Fünfter Auftritt.

[178] Klerdon. Henley.


KLERDON sobald er den Henley erblickt. Er ist schuldig, Henley! Mitten unter den erkünstelten Schmeicheleyen, die wider meinen Verdacht kämpften, drang ich bis zu seinen entsetzlichen Absichten hindurch. Ich nannte seine Schwester; er gerieth in Verwirrung, er gestand – – Freund, nehmen Sie Theil an meiner Wut. Granville ist schuldig, er ist der niederträchtigste Treulose.

HENLEY. Sie verließen einander ohne Zweifel sehr aufgebracht?[178]

KLERDON. Noch wollte er sich verteidigen, noch glaubte er sich unter den Hüllen der Verstellung sicher: so gewiß war er seiner Erfahrung in derselben, mit so vieler Kunst suchte er mich ins Verderben zu stürzen; er versicherte mich, da er mich verließ, er wolle bald zurück kehren, und sich vollkommen rechtfertigen.

HENLEY. Wie sehr fürchte ich, er werde sich endlich Ihres Vertrauens wieder bemeistern, und dann sind Sie der ganzen Willkühr seiner geheimen Feindschaft überlassen. Er ist ein zu großer Künstler im Betruge.

KLERDON. Besorgen Sie nichts; ich werde unüberwindlich gegen seine List seyn. Alles redet wider ihn, sein eigner schändlicher Brief, die Warnung des Unbekannten, die für mich geheimgehaltene Gegenwart seiner Schwester. – Ja, Henley, Sie selbst würde ich für meinen Feind achten, wollten Sie ihn noch entschuldigen.

HENLEY. Auch Ihr Haß, so fürchterlich er mir sonst ist, würde mir nicht abschrecken, Freunde wieder zu versöhnen – das freudigste Geschäffte[179] für edelmüthige Seelen! – wäre nur nicht – mit Schmerzen bekenne ich es – aller Weg ihn zu entschuldigen, verschlossen. – Was sind indessen Ihre Absichten? Von mir können Sie überzeugt seyn, daß ich eher den Tod wählen, als mit dem Raube meines Freundes mich bereichern würde: ein anderer wird also das Werkzeug werden, durch das man Ihnen den tödtenden Streich beybringt. Wollen Sie wohl einem andern diejenige geruhig überlassen. – –

KLERDON. Der bloße Gedanke einer solchen Niederträchtigkeit beschimpft mich. Sollte ich meine Ehre, meine Liebe – denn ich muß es Ihnen gestehn, noch itzt liebe ich Miß Granville, und ich fühle es, diese Leidenschaft wird nur mit mir selbst sterben. Mitten unter meinen Ausschweifungen, da jedermann sie für erstickt hielt, da ich mich recht ängstlich zu bestreben schien, mich der, die ich so unaussprechlich liebte, zum Abscheu zu machen, selbst da war sie nur betäubt, und oft war es an dem, daß sie mich siegend zu ihren Füßen zurück führen sollte. Bey meiner[180] Entfernung von London erwachte sie völlig. Ich verhehlte Ihnen meine Schwachheit. Dank sey meinem Unglücke, ich fand stets Ursache genug, meine Schwermuth zu rechtfertigen, ohne des Antheils, den diese daran hatte, zu erwähnen. – Und ich sollte den Anblick ertragen können, diejenige, die ich anbete, die schon durch die heiligsten Versicherungen die meinige ist, in eines andern Armen – – dieser Triumph sollte des Elenden Untergang seyn! – Ich sollte sehen, daß Granville, dieser Niederträchtige, dieses Ungeheuer – – hier vereinigten sich alle meine empörten Bewegungen, hier wird meine ganze Seele Rache. Ich will, wenn es möglich ist, grausamer, unmenschlicher gegen ihn seyn, als er es gegen mich ist.

HENLEY. Wie freue ich mich, Sie in einer Ihrer so würdigen Verfassung zu erblicken! So lange man es mit einiger Hoffnung versuchen konnte, entschuldigte ich Granvillen. Jetzt würde ich ihm ähnlich und gleich treulos seyn, wenn ich nicht den edelmüthigen Zorn Ihrer beleidigten[181] Ehre billigen sollte. Ja, eilen Sie zu ihm; ohne ihm Zeit zu lassen, zu erkünstelten Entschuldigungen zu flüchten, müsse ein rächender Dolch – –

KLERDON aufgebracht. Was rathen Sie mir, Henley?

