|
[130] Den sticht die Hechel oft nicht lind,
Wer immer zanket wie ein Kind
Und machen will die Wahrheit blind.
Ein Narr, dem schon eine Hechel am allerwerthsten Körpertheile sitzt, verbindet mit schlauer Miene der mit Schwert und Wage dasitzenden Gerechtigkeit die Augen. Dabei läuft er Gefahr in andere Hecheln zu treten, welche am Boden liegen.
Von solchen Narrn will ich auch sagen,
Die in jeder Sache wollen tagen,
Und nicht mit Liebe kommen ab,
Wenn man zuvor nicht Zank drum hab';
Damit die Sache lang sich ziehe,
Man der Gerechtigkeit entfliehe,
Lassen sie bitten sich, mahnen, treiben,
Ausleuten, verbannen, Achtbrief schreiben,
Und steifen sich drauf, daß sie das Recht
Wol biegen, daß es nicht bleib' schlecht,
Als ob es wär' eine wächserne Nase.
Sie denken nicht, daß sie der Hase,
Der in der Schreiber Pfeffer schwimmt.
Vogt, Advocat, wer sonst noch stimmt
Und hat Gewalt, will auf seinen Tisch
Auch haben einen Zuber Fisch.
Die können dann die Sache breiten,
Ihr Garn wol nach dem Wildpret spreiten,
So daß ein Sächlein wird zur Sache,
Ein kleines Rünselein zum Bache.
Man muß jetzt theure Redner dingen
Und sie von fernen Landen bringen,
Daß sie die Sache wohl verklügen
Und mit Geschwätz die Richter trügen.
Dann muß man viele Tag' anstellen,[131]
Damit der Tagsold mög' anschwellen
Und wird verritten und verzehrt,
Mehr als die Sache selbst ist werth.
In Petersilie zehrt Mancher mehr,
Als ihm die Tagfahrt bringt nachher,
Und meint die Wahrheit doch zu blenden,
Wenn er die Sach' nicht bald läßt enden.
Ich wollt', wem wohl mit Zanken wär',
Daß der am Steiß trüg' Hecheln schwer.
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
|