Erster Auftritt.

[23] Osmin. Blonde.


BLONDE. O des Zankens, Befehlens und Murrens wird auch kein Ende! Einmal für allemal: das steht mir nicht an! Denkst du alter Murrkopf etwa eine türkische Sklavin vor dir zu haben, die bey deinen Befehlen zittert? o da irrst du dich sehr! Mit europäischen Mädchen springt man nicht so herum; denen begegnet man ganz anders.


Durch Zärtlichkeit und Schmeicheln,

Gefälligkeit und Scherzen,

Erobert man die Herzen

Der guten Mädchen leicht:

Doch mürrisches Befehlen

Und Poltern, Zanken, Plagen[23]

Macht, daß in wenig Tagen

So Lieb' als Treu entweicht.

OSMIN. Ey seht doch mal, was das Mädchen vorschreiben kann! Zärtlichkeit! Schmeicheln! – Es ist mir wie pure Zärtlichkeit! – Wer Teufel hat dir das Zeug im Kopf gesetzt? – Hier sind wir in der Türkey, und da gehts aus einem andern Tone. Ich dein Herr; du meine Sklavin; ich befehle, du mußt gehorchen!

BLONDE. Deine Sklavin? ich deine Sklavin? – Ha! ein Mädchen eine Sklavin! Noch einmal sag mir das, noch einmal!

OSMIN für sich. Ich möchte toll werden, was das Madchen für ein starrköpfiges Ding ist. Laut. Du hast doch wohl nicht vergessen, daß dich der Bassa mir zur Sklavin geschenkt hat?

BLONDE. Bassa hin, Bassa her! Mädchen sind keine Waare zum Verschenken! Ich bin eine Engländerin, zur Freyheit geboren; und trotz jedem, der mich zu etwas zwingen will!

OSMIN bey Seite. Gift und Dolch über das Mädchen! – Beym Mahomet! sie macht mich rasend. – Und doch lieb' ich die Spitzbübin, trotz ihres tollen Kopfs! – Laut. Ich befehle dir augenblicklich, mich zu lieben.[24]

BLONDE. Hahaha! Komm mir nur ein wenig näher, ich will dir fühlbare Beweise davon geben.

OSMIN. Tolles Ding! Weißt du, daß du mein bist, und ich dich dafür züchtigen kann?

BLONDE. Wag's nicht, mich anzurühren, wenn dir deine Augen lieb sind.

OSMIN. Wie? du unterstehst dich –

BLONDE. Da ist was zu unterstehen! Du bist der Unverschämte, der sich zu viel Freyheit herausnimmt. So ein altes häßliches Gesicht untersteht sich, einem Mädchen wie ich, jung, schön, zur Freude geboren, wie einer Magd zu befehlen! Wahrhaftig, das stünde mir an! Uns! uns gehört das Regiment; ihr seyd unsre Sklaven, und glücklich, wenn ihr Verstand genung habt, euch die Ketten zu erleichtern.

OSMIN. Bey meinem Bart, sie ist toll! Hier, hier in der Türkey?

BLONDE. Türkey hin, Türkey her! Weib ist Weib, sie sey wo sie wolle! Sind eure Weiber solche Rörrinnen, sich von euch unterjochen zu lassen, desto schlimmer für sie; in Europa verstehen sie das Ding besser. Laß mich nur einmal Fuß hier gefaßt haben, sie sollen bald anders werden.

OSMIN. Beym Alla! die wär' im Stande,[25] uns allen die Weiber rebellisch zu machen – Aber –

BLONDE. Aufs Bitten müßt ihr euch legen, wenn ihr etwas von uns erhalten wollt; besonders Liebhaber deines Gelichters. –

OSMIN. Freylich, wenn ich Pedrillo wär', so eine runde Figur wie er machte, da wär' ich vermuthlich willkommen: denn euer Mienenspiel hab' ich lange weg.

BLONDE. Errathen, guter Alter, errathen! Das kannst du dir wohl einbilden, daß mir der hübsche fette Pedrillo lieber ist, wie dein ausgehungertes Gesicht. Also, wenn du klug wärst –

OSMIN. Sollt' ich dir Freyheit geben, zu thun und zu machen, was du wolltest? He?

BLONDE. Besser würdest du immer dabey fahren: denn so wirst du sicher betrogen!

OSMIN. Gift und Dolch! Nun reißt mir die Geduld! Den Augenblick hinein ins Haus! Und wo du's wagst –

BLONDE. Mach' mich nicht zu lachen.

OSMIN. Ins Haus, sag ich!

BLONDE. Nicht von der Stelle!

OSMIN. Mach' nicht, daß ich Gewalt brauche –[26]

BLONDE. Gewalt werd' ich mit Gewalt vertreiben. Meine Gebieterin hat mich hier im Garten bestellt; sie ist die Geliebte des Bassa, sein Augapfel, sein Alles; und es kostet mir ein Wort, so hast du funfzig auf die Fußsohlen. Also geh –

OSMIN für sich. Der Henker hole die Engländerinnen! Jetzt muß ich schon tanzen, wie sie pfeift: aber alle Tritt' und Schritte will ich beobachten. Laut. Ich gehe: aber wo du eine Miene machst, den Pedrillo zu sprechen –

BLONDE. Fort, fort, fort! da kommt Konstanze.

Osmin geht unwillig ab.


Quelle:
Johann André: Belmont und Constanze, oder: Die Entführung aus dem Serail. Leipzig 1781, S. 23-27.
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