LXV.

[116] Viel Aberglauben man jetzt braut;

Aus Sternen man die Zukunft schaut;

Ein jeder Narr fest darauf baut.


Das Bild zeigt am Himmel Sonne, Mond und Sterne zugleich, in der Luft allerlei Vögel. Ein Narr, dem ein Fuchsschwanz an der Seite hängt, hält einem Schüler in vertraulicher Weise über Astrologie und Vogelflug Vortrag.


Von Beobachtung des Gestirns.

Der ist ein Narr, der mehr verheißt,

Als sein Vermögen ihm erweist

Und ihm erlaubt zu thun der Muth.

Verheißen steht den Aerzten gut,

Doch ein Narr verspricht an einem Tag

Mehr, als die Welt je leisten mag.

Das Künft'ge füllt jetzt jedes Hirn,

Was Firmament sowie Gestirn

Und der Planeten Lauf uns sage,

Oder Gott in seinem Rath anschlage.

Man meinet, daß man wissen solle,

Was Gott all mit uns wirken wolle,

Als ob Gestirn Nothwendiges bringe

Und ihm nachgingen alle Dinge

Und Gott nicht Herr und Meister wär',[116]

Der eines leicht macht, andres schwer,

Und schafft, daß manch Saturnuskind

Doch Frömmigkeit und Heil gewinnt,

Dagegen Jupiter und Sol

Oft Kinder haben, Bosheit voll.

Einem Christenmenschen nicht zusteht,

Daß er mit Heidenkunst umgeht

Und merkt auf der Planeten Lauf,

Ob dieser Tag sei gut zum Kauf,

Zum Bauen, Kriegen, Eheschließen,

Zur Freundschaft und was ähnlich diesen.

All unser Wort, Werk, Thun und Lassen

Soll sein aus Gott und Gott umfassen.

Darum auch der Gott nicht vertraut,

Wer so auf die Gestirne baut,

Daß Stunden, Monde, Tag' und Jahre

So glücklich seien, daß man wahre

Sich vor und nach, und läßt das sein,

Was nicht zu dieser Zeit kann sein,

Daß es nur nicht geschehen mag

An einem unglücksvollen Tag.

Denn wer nicht etwas Neues trägt

Und um Neujahr nicht Singens pflegt

Und Tannenreisig steckt ans Haus,

Der meint, er leb' das Jahr nicht aus;

Das hielt Egypten schon für wahr!

Desgleichen, wem zum neuen Jahr

Von Anderen nichts wird geschenkt,

Der meint, daß schlecht das Jahr anfängt.

So gibt's Unglauben allerlei

Mit Wahrsagung und Vogelschrei,

Mit Formeln, Segen, Träumenbuche,

Und daß man bei dem Mondschein suche

Oder der schwarzen Kunst nachjage;

Nichts gibt es, dem man nicht nachfrage.[117]

Ein Jeder schwört, es fehl' ihm nit,

Doch fehlt's um einen Bauernschritt.

Nicht daß der Sterne Lauf allein

Sie deuten, – jedes Ding so klein,

Das Allerkleinst' im Fliegenhirn

Will man jetzt wissen aus Gestirn,

Und was man reden, rathen werde,

Wie einer Glück hab', – die Geberde

Und Absicht, Unfall, Kränklichkeit

Wird frevelnd aus Gestirn prophezeit.

Von Narrheit ist die Welt betäubt

Und jedem Narrn man jetzo gläubt.

Viel Practik und Weissagekunst

Verbreitet jetzt der Drucker Gunst;

Die drucken alles, was man bringt

Und was man schändlich sagt und singt.

Da schaut nun Niemand strafend drein,

Die Welt, die will betrogen sein!

Wenn man die Kunst jetzt trieb und lehrte

Und nicht so sehr zur Bosheit kehrte

Und was sonst Schaden bringt der Seel',

Die Moses trieb und Daniel,

So wär's nicht eine böse Kunst,

Sie wäre Ruhmes werth und Gunst.

Jetzt weissagt man, das Vieh werd' sterben,

Oder wie Korn und Wein verderben,

Wenn es geb' Regen oder Schnee,

Wann schön es sei, und wann es weh'.

Die Bauern fragen nach solcher Schrift,

Dieweil es ihren Gewinn betrifft,

Daß sie Korn hinter sich und Wein

Behalten, bis die theurer sei'n.

Als Abraham las in solchem Buche

In Chaldäa auf der Sternensuche,

Entbehrte Licht und Trost er sehr,

Die sand' in Canaan ihm der Herr.

Mit ernstem Sinn verträgt sich's nicht,[118]

Wenn man von solchen Dingen spricht,

Als wollte man Gott damit zwingen,

Sie so, nicht anders zu vollbringen.

Erloschen ist Gottes Lieb' und Gunst,

Drum sucht man jetzt des Teufels Kunst.

Als König Saul von Gott abfiel,

Des Teufels Werk ihm wohlgefiel.

Quelle:
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 116-119.
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Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Mit allen 114 Holzschnitten des Drucks Basel 1494
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Nach der Erstausgabe (Basel 1494) mit den Zusätzen der Ausgaben von 1495 und 1499 sowie den Holzschnitten der deutschen Originalausgaben (Neudrucke Deutscher Literaturwerke)
Das Narrenschiff:

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