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[192] Wer jetzt vermag den Hengst zu streichen,
Sich bei Betrug behend zu zeigen,
Der wähnt, zuletzt vom Hof zu weichen.
Ein Narr mit Pfauenfedern, – dem Zeichen Oestreichs, – in der Hand liegt am Boden; ein Hengst tritt ihn mit den Vorderfüßen und schlägt mit den Hinterfüßen nach einem Narren von Tellerlecker.
Ein Schiff mit Deck käm' mir jetzt recht,
Darein ich setzt' der Herren Knecht'
Und andre, die zu Hof gehn schlecken
Und heimlich bei den Herren stecken,
Damit sie säßen ganz alleine
Und ungedrängt von der Gemeine,
Denn die scheint ihnen da zum Leide.
Der klaubet Federn, der streicht Kreide,
Der liebkost, der raunt in das Ohr,
Daß er sich eilig schwing' empor
Und sich mit Tellerschlecken nähre.
Durch Lügen Mancher Herr gern wäre,
Den Kauz zu streichen er versteht,
Mit falbem Hengst er wohl umgeht;
Zu blasen Mehl ist er geschwind,
Den Mantel hängt er nach dem Wind;
Zutragen hilft jetzt Manchem vor,
Der sonst blieb lange vor dem Thor.
Wer Wolle mischen kann und Haar,
Der bleibt bei Hofe gern fürwahr;
Dort ist er wahrlich lieb und werth,[193]
Wo Ehrbarkeit man nicht begehrt.
Mit Thorheit alle sich befassen,
Wollen mir die Narrenkapp' nicht lassen.
Doch streichelt Mancher oft so rauch,
Daß ihn der Hengst schlägt vor den Bauch
Oder ihm gibt einen Tritt in die Rippen,
Daß ihm der Teller fällt in die Krippen.
Man könnte solcher wol ledig gehn,
Wenn man sonst Weisheit wollt' verstehn;
Wenn Jeder wäre, wie er sich stellt,
Den man für fromm und redlich hält,
Oder sich stellte, wie er wär':
– Viel Narrenkappen stünden leer.
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
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