Die 90. Histori sagtt, wie Ulenspiegel zu Mollen kranck ward und dem Apotecker in die Büchßen scheiß und wie er in den Heiligen Geist gebracht ward und seiner Muter ein süß Wort zusprach.

[255] Ellend unnd vast kranck ward Ulenspiegel, als er von Mariental gen Mollen kam. Da zoch er zu dem Appotecker in zu Herberg umb Artznei willen. Da waz der Apotecker auch etwaz geil und gemelich und gab Ulenspiegeln ein scharpff Purgatz. Da es nun gegen den Morgen gieng, da ward die Purgatz würcken, und Ulenspiegel stund uff und wolt der Purgatz ledig werden. Da waz daz Huß allenthalben beschlossen, und ihm ward Angst und Not, und er kam in die Appoteck und scheiß in ein Büchß und sprach: »Hie kam die Artznei uß, da muß sie wider ein, so verleurt der Appotecker nit, ich kan doch sunst kein Gelt geben.« Da daz der Appotecker inen ward, da flucht er Ulenspiegeln und wolt ihn im Huß nit haben und ließ ihn in den Spital (der hieß Der helig Geistt) bringen. Da sagt er zu den Lüten, die ihn hinfurten: »Ich hab da vast nach gestanden und Got allezeit gebetten, das der heilig Geist solt in mich kumen, so sendt er mir das Widerteil, daz ich nun in den heiligen Geist kum und er bleibt uß mir und kum in ihn.« Die Leüt lachten sein und giengen von ihm. Und als eins Menschen Leben ist, so ist auch sein End. Das ward seiner Muter kuntgethon, daz er kranck wär. Die ward bald gerecht und kam zu ihm und meint, von ihm Gelt zu uberkumen, wann sie waz ein alte arme Fraw. Da sie nun[256] zu ihm kam, ward sie weinen und sprach: »Mein lieber Sun, wa bist du kranck?« Ulenspiegel sprach: »Liebe Muter, hie zwüschen der Kisten und der Wand.« »Ach, lieber Sun, sprich mir noch zu ein süs Wort.« Ulenspiegel sprach: »Liebe Muter, Honig, das ist ein süß Krut.« Die Muter sprach: »Ach, lieber Sun, gib mir dein süß Ler, da ich dein bei gedencken mag.« Ulenspiegel sagt: »Ja, liebe Muter, wan du wilt deins Gemachs thon, so ker den Arß von dem Wind, so gat dir der Gestanck nit in die Naß.« Die Muter sprach: »Lieber Sun, gib mir doch etwas von deinem Gut.« Ulenspiegel sagt: »Liebe Muter, wer da nüt hat, dem sol man geben, und der etwas hat, dem sol man etwas nemen. Mein Gut ist verborgen, das niemans weiß. Findest du etwas, das mein ist, das magchst du angreiffen, doch ich gib dir von meinem Gut alles, das krumb ist und recht ist.«

Dieweil ward Ulenspiegel ser kranck, das die Leüt ihn ansprachen, das er beichtet und Gots Recht neme. Das thet Ulenspiegel, dan er befand wol, daz er des Lägers nit uffkäm.

Quelle:
Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel. Stuttgart 1978, S. 255-257.
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