[132] Wüst, schandbar Wort oft Sünde schürt,
Und oft zu schlechter Sitt' es führt,
Wenn man zu fest die Sauglock' rührt.
Eine gekrönte Sau, der eine Glocke am Halse hängt, zieht ein Narr am Ohr, damit die Glocke klinge. Ihr Schwanz ist am Narrenschiff befestigt.
Grobian ein neuer Heiliger ist,
Den feiert jeder zu dieser Frist
Und ehret ihn an jedem Orte
Mit schändlichwüstem Werk und Worte,
Und will das ziehn zu einem Schimpf,
Wiewol der Gürtel hat wenig Glimpf.
Herr Glimpfius todt ist für die Welt:
Der Narr die Sau bei den Ohren hält
Und schüttelt sie, daß die Sauglock' klingt
Und sie den Moringer ihm singt.
Die Sau hat jetzt allein den Tanz,
Sie hält das Narrenschiff beim Schwanz,
Daß es nicht untergeh' vor Schwere,
Was schade doch auf Erden wäre.
Denn wo die Narren nicht trinken Wein,[132]
Gilt er jetzt kaum ein Oertelein;
Aber die Sau bringt jetzt viel Junge,
Weisheit kennt nicht des Pöbels Zunge;
Sie läßt Niemand beim Bretspiel sein,
Die Krone trägt die Sau allein;
Wer fest die Sauglock' läuten kann,
Der muß jetzt immer sein vornan.
Wer jetzt kann treiben solches Werk,
Wie einst der Pfaff' von Kahlenberg,
Oder Mönch Eilsam mit seinem Bart,
Der meint, er thu' eine gute Fahrt.
Von Manchem ist Weis' und Wort geschehn,
Wenn das Orestes gehört und gesehn,
Der doch der Sinne war beraubt,
Er hätt' es von keinem Verständ'gen geglaubt.
Sauberinsdorf ist worden blind,
Das schafft, die Bauern jetzt trunken sind.
Herr Ellerkunz den Vortanz hat
Mit Wüstgenug und Seltensatt.
Ein jeder Narr will Sauwerk treiben,
Daß ihm die Büchse möge bleiben,
Die man umträgt mit Eselsschmeer.
Die Eselsbüchse wird selten leer,
Wiewol ein jeder drein will greifen
Und damit schmieren seine Pfeifen.
Die Grobheit ist jetzt kommen aus,
Und wohnt beinah in jedem Haus,
Daß man nicht viel Vernunft mehr treibt.
Was man jetzt redet oder schreibt,
Das ist aus dieser Büchs entnommen.
Zumal wenn Prasser zusammenkommen,
Dann hebt die Sau die Mette an:[133]
Die Prim' ist von Sanct Grobian,
Die Terz erschallt im Eselton,
Hutmacherknecht singt dann die Sext,
Von groben Filzen ist der Text;
Die wüste Rott' sitzt in der Nôn',
Die schlemmt und demmt aus vollem Ton,
Darnach die Sau zur Vesper klingt,
Schandbare Wort und Unflat singt,
Bis die Complêt den Anfang nimmt,
In der man »All sind voll!« anstimmt.
Das Eselsschmalz ist ohne Ruh,
Mit Schweinefett vermischt dazu;
Das streichet einer dem andern an,
Den er möcht' haben zum Cumpan,
Der wüst soll sein und es nicht kann.
Man schont nicht Gott noch Ehrbarkeit,
Vom Wüstesten weiß man Bescheid;
Wer kann der Allerschlimmste sein,
Dem bietet man ein Glas mit Wein.
Das Haus erdröhnt, man lacht und johlt
Und bittet, daß er's wiederholt.
Man ruft: »Das ist ein guter Schwank,
Dabei wird uns die Zeit nicht lang!«
Ein Narr den andern schreiet an:
»Du guter Gesell! Du lustiger Mann!
Feti gran schier, e belli schier!
Welch' Erdenfreud' sonst haben wir
Als bei so guten Gesellen sein?
Drum laßt uns fröhlich prassen und schrein!
Uns bleibt nur wenig Zeit auf Erden,
Die möge uns recht froh doch werden;
Denn wer mit Tode stirbt, liegt so
Und ist zu keiner Zeit mehr froh!
Wir haben von Keinem je vernommen,
Der von der Helle sei wiederkommen[134]
Und uns nun sagte, wie's da stünde!
Ist gute Gesellschaft denn wol Sünde?
Laß Pfaffen schwätzen ohne Ende!
Ja, daß sie dies und jenes schände!
Wär' es so sündig, wie sie schreiben,
Sie thäten es nicht selber treiben!
Wenn nicht der Pfaff' vom Teufel sagte,
Der Hirt vom Wolf sein Leiden klagte,
Wo bliebe denn dann ihr Gewinn?«
Das ist der Thoren Wort und Sinn,
Die leben mit der groben Rott',
Der Welt zur Schande und auch Gott, –
Doch werden sie zuletzt zum Spott!
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
|
Buchempfehlung
Am Hofe des kaiserlichen Brüder Caracalla und Geta dient der angesehene Jurist Papinian als Reichshofmeister. Im Streit um die Macht tötet ein Bruder den anderen und verlangt von Papinian die Rechtfertigung seines Mordes, doch dieser beugt weder das Recht noch sich selbst und stirbt schließlich den Märtyrertod.
110 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro