|
[186] Ich bitt' Euch Herren, groß' und kleine,
Bedenkt den Nutzen der Gemeine!
Laßt mir die Narrenkapp' alleine!
Kalser und Papst mit Gefolge. Vor ihnen kniet ein Narr, dem die Kappe zurückgefallen ist, und mit kläglich-komischer Geberde eine andere, schöne Kappe in der Hand hält, nach welcher jene die Hände ausstrecken. Andere Narren sehen über eine Mauer und unterhalten sich über den Vorgang.
Wann ich der Säumniß denk' und Schande,
So man jetzt spürt in allem Lande,
Von Fürsten, Herren, Landen, Städten,
Kein Wunder wär's, wenn mir wollt' treten
Mein Auge ganz der Zähren voll,
Daß man so schmählich sehen soll[186]
Den Christenglauben nehmen ab.
Verzeih man mir, daß ich schon hab'
Die Fürsten auch gesetzet dar!
Wir nehmen leider häufig wahr
Des Christenglaubens Noth und Klage,
Der mindert sich von Tag zu Tage.
Zuvörderst hat der Ketzer Heer
Zerrissen und zerstört ihn sehr;
Danach hat Mohmeds böser Sinn
Noch mehr und mehr verwüstet ihn;
Mit Irrthum den in Schand gebracht,
Der sonst im Orient stark an Macht,
Als gläubig war ganz Asia,
Der Mohren Land und Afrika.
Jetzt haben dort wir gar nichts mehr;
Das schmerzt selbst einen Stein gar sehr,
Daß wir verlorn zu unsrer Schand'
Allein in Asien und Griechenland,
Was man die Großtürkei jetzt nennt,
Das ist dem Glauben abgetrennt;
Da sind die sieben Kirchen gewesen,
Davon wir bei Johannes lesen,
Da ist ein so gut Land verloren,
Daß es die Welt wol hätt verschworen.
Zudem noch in Europa ist
Verloren in gar kurzer Frist:
Zwei Kaiserthümer, Städt' desgleichen
Nebst vielem Land und Königreichen:
Constantinopel, Trapezunt,
Die Land sind aller Welt wol kund,
Achaja und Aetolia,
Böotia, Thessalia,
Sammt Thrazia, Macedonia,
Beid' Mysia und Attika,
Auch Tribulos und Scordiscos,[187]
Bastarnas auch und Tauricos
Euböa dazu Nigrapont,
Auch Pera, Kapha und Idront
Ohn' anderen Verlust und Schaden,
Den wir uns sonst schon aufgeladen
In Steier, Kärnten und Kroatia,
Morea und Dalmatia,
In Ungarn und in Windischmark.
Jetzt sind die Türken also stark:
Sie haben nicht das Meer allein,
Die Donau ist auch ihrer Gemein.
Sie brechen ein in alle Lande,
Bisthümer, Kirchen stehn in Schande:
Jetzt greift er an Apulia,
Darnach gar bald Sicilia,
Italia, die stößt daran,
Wie leicht gelangt nach Rom er dann,
Nach Lombardei und wälschem Land!
So ist der Feind uns an der Hand:
Doch möchten schlafend sterben all!
Der Wolf ist wahrlich in dem Stall
Und raubt der heil'gen Kirche Schafe,
Dieweil der Hirte liegt im Schlafe.
Die röm'sche Kirch' vier Schwestern hat
Sammt Patriarchen in der Stadt
Byzantium, Alexandria,
Jerusalem, Antiochia,
Die sind ihr gänzlich jetzt geraubt,
Es geht nun bald auch an das Haupt.
All das ist unsrer Sünden Schuld,
Keins mit dem Andern hat Geduld
Oder leidet mit dessen Schwere,
Jeder wollt', daß sie größer wäre.
Es geschieht uns, wie den Ochsen geschah,
Als ruhig einer zum andern sah,[188]
Bis daß der Wolf sie alle zerrissen.
Da hat auch der Letzte schwitzen müssen.
Es greift jetzt Jeder mit der Hand,
Ob kalt noch sei die Mauer und Wand,
Und denkt nicht, daß er lösche aus
Das Feuer, eh's ihm komm' ins Haus;
Dann kommt zu spät ihm Reu' und Leid.
Zwietracht und Ungehorsamkeit
Zerstört der Christen Glauben und Gut;
Unnütz vergießt man Christenblut.
Niemand bedenkt, wie nah' es ihm sei,
Wähnt noch zu bleiben allweg frei,
Bis das Unglück kommt vor seine Thür:
Dann steckt er erst den Kopf herfür.
Europa's Pforten offen sind:
Es bringt uns Feinde jeder Wind,
Denen scheint nicht Schlaf noch Ruhe gut:
Es dürstet sie nach Christenblut. –
Als Roma unter Königen war,
War es leibeigen lange Jahr';
Zur Freiheit ward es eingeführt,
Als es gemeiner Rath regiert.
Doch als auf Hochfahrt man bedacht,
Auf Reichthum und auf große Macht
Und Bürger wider Bürger stritt,
Dacht' man gemeinen Nutzens nit,
Da mußte Gewalt zum Theil vergahn,
Ward einem Kaiser unterthan,
Mußt' unter solchem Schutz und Schein
An fünfzehnhundert Jahre sein.
O Rom, du bist herabgekommen,
Hast wie das Mondlicht abgenommen,
Wenn's schwindet und ihm Schein gebrist,
So daß jetzt wenig an dir ist.
