Zweiundzwanzigster Auftritt


[188] Porporino als Schneider und Maler zugleich. Die Perücke muß ihn besonders maskieren; er hat eine Staffelei unter dem Arm, aus der Tasche hängen ihm Maße, Nadel und Zwirn am Ärmel, Pinsel und Palette in der Hand; er muß etwas gelassen sprechen.


PONCE. Ihr gefallt mir, Ihr habt entweder die Malerei auf die Schneiderei gepfropft, um diese zu veredeln, oder die Schneiderei auf die Malerei, weil Ihr in dieser nur Böcke machen könnt. Ihr seid ein Mann wie eine Gabel mit zwei Zinken, Ihr seid gut gespalten.

PORPORINO. Die Künste werden immer weitschichtiger, wie die jetzigen Hosen, denn die neue Zeit füllt beide nicht aus, und die zwei Beine, Hosen- Beine, sind die wahre Dualität, aus der sie nicht heraus können, ohne die arme Blöße zu zeigen.

PONCE. Wie kommt Ihr aber gerade zu dieser Vereinigung, malerischer Schneider?

PORPORINO. Anfangs war ich nur ein Maler, ich bemerkte aber bald, daß die Menschen nach und nach zu Stöcken wurden, und legte mich auf die Schneiderkunst. Ihr glaubt nicht, Sennor, wie das hilft, das Eckige rund und das Platte gewölbt zu machen; der rundende Schatten ist heutzutage ganz in der Gewalt der Schneiderei, und da das Gefühl in den Fingerspitzen bei einem gefühlvollen Schneider ebenso nach dem Herzen strömt wie bei einem gefühlvollen Maler vom Herzen nach den Fingerspitzen, so habe ich durch meine Vereinigung eine doppelte Gefühlszirkulation in mir angelegt, und messe den Damen immer erst Schnürbrüste an, ehe ich ihnen Brüste male.

PONCE. Ihr habt eine Zirkulation im Leibe wie ein Sparofen, – kann man Euch aber wohl ein Porträt diktieren?[188]

PORPORINO. Wollt Ihr ein bewegliches Kunstwerk, wie viele aus meiner Hand hier leben, täuschend wie Menschen aussehen, ja selbst in den angesehensten Häusern Liebe und Freundschaft und andere natürliche Empfindungen genießen; wollt Ihr ein solches Porträt von mir – so stellt Euch, oder irgend eine männliche oder weibliche Grundierung, und diktiert in die Schere.

PONCE. Ihr seid boshaft; nein, ein Gemälde in den Pinsel; setzt Euch an die Staffelei, ich will sehen, was Euch einfällt.

PORPORINO sitzt an der Staffelei; Ponce geht diktierend auf und ab. Nun, in welchem Stile, Bübchen oder Mädchen?

PONCE. Im maimonatlichen – feines, sanft gerundetes Köpfchen, meine Geliebte –

PORPORINO. Gerundetes Köpfchen, Komma, meine Geliebte!

PONCE. Kerne Interpunktion, und nicht deine Geliebte, meine!

PORPORINO. Kein Schönpflästerchen?

PONCE. Überhaupt keine Pflästerchen – zarte rote Wangen – Porporino wiederholt das folgende einzeln, und Ponce spricht wie ein Diktierender mit einem Schreibenden. kleiner Mund, etwas schwermütig – die Oberlippe etwas geschürzt, – halb schmollend, halb küssend – braune Augen – feucht glänzend, verliebt und fromm – schwarze Locken – etwas hoher, doch voller Hals.

PORPORINO. Kitzliche Stelle –

PONCE steigend. Hoher – fester, runder – spröder, blendender, kleiner –

PORPORINO. He, he, haltet, nicht so eilend, hier ist gut weilen, bös eilen.

PONCE. – nachlässig verhüllter, reiner Busen. – O du, gerad ausgestreckt, auf der linken Seite, und träumst so gern!

PORPORINO. Wie ich das malen soll? Da steht meine Kunst still; ein Porträt, gerad ausgestreckt, auf der linken Seite, träumend?

PONCE. Das letzte gehörte nicht dazu.

PORPORINO. Nun, so bin ich fertig; seht, ich wünsche Glück; Ihr liebt das holdeste, edelste, beste Mädchen der Welt.

PONCE sieht zum Bilde. Nein, dies ist sie nicht – doch – was ist das – dies Bild gleicht Valerien de Campaces.[189]

PORPORINO. Ich habe treu nachgeschrieben, Ihr habt so diktiert.

PONCE. ES ist ein wunderlicher Zufall, doch Eure Schneiderei mag sicherer sein. Es ärgert mich, daß Ihr mir diese dahin maltet. – Messet mir Pilgerkleider an.

PORPORINO. Ihr liebt wohl die Madonna von Montserrat, und wollt sie besuchen? – Aber Valeria ist und bleibt ein Mädchen wie keines in Sevilla. Nimmt die Maße.

PONCE. Nur nicht zu weit!

PORPORINO. Immer ein bißchen zu weit, sonst kömmt die Rundung nicht heraus. Mißt. – Es wundert mich, daß Ihr von Valerien ungern sprechen hört; sonst haßten sie die Ritter doch nicht.

PONCE. Ihr seid sehr vermessen.

PORPORINO immer im Messen. Sorget nicht, Herr Ritter, mein Maß trifft zu, ich habe mich noch nie vermessen. – Sieht nach dem Maß. Richtig, gerade dieselbe Länge wie Herr Porporino, aber in der Weite, Auf seine Beine sehend. da seid Ihr etwas stark feiner gebaut – Porporino könnte sich mit Euch messen. Ihr kennt ihn wohl, er geht eben der Valeria nach, und nach dem Bilde zu urteilen, dürfte sie ein König lieben, ohne sich herabzulassen. Doch ein solches Mädchen zu verlassen, wäre wohl schändlich – erst die Ruhe und dann den Ruf genommen.

PONCE zornig. Ins Teufels Namen, Schneider, schweigt!

PORPORINO erschreckend. Nun, ich wollte Euch nur zerstreuen, daß alles leichter sitze.

PONCE. Zerstreuen? Höllenbund, jede Ader treibst du mir auf.

PORPORINO. Was fehlt Euch, soll ich Euren Diener rufen?

PONCE. Ja! Porporino ab.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 4, München [1963–1968], S. 188-190.
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