Vierte Scene.

[79] Madame Dujour. Monsieur Le Doigt und Monsieur Appeau,

zwei Spieler.


DUJOUR.

Ihr kennt des Glückes launenhaften Willen,

So haltet fest den flücht'gen Augenblick;

Laut strebt das Handwerk vorwärts mit Geschick,

Die Industrie des Witzes wirkt im Stillen.

Ihr seid behend und liebenswürdig schlau;[79]

Gern hab' ich mich mit euch associirt,

Doch lernt von einer dreißigjähr'gen Frau,

Daß Alles hin ist, wenn man Zeit verliert.

Ich bin von feinem Schlage, noblem Blute,

Besaß, ach! meinen Mann zwei Jahre kaum,

Es lehrte nichts als Spielen mich der Gute,

Sonst hab' ich nichts im weiten Erdenraum.

Und also hab' ich mich denn eingerichtet

Auf gutes Glück; mein Haus ist ganz aimabel;

Ihr habt euch, Monsieurs, für mich verpflichtet,

Ich bin zufrieden, denn ihr seid traitabel,

Wie aber ist es mit dem Fremden, sagt?

Er soll ja reich, ganz unermeßlich sein?

Den Fisch zu ködern, ist es sehr gewagt?

Ich mischt' ihm gern ein Spielchen Mein und Dein.

LE DOIGT.

Bald ist er unser, hält nicht schwer;

Er ist ein Deutscher, was nun mehr?!

Es will vielleicht mir heute noch gelingen,

Zu euch den Bären in das Haus zu bringen.

Ich geh sogleich zur Sonne

Mit Freund Appeau,

Wie wär' ich froh,

Ihn leichter hier zu machen! Welche Wonne!

APPEAU.

Indessen traget Sorge nur,[80]

Für Magen und für Herz, Madame Dujour;

Wein, Spiel und Liebe,

Mort de ma vie – wer da phlegmatisch bliebe!

Wir aber bleiben still und kalt,

Denn nur der Hitzige bezahlt.

DUJOUR.

Ich zähle heute allerliebste Namen,

Die niedlichsten Gesichter von der Welt.

Ihr kennt noch nicht die schönste meiner Damen;

Der wäre mehr als Held,

Der ihr nicht huldigte im Augenblicke.

O diese Grazie!

Nichts Hold'res sah ein Menschenauge je;

Wem sie die Karte reicht,

Und wär's ein Fels, er ist erweicht!

LE DOIGT.

Wer ist's? O sprecht –

DUJOUR.

So recht!

Am Ende fängt mein Vielgetreuer

Am ersten Feuer?

LE DOIGT.

Wie? Was? Ihr könntet –

DUJOUR lachend.

Glauben?[81]

APPEAU mitlachend.

Ja wol, du bist ein großer Weiberfeind!

DUJOUR.

Adele wird ihn seiner Sinne ganz berauben!

LE DOIGT affectirt.

Adele? Aus der Provinz wol?

DUJOUR.

Ja, mein Freund!

Doch stieg die über alles Schöne

Aus der Provinz beschränktem Lebensraum

Wie aus entzücktem Meeresschaum

Einst Anadyomene.

Genug, ich lobe sie; und loben Frauen,

So lohnt's der Mühe, darauf könnt ihr bauen.

LE DOIGT.

Daß eure Mühe nicht verloren sei,

Laßt uns die Kräfte klug vertheilen.

Madame, ihr geht nach Haus, wir zwei

Indessen wollen in die Sonne eilen.


Sie gehen.


DUJOUR.

Die Sonne bringe goldnen Regen!


Ab.


LE DOIGT MIT APPEAU.

Den Boden wollen wir schon pflegen.


Ab.


Quelle:
Braun von Braunthal, [Karl Johann]: Faust. Eine Tragödie, Leipzig 1835, S. 79-82.
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