Wollt' Gott, es wüchs das röm'sche Reich,
Damit es wär dem Mond ganz gleich!
Doch den dünkt nicht, daß er was hab',[189]
Der nicht dem römischen Reich bricht ab.
Es hat der Sarazenen Hand
Das heilige, gelobte Land;
Der Türke hat darnach soviel,
Daß man beim Zählen fänd' kein Ziel.
Viel Städte schufen sich Gewehr,
Und achten keines Kaisers mehr;
Ein jeder Fürst der Gans bricht ab,
Daß er 'ne Feder davon hab';
Darum ist es nicht Wunder groß,
Daß auch das Reich so blutt und bloß.
Man schärft zunächst es Jedem ein,
Daß er nicht fordern soll was sein
Und Jeden lassen in seiner Statt,
Wie er's bisher gebrauchet hat.
Um Gott, ihr Fürsten, sehet an,
Welch Schaden draus entstehen kann,
Wenn so herunter kommt das Reich!
Ein gleiches Schicksal trifft bald Euch!
Ein jedes Ding mehr Stärke hat,
Wenn bei einander fest es staht,
Als wenn es soll zertheilet sein.
Einhelligkeit in der Gemein'
Die Dinge bald aufwachsen macht,
Doch wenn Mißhelligkeit erwacht,
Werden auch große Dinge zerstört.
Der Deutschen Lob war hochgeehrt
Und hat erworben durch solchen Ruhm,
Daß man ihnen gab das Kaiserthum.
Aber die Deutschen verwandten Fleiß
Zu vernichten des eignen Reiches Preis.
Damit das Gestüte Zerstörung hab',
Bissen die Pferde die Schweife sich ab.
Jetzt auf den Füßen wahrlich ist[190]
Der Cerastes und Basilist.
Gar Mancher wird vergiften sich,
Wer Gift dem Reich beut heimelich.
Aber ihr Herren, Könige, Lande
Wollt nicht gestatten solche Schande!
Wollet dem römischen Reich beistehn,
Dann mag das Schiff noch aufrecht gehn!
Ihr habt fürwahr einen König mild,
Der Euch wohl führt mit Ritterschild,
Der zwingen kann all Land gemein,
Wenn Ihr ihm helfen wollt allein:
Der edle Fürst Maximilian
Die römische Krone wohl gewann,
Dem kommt ohn' Zweifel in die Hand
Die heil'ge Erd', das gelobte Land,
Er würd' beginnen jeden Tag,
Wenn er Euch nur vertrauen mag.
Werft von Euch darum Schmach und Spott:
Denn kleinen Heeres waltet Gott.
Wiewol verlor viel unsre Hand,
Sind doch noch soviel Christenland',
Und König, Fürsten, Adel, Gemein',
Sie mögen gewinnen wol allein
Und zwingen bald die ganze Welt,
Wenn man nur fest zusammenhält,
Treu', Fried' und Liebe gebrauchen thut,
Ich hoff zu Gott, dann wird es gut!
Ihr seid Regierer doch der Lande,
So wacht und thut von Euch die Schande,
Daß man Euch nicht dem Schiffsmann gleicht,[191]
Den auf dem Meer der Schlaf beschleicht,
Wann er das Ungewitter sieht;
Oder dem Hunde, der stumm flieht;
Oder dem Wächter, der nicht wacht
Und auf die Hut hat keine Acht.
Steht auf, erwacht aus Euerm Traum!
Die Axt liegt wahrlich an dem Baum!
Ach Gott, gib unsern Häuptern ein,
Daß sie begehrn die Ehre dein
Und nicht, was ihnen nütz' allein!
Dann will ich ohne Sorgen sein,
Du gebst uns Sieg' in kurzen Tagen,
Darob wir ewig Lob dir sagen!
Ich mahn' die Ständ' der ganzen Welt,
Wie ihre Würde auch bestellt,
Daß sie nicht thun wie Schiffersleut',
Die uneins sind und haben Streit.
Wann sie sind mitten auf dem Meer
In Sturm und Ungewitter schwer,
Und eh sie werden eins der Fahrt,
Stößt schon ihr Schiff zu Grunde hart.
Wer Ohren hat, der merk' und höre!
Das Schifflein schwanket auf dem Meere!
Wenn Christus jetzt nicht selber wacht,
Wird bald es werden um uns Nacht.
Drum Ihr, die einst nach Euerm Stand
Hat auserwählet Gottes Hand,
Daß Ihr sollt stehen an der Spitze,
Gebt Acht, daß Schmach nicht auf Euch sitze!
Thut, was Euch ziemt nach Euerm Grade,
Damit nicht größer werd' der Schade
Und Sonn' und Mond verlier' den Glanz
Und Haupt und Glieder schwinden ganz:
Es läßt sich recht besorglich an! –
Leb' ich, – ich mahn' noch manchen dran,
Und wer nicht an mein Wort mag denken,
Dem will die Narrenkapp' ich schenken!
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
|
Buchempfehlung
Der junge Vagabund Florin kann dem Grafen Schwarzenberg während einer Jagd das Leben retten und begleitet ihn als Gast auf sein Schloß. Dort lernt er Juliane, die Tochter des Grafen, kennen, die aber ist mit Eduard von Usingen verlobt. Ob das gut geht?
134 Seiten, 7.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro