VI. Vom Crystallschauen.

[68] Es gibt uns die heutiges Tages fast bezauberte Welt Anlaß, etwas von Crystallsehern und Spiegelschauern zu gedencken; da mancher, wann er etwas verlohren hat, zur Wahrsagerin gehet, die ihm in ihren Crystall oder Spiegel die Gestalt dessen anzeigen soll, der es soll gestohlen haben.1 Auch lauffen einige dahin, wann sie sonst einer verborgenen Sache halber Raths fragen und sich derselben erkundigen wollen; Wenn einem der Zauberer oder Zauberin in einem schönen und künstlich-gemachten Crystall Zeichen und Figuren vorstellet, daraus der Fragende Bescheid ersehen kan; so wird dasselbe Zauber-Wesen, Crystallseherey genennet, wann aber der Zauberer die Zeichen und Figuren anweiset in einem[68] klaren und reinen Spiegel, so wird es Spiegelschauen genennet.

Die Arten aber solcher Zauber-Spiegel beschreibt Petrus Goldschmidt in seinem verworffenen Zauber- und Hexen-Advocaten c. 14. §. 2. unterschiedlich und nicht einerley, & Casp. Schotto in Physic. Curios. lib. 4. cap. 13. §. 1. in etlichen kan man sehen, die Gestalten der Diebe, Feinde und dergleichen, wie auch die Gestalten der Thiere, der Wasser, der Kriegs-Battallien, der Belagerungen, und alles, was die Menschen machen oder gemachet haben, es seye bey Tag oder bey Nacht gewesen. In der andern Art siehet man keine Gestalten, sondern allein Worte, Reden, Consilia, Anschläge, sie mögen gesaget oder geschrieben seyn. Ingleichem, an welchem Orte, und von welchen dieselbe sind vorgenommen, nebst allem, was darauf beschlossen und zu solchem bewogen hat. Allein diß ist zu observiren und zu præsupponiren, daß es schon geschehene, vergangene, und keine künfftige Dinge seyn müssen. Die dritte Art stellet alles vor, was gantz geheim ist, und sehr rar, und in den Schrifften verborgen lieget.

In Lutheri Tisch-Reden p. 208. wird gedacht, daß der Teuffel auf eine Zeit einem armen Gesellen in sichtbarer Gestalt erschienen, und habe ihm grossen Reichthum versprochen, wann er die Tauffe und die[69] Erlösung, die durch Christum geschehen, verläugnen und nimmer Busse thun wolle:2 als er nun eingewilliget, habe er ihm ein Crystall gegeben, daraus er wahrsagen können, und dadurch habe er einen grossen Zulauff und Nahmen bekommen; Endlich habe ihn der Teuffel meisterlich betrogen, daß er unschuldige Leute aus dem Crystall Diebstahls halber angeben, darauf er eingezogen worden, hat seinen Bund, den er mit dem Teuffel gemachet, bekennet, ernstliche Busse gethan, und ist mit Feuer verbrannt worden.3

Daß der Teuffel in solchen Sachen seine Schüler offt betrüge, und mit Lügen berichtet, erhellet aus folgender Historie, so sich zu Neapolis zugetragen hat.4 Es war einsmahls Christoph Wagner, D. Fausti Famulus, dahin kommen, und hatte vernommen, wie ein reicher Kauffmann auf dem Meer wäre beraubt und umbracht worden, und die bey sich habende Güter ihm genommen, welche um viel 1000. Gulden geschätzt worden, als aber seine Erben davon gern gewissen Grund gehabt hätten, was es damit für Bewandtniß und wer der Thäter gewesen wäre, bothen sie groß Geld aus, dem, der etwas davon entdecken und offenbaren würde, da gedachte Wagner, das wird eine gute Sache für dich seyn, und gab sich bey den Erben an, wie er die Kunst könte, und offt versuchet und probirt hätte.[70] Nun waren diese Leut auch aberglaubisch, wie dann die Welschen viel darauf halten, auch selbst bisweilen gute Zauberer seyen, dann nicht allein die Pfaffen und Münche, sondern auch etliche Päbste selbst sind gute Zauberer gewesen. Die liessen den Wagner seine Kunst gebrauchen, verhiessen ihm 200. Thaler; da nahm er ein Crystall, beschwur sie, und hielt es gegen die Sonne, da sahe man ein Bild darinn, eines reichen Kauffmanns zu Neapolis, welches sie wohl erkannten und sahen, der solte die That an dem andern auf dem Meer begangen haben; nun war dieses wahr, daß er mit ihm ausgefahren, und kamen gleichwohl nicht wieder mit einander, er ward verklagt für der Obrigkeit, und gefraget, ob er nicht wüste, wo dieser Kauffmann geblieben wäre? dieser gab zur Antwort: Er wäre für ihm her geschiffet, ob er wäre versuncken oder verschlagen worden, oder ob er irr gefahren, könnte er nicht wissen, gleicher Gestalt wurden auch die Diener gefraget, welche alle diese Antwort gaben. Und da man es bey solchem nicht wolte bleiben lassen, zoge man sie alle gefänglich ein, marterte sie, und fienge an einem Knecht an, der bekannte, als er gepeiniget ward, daß sie ihn ermordet hätten. Darauf wurde auch der Herr eingezogen, welcher auch aus Pein bekannte, was der Knecht gesaget hatte: worauf man das[71] Urtheil fällete, man solte sie, als Meer-Räuber, zum Tode bringen.

