|
[180] Es sollte Mancher zur Kirche gehn
Und am Feiertage müßig stehn,
Den man kann vielgeschäftig sehn.
Ein Narr mit einem Kolben in der Linken scheint einen ehrsamen, des Feiertags durch einen Spaziergang in Wald und Feld sich erfreuenden Bürger zu Allotria verleiten zu wollen.
Das sind wol Bürger zu Affenberg,
Die ihre Sachen und ihr Werk
Verrichten an geweihten Tagen;
Die müssen auf den Affenwagen!
Dem Einen muß man Rosse beschlagen,
Dem Andern Knöpfe setzen an,
Das wäre besser längst gethan,[180]
Als man gesessen bei Spiel und Wein.
Dem füllet man die Spitzen sein,
Viel Hadern muß man darein stoßen;
Der muß probiren Röck und Hosen,
Die könnt' er sonst nicht legen an,
Hätt' er's am Festtag nicht gethan.
Die Köche rüsten Feuer und Glut;
Eh man die Kirche früh aufthut,
Ist schon bei ihnen Schlemmen und Prassen.
Eh Jemand recht kommt auf die Gassen,
Das Weinhaus angefüllt schon war.
So treibt man's endlos immerdar;
Zumal an den gebannten Tagen,
Wo man sich sollte Werk versagen,
Fährt man mit Wagen und mit Karren.
Der Feiertag macht Manchen zum Narren,
Der meint, daß solchen man erdachte,
Weil kleiner Arbeit Gott nicht achte,
Wenn man das Holz im Spielbret schlage
Und Karten spiel' am ganzen Tage.
Viele lassen schaffen ihr Gesind',
Ohne zu achten, daß Diener und Kind
Zur Kirche, Predigt und Gottesdienst gehn
Oder zur Messe früh aufstehn.
Den Met wollen sie recht auskochen,
Den sie gesotten in der Wochen.
Ein jedes Handwerk paßt dazu,
Daß es am Feiertag nicht ruh';
Man ist auf den Pfennig so erpicht,
Als tagte der Erde kein neues Licht.
Ein Theil steht schwätzend auf den Gassen,
Die Andern sitzen mit Spielen und Prassen
Und Manchem im Wein da mehr zerrinnt,
Als er in der Woche mit Arbeit gewinnt.
Der muß ein Geizhals und Stümper sein,[181]
Wer nicht will sitzen bei dem Wein
So Tag wie Nacht, bis die Katze kräht
Oder die Morgenluft kühl weht.
Die Juden spotten unser sehr,
Daß wir dem Feiertag solche Ehr'
Anthun, den sie doch heilig schätzen,
Daß ich ins Narrenschiff sie setzen
Nicht wollte, falls sie nicht all' Stund'
Sonst irrten wie ein toller Hund.
Ein Armer Holz am Feiertag las
Und ward gesteinigt allein um das.
Die Makkabäer wollten mit Waffen
Am Feiertage nichts haben zu schaffen,
Ob man schlug viele auch zu Tod.
Man sammelte nicht das Himmelsbrod
Am Feiertag, weil Gott so gebot.
Aber wir arbeiten ohne Noth,
Und viel auf den Feiertag wir legen,
Was wir andre Tage schaffen nicht mögen.
O Narr, den Feiertag halt und ehr'!
Es gibt noch Werktag viel und mehr,
Wenn du schon faulest in dem Grund.
Habsucht macht alle Laster kund!
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
|
Buchempfehlung
Stifters späte Erzählung ist stark autobiografisch geprägt. Anhand der Geschichte des jungen Malers Roderer, der in seiner fanatischen Arbeitswut sich vom Leben abwendet und erst durch die Liebe zu Susanna zu einem befriedigenden Dasein findet, parodiert Stifter seinen eigenen Umgang mit dem problematischen Verhältnis von Kunst und bürgerlicher Existenz. Ein heiterer, gelassener Text eines altersweisen Erzählers.
52 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro