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[129] Du mußt im Sommer die Gabel drehn,
Willst du im Winter nicht hungrig gehn
Und oft den Bären tanzen sehn.
Ein Narr mit einem Seil in der Hand deutet auf einen Heuhaufen in der Ferne hin. Vor ihm in einer Vertiefung saugt ein Bär an den Tatzen. Ameisen und Bienen geschäftig um beide her.
Man findet hier gar manchen Thoren,
Der ist ins Trödeln so verloren,
Daß er sich nirgend schicken kann
Zu allem, was er fähet an.
Kein Ding bei Zeiten er bestellt,
Nichts über Nacht hin er behält,[129]
Als daß er so gleichgiltig ist
Und nicht bedenkt, was ihm gebrist,
Und was er haben muß zur Noth.
Selbst wenn ihm diese es gebot,
Denkt er nicht weiter alle Stund'
Als von der Nase bis zum Mund.
Nur wer im Sommer schafft mit Fleiß,
Daß er im Winter zu leben weiß,
Den nenn' ich einen weisen Mann.
Doch wer im Sommer ruhen kann
Und schlafen allzeit an der Sonnen,
Muß haben Güter schon gewonnen,
Oder muß durch den Winter sich
Behelfen schlecht und kümmerlich,
Muß an den eignen Fingern nagen
Und harten Hunger oftmals tragen.
Wer nicht im Sommer machet Heu,
Der läuft im Winter mit Geschrei,
Hat wol zusammengebunden das Seil
Und ruft, daß man ihm Heu geb' feil.
Der Träge im Winter ungern pflügt,
Im Sommer er am Bettel liegt
Und muß manch böse Zeit ertragen,
Viel heischen, wenig nur erjagen.
Schau', Narr, die Ems' am frühen Morgen!
Lern' dich bei guter Zeit versorgen,
Daß du nicht müssest Mangel leiden!
Wenn andre Freude sich bereiten!
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
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