LXXIII.

[135] Es trachtet Mancher nach geistlichem Stand,

Der anzieht Pfaffen- und Klostergewand

Und bald möcht' reuig ändern den Stand.


Ein älterer Gelehrter, mit einem offenen Buche in der Hand, das Oberkleid mit einer Schelle bezeichnet, beugt sich spöttisch-demüthig vor zwei jüngeren, welche Schellen in den Händen tragen. Vgl. Kap. 27.


Vom Geistlichwerden.

Noch Anderes wird jetzt gelehrt,

Das auch ins Narrenschiff gehört,

Deß Jedermann bedient sich gern:

Jeder Bauer will einen geistlichen Herrn,

Der sich mit Müßiggang ernähr',

Ohn Arbeit leb' und sei ein Herr.

Nicht, daß er dies aus Andacht wähle,

Oder aus Achtung für's Heil der Seele,

Sondern zu haben einen Herrn,

Der die Geschwister mög' ernährn.

Er läßt ihn wenig sehn ins Buch,

Man spricht: »Er weiß dazu genug!

Braucht nicht auf größre Kunst zu sinnen,[135]

Kann er nur eine Pfründ' gewinnen!«

Man schätzt die Priesterschaft gering,

Als ob es sei ein leichtes Ding.

Drum gibt es jetzt viel junge Pfaffen,

Die soviel können wie die Affen,

Und Seelsorg' sieht man treiben die,

Denen man vertraute kaum ein Vieh;

Sie wissen soviel vom Kirchenregieren,

Als Müllers Esel kann quintiren.

Die Bischöfe sind Schuld daran,

Die sollten nehmen zum Ordensmann,

Oder für die Seelsorg' erlesen

Nur einen Mann von tücht'gem Wesen,

Daß einer sei ein weiser Hirt,

Der die Schafe nicht mit sich verführt.

Aber jetzt wähnen die jungen Laffen,

Wenn sie allein auch wären Pfaffen,

So hätt' ihrer Jeder, was er wollt'.

Doch ist fürwahr nicht Alles Gold,

Was man am Sattel gleißen sieht,

Mancher beschmutzt die Hände damit

Und läßt sich jung zum Priester weihn

Um später sich selbst zu maledein,

Daß er nicht länger hat geharrt;

Gar Mancher von ihnen Bettler ward.

Wenn er eine rechte Pfründ' gewann,

Eh er die Priesterschaft nahm an,

Er wär' soweit gekommen nit.

Viel weiht man, um der Herren Bitt'

Oder auf Dieses und Jenes Tisch,

Davon er doch ißt wenig Fisch.

Man lehnet Brief' einander ab,

Damit man einen Titel hab'

Und wähnt den Bischof zu betrügen,

Um ins Verderben sich zu lügen.[136]

Kein ärmer Vieh auf Erden ist

Denn Priesterschaft, der Brod gebrist:

Sie hat Abzüg' schon überall:

Vikar, Bischof zusammt Fiskal,

Der Lehnsherr, dann die Freunde sein,

Die Wirthschaftrin, die Kinder klein,

Die geben ihm erst rechte Püff',

Daß er komm' in das Narrenschiff

Und damit aller Freud' vergesse.

Ach Gott, es hält gar mancher Messe,

Dem besser wär', er dächt' nicht dran

Und rührte den Altar nicht an;

Denn Gott gedenkt des Opfers nicht,

Das sündenvoll mit Sünd geschicht.

Einst hörte Moses Gott den Herrn:

»Ein jedes Thier, das mach' sich fern

Und komm' dem heilgen Berg nicht nah,

Daß es nicht Plage treffe da!«

Wo angerühret Ozas Hand

Die Arche, dort den Tod er fand;

Mit Dathan starb und Abyran

Korah, der's Weihrauchfaß rührt' an.

Geweihtes Fleisch scheint oft nicht theuer;

Es wärmt sich gern am Klosterfeuer,

Dem doch zuletzt wird Höllenglut.

Man predigt klugen Leuten gut!

Jetzt stößt manch Kind man in den Orden,

Eh es ein Mensch noch ist geworden;

Eh es versteht, ob das ihm sei

Gut oder bös, steckt es im Brei.

Wenn auch Gewohnheit viel vermag,

Reut es doch Viele manchen Tag,

Die fluchen Denen aller Orten,

Die Ursach' des Gelübdes worden.

Gar wenig jetzt ins Kloster gehn[137]

Zu solcher Zeit, wo sie's verstehn;

Gar wenig kommen durch Gottes Willen,

Die Meisten um ihren Hunger zu stillen.

Des Standes haben sie nicht Acht

Und thuen Alles ohn' Andacht,

Zu meist in all den Orden ganz,

Wo man nicht hält die Observanz.

Solch Klosterkatzen sind gar geil,

Das macht, es bindet sie kein Seil.

Doch besser gehört keinem Orden an,

Als daß Unrecht thut ein Ordensmann.

Quelle:
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 135-138.
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Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Mit allen 114 Holzschnitten des Drucks Basel 1494
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Nach der Erstausgabe (Basel 1494) mit den Zusätzen der Ausgaben von 1495 und 1499 sowie den Holzschnitten der deutschen Originalausgaben (Neudrucke Deutscher Literaturwerke)
Das Narrenschiff:

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