XCVII.

[183] Man findet Trägheit überall,

Bei Knechten und Mägden allzumal,

Die kann man nicht genugsam lohnen,

Obschon sie sich doch selbst wol schonen.


Eine Magd ist überm Spinnen vor dem Feuer eingeschlafen und hält noch das Stück Holz in der Hand, welches sie nachlegen wollte; dahinter sät ein Knecht Korn und guckt dabei in die Luft.


Von Trägheit und Faulheit.

Kein größrer Narr in jeder Sach'

Ist als der stets kann thun gemach

Und ist so träg, daß ihm verbrennt

Sein Schienbein, eh' er um sich wend'.

Wie Rauch den Augen ist nicht gut,

Wie Essig weh den Zähnen thut,

So zeigt der Faule und der Träge

Sich denen, die ihn sandten Wege.

Ein träger Mensch ist Keinem nutz,

Als daß er ist ein Winterbutz,

Und daß er schlafen darf genug;

Beim Ofen sitzen ist sein Fug.

Selig, wer mit dem Karste schafft,

Doch Müßiggang ist narrenhaft.

Die Müßiggänger straft der Herr,

Der Arbeit gibt er Lohn und Ehr.'

Der Böse nimmt der Trägheit wahr

Und streut bald seinen Samen dar.

Trägheit – die Ursach manchen Fehls

Ließ murren die Kinder Israels;

David übt' Eh'bruch und Todschlag,

Dieweil er träg und müßig lag;

Weil man Carthago ganz umkehrte,

Geschah's, daß man auch Rom zerstörte.

Viel größern Schaden Rom empfing,

Dieweil Carthago unterging,[184]

Als ihr zuvor geschehen war

Im Streite hundertsechzehn Jahr.

Der Träge geht nicht gern herfür,

Er spricht: »Der Leu ist vor der Thür!«

Zu Haus hält ihn ein toller Hund.

Faulheit ersinnt bald einen Grund;

Faulheit sich hin und wider dreht,

So wie die Thür in der Angel geht.

Quelle:
Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877], S. 183-185.
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