HENLEY. Was die Ehre befiehlt, was Ihre Pflicht ist – Granvillen zu tödten.

KLERDON. Granvillen zu tödten?

HENLEY. Sie stutzen? sind Sie noch zweifelhaft?

KLERDON. Ich soll niedrig genug seyn, mich der Schmach eines Meuchelmordes zu unterwerfen? Ich soll ehrlos werden, die Rechte meiner verletzten Ehre zu ahnden?

HENLEY. Mein Eifer hat verursacht, daß ich zweydeutig redete. Zwingen Sie ihn zum Zweykampf, nur unter solchen Umständen, daß er ihn nicht ausschlagen kann. Geben Sie ihm Raum sich zu entschuldigen, so sind Sie verloren.

KLERDON. Wozu muß mich dieser Unglückselige bringen! Ach Henley, wüßten Sie, welch ein Tumult, welch ein Kampf widerwärtiger Bewegungen diese Brust zerreißt! – Wie sehr[182] habe ich ihn nicht geliebt! Mit Freuden hätte ich einst mein Blut für ihn verschwendet. Und er mußte mich so treulos hintergehen? und ich soll ihn – – Sie sehn meine Thränen hervorbrechen; tadeln Sie sie nicht! sie beweinen den Tod einer Freundschaft, die sonst das Glück meiner Tage war.

HENLEY. Ich beklage Sie, und verabscheue den Granville immer heftiger. Jede Thräne, die Sie um ihn weinen, erhöht sein Verbrechen. Doch jetzt müssen Sie alle diese erweichenden Vorstellungen entfernen. Sie würden nur Ihren strafenden Arm ohnmächtiger machen. Töten Sie den Verräther, und dann bedauern Sie, daß er Sie dazu zwang.

KLERDON. Werde ich mich aber hierdurch dem Ziel meiner Wünsche nähern? Wird seine Schwester eine Hand annehmen, von der das Blut ihres Bruders herabträufelt? Unsinn wär es, dieß nur zu denken.

HENLEY. Und werden Ihre Wünsche vergnügt werden, wenn Sie es unterlassen? Werden Sie[183] nicht zugleich unglücklich in Ihrer Liebe, beschimpft, ungestraft beleidigt, erniedrigt in den Augen Ihrer Freunde, und der Spott des frohlockenden Granville seyn? Nein, Klerdon, rächen Sie Sich, und überlassen Sie das übrige dem Geschicke. Vielleicht kann man die Hand vor ihr verbergen, durch die ihr Bruder fiel. – Vielleicht kann die Zeit – – doch was erwähne ich das? Sie können unmöglich klein genug seyn, daß solche Gedanken Ihre Rache entwaffnen sollten. – Noch sind Sie zweifelhaft?

KLERDON. Ich muß gestehn, es war eine Zeit, da ich nicht vortheilhaft von dem Zweikampfe dachte. Ich hielt ihn für einen nur feyerlichern Frevel, für eine prahlende Niederträchtigkeit.

HENLEY. O! erwähnen Sie niemals, ohne schamroth zu werden, die schimpflichen Zeiten Ihrer Verblendung! Alles nichts als Vorurtheile, die uns zu Verzagten erniedrigen wollen? Danken Sie es Ihrem Geschicke, daß Sie diesen abergläubischen Irrthümern entsagt haben, die jetzt Ihre zur Rache schon aufgehabne Hand fesseln[184] würden – – Ein Geräusch erhebt sich! vermuthlich ists Granville, der zu Ihnen zurück kehrt. Ich muß seiner Gegenwart ausweichen. Erinnern Sie Sich, wie heilig Sie mir versprochen, nichts gegen ihn von mir und seinem Vorhaben zu gedenken. Daß Sie es wissen, darf er nicht eher erfahren, als bis er Sie im Begriff sieht, es zu strafen. Geht ab.


Quelle:
Joachim Wilhelm von Brawe: Der Freygeist, in: Trauerspiele des_–, Berlin 1763, S. 178-185.
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