlechter Mann, als gar keiner.

AGNETA. Es ist besser ein ehrlicher Mensch, der das Seine zu rathe hält, als ein reicher Verschwender.

GUTHERZ. Liebe Schwester! der Fuchs schalte die Trauben sauer, als er sie nicht erreichen konnte.

GROBIAN. Habe ich etwan nicht Aergerniß genug gehabt?

AGNETA. Ach, lieber Mann! du kennest ja meinen Bruder, er mag gerne weissagen. Es ist der Mühe nicht wehrt, daß man ihn antwortet. Und wenn Herr Ehrenwehrt sein eigen bestes nicht wissen will; so können wir ihn nicht helfen. Gieb mir nur dein Wort, daß Herr Rothbart unsere Tochter heirathen darf; so will ich bald Anstalt dazu machen: Denn diese Sache habe ich mehr in meiner Gewalt. Was sagst du, meine Tochter! was gilts, Herr Rothbart gefällt dir besser, als Herr Ehrenwehrt?

SUSANNA. Mama! ich lasse mir alles gefallen, was sie für gut findet.

SITTENREICH. Liebe Schwester! wenn man die Fliegen von einer mit Speisen besetzten Tafel verjagt, so setzen sie sich gemeiniglich auf einen Misthaufen, und stillen ihren Hunger mit eben so großem Appetit.

GUTHERZ. Darum haben auch die lieben Alten gesagt: Ein Vater soll seinen Sohn verheirathen, wenn er will, und seine Tochter, wenn er kann.

AGNETA. Haben das die lieben Alten gesagt! o,[71] so laß ich meinen Mann keinen Frieden, bis ers in meine Hände stellet, daß ich meine Tochter an den ersten, der mir und ihr anstehet, verheirathen mag; denn für alte Sprüchwörter und das Herkommen lasse ich mein Leben.

SUSANNA. Ach, ja, Mama! Blos um des Schimpfes wegen, daß ein armes Mädgen eher als ich einen Mann bekommt.

CHARLOTTE. Ich will auch eine Fürbitte für sie einlegen, Jungfer Susanna! Bedenken sie doch, Herr Grobian, daß es ihnen den vergöldeten Schaupfennig von 20 Schill. gekostet hätte, wenn Herr Ehrenwehrt ihre Jungfer Tochter genommen; der wäre ihnen doch hart abgegangen.

GROBIAN. Ich hätte euch gerne 5 Marck 4 Schill. zum Staubbesen gegeben, wenn ihr mir nur heute aus dem Hause geblieben wäret.

CAROLINA. Sie sind doch der Herr Grobian.

EHRENWEHRT. Nu, nu, mein Herr! geschehene Dinge sind nicht zu ändern. Wir müssen ins künftige doch als gute Freunde mit einander leben, um so viel mehr, da meine Schwester die Ehre hat ihre Schwieger-Tochter zu heissen.

GROBIAN. Erst thut man alles, was man will; hernach kommt man mit solcher dummen Schmeicheley angestochen.

EHRENWEHRT. Ich will ihnen nebst meiner Liebsten Abbitte thun, wenn sie es verlangen.

GROBIAN. Ey, mit Ehre ist mir nichts gedienet; aber das will ich haben, daß sie die Juwelen und andere Sachen, welche sie ihrer Braut schenken, von mir kaufen. Es werden oft dergleichen Sachen bey mir versetzt, und da habe ich Gelegenheit sie wohlfeil zu erhandeln.

EHRENWEHRT. Dies verspreche ich ihnen, und noch dazu will ich ihnen geben, was sie dafür verlangen, und nichts davon abdingen.

GROBIAN. O, ho! wenn man endlich weiß, wofür man eine Sache thut, so gehet man oft etwas ein, was[72] man sonst bleiben liesse. Ich wünsche ihnen mit ihrer Jungfer Braut Glück und Segen. Geld ist die Losung.

CAROLINA. Nun, mein lieber künftiger Herr Schwieger-Vater, sind sie mir denn auch böse?

GROBIAN. Meine Gewogenheit gegen ihnen wird sich nach der Grösse ihres Brautschatzes richten.

EHRENWEHRT. Für 10000. Rthlr. jährliches Einkommen bin ich Bürge.

GROBIAN. O, so sind sie meine allerbeste Schwieger-Tochter. Der Himmel segne euch beyde und verleihe euch die edle Sparsamkeit, so werdet ihr mit der Zeit aus diesen 10000. Rthlr. 20000. machen.

SITTENREICH. Wir wollen uns bestreben, dem Herrn Vater, so viel möglich, jederzeit gefällig zu seyn.

CAROLINA. Wir wollen hübsch häußlich leben.

GROBIAN. Der Himmel gebe sein Gedeyen dazu.

AGNETA. Nun, lieber Mann, laß doch das arme Mädgen nicht ungetröstet.

GROBIAN. Meinetwegen verheirathe sie an den Schinder.

AGNETA. Nun, so gieb dich zufrieden, meine Tochter! in vier und zwanzig Stunden soll Herr Rothbart dein Bräutigam seyn.

GUTHERZ. Es fehlet nichts, als daß ich noch mein Vergnügen über diese dreyfache Verbindung an den Tag lege. Mich deucht, keiner unter ihnen hätte besser wählen können, und ein jeder, der davon hören wird, muß sagen: Gleich und gleich gesellet sich gerne.


Ende des dritten und letzten Aufzuges.
[73]

Quelle:
Hinrich Borkenstein: Der Bookesbeutel. Leipzig 1896, S. 68-74.
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