Unterdessen so kommt der Kauffmann, den man vermeinet erschlagen zu seyn, frisch und gesund wieder zu Land, ohne allen Schaden, und war von dem Wind verschlagen worden, daß er an einem Ort 5. Wochen hatte still liegen müssen. Da sahen diese Leichtglaubige, daß sie vom Wagner betrogen worden, und begehrten von ihm, er solte das Geld wieder herausgeben; als er aber nicht gewollt, sondern mit dem Geld davon gangen, da folgeten sie ihm mit den Serganten nach, von welchen ihn einer bey dem Arm erwischete, und fest hielt, aber Wagner fuhr in die Hohe, und nahm diesen Menschen-Fischer mit sich hinauf, und als er ihn ziemlich in die Höhe gebracht, liesse er ihn wieder auf die Erde fallen, daß er ein Bein brach: als solches die andern sahen, wolte ihm keiner mehr nacheilen. Hiermit kame Wagner davon, und hätte der Teuffel bald ein erbärmlich Spiel anrichten sollen. Vid. Hildebrands entdeckte Zauberey / pag. 143. Item Reuters Reich des Teuffels / p.m. 898.

Aus Joh. Rüstens alleredelster Zeit-Verkürtzung / pag. 255. seqq. schreibt Erasmus Francisci im Sitten-Spiegel fol. 64. seq.5 Eine Jungfrau zu N.N. welche sowohl von Gestalt, als Geschlecht, fürnehm war, verliebte sich in einen feinen Jungen Gesellen, welcher solche Liebe mit[72] gleicher Gegen-Gunst vergalte, also, daß sie beyde sich zu verehelichen hertzlich wünscheten; aber beyderseits Eltern wolten, aus tragenden Ursachen, darein keine Verwilligung geben, welches beyden Verliebten grossen Kummer machete.

Wie nun der Satan sich aller menschlichen Leidens-Regungen, wider derer Heyl und Wohlstand, zu bedienen trachtet, also strebete er auch dahin, wie er durch eine eigensinnige und den Eltern ungehorsame Liebe die Leute in Göttliche Ungnade und Hertzeleid bringe, und gebrauchet zu solcher Verführung Leute, die schon von ihm verführet sind, als Unholden, Wahrsagerin und dergleichen Geschmeiß, wie er denn bey diesem verliebten Paar auch dergleichen Mittel ergriffen.

Eine alte Vettel, welche schier in allen fürnehmen Häusern solcher grossen Stadt einen Zutritt hatte, kame zu dieser in Lieb verstrickten Jungfrau, dieselbe in ihrer Traurigkeit zu trösten, und sagete ihr, was sie gern hörete: nehmlich, die Person, in welche sie verliebt wäre, würde ihr endlich doch noch unfehlbar zu Theil werden. Und dieses war ein Liedlein, welches die Jungfrau gern hörete: sie begehrete aber von der Alten hierüber bessere Erläuterung, fragende, wovon ihr solches eigentlich wissend wäre? Das Weib sprach: Ich habe die Gnade von GOtt, künfftige Dinge vorher zu entdecken: darum kan mir dieses so wenig, als auch viel anderes, verborgen seyn. Euch[73] aber allen Zweiffel an der Wissenschafft, so ich von eurer künfftigen Heyrath habe, zu benehmen, so will ich euch, wie es damit gehen werde, in einem Crystall so klärlich weisen, daß ihr meine Kunst loben sollet. Allein wir müssen eine solche Zeit darzu ausersehen, da eure Eltern nicht daheim seyn, alsdenn sollet ihr Wunder erfahren.

Die thörichte Jungfrau lässet sich solch Anerbieten gefallen, und, nachdem solches abgeredet, erwartet sie der Zeit, da ihre Eltern auf ihr Land-Gut gefahren, worauf sich diese alte Vettel alsobald bey der Jungfrau einfindet, weil aber diese Jungfrau bey dem Weib allein zu bleiben sich fürchtet, und darob ein Grausen empfindet, gehet sie hinauf in die Studir-Stube des damahligen Präceptorn ihres Bruders, nehmlich des Joh. Rüstens, welcher damahls noch ein Student gewesen, nachmahls aber als ein gelehrter Poet und zierlicher Redner durch seine Feder gar berühmt worden, und diesen Verlauff selbst umständlich beschrieben, demselben vertrauet sie ihr Vorhaben, mit hoher Bitte, er wolle doch hinab kommen, und mit darbey seyn, wenn ihr die Wahrsagerin die so hoch verlangete Sache, nehmlich das bevorstehende Heuraths-Glück, im Crystall würde vorstellig machen.

Es bemühete sich solcher aber sehr, ihr diesen sündlichen Vorwitz auszureden, und eines solchen von GOtt hoch verbottenen Handels müßig zu gehen, woraus ihr leicht[74] ein Unglück entstehen könte. Aber es war alles vergeblich, sie wolte, ungeachtet alles Bittens, den Ausgang, durch Crystall-Guckerey, mit ihrem Liebsten erkundigen: Er ließ sich endlich, auf flehentliches Bitten, erweichen, und ging mit der Jungfrau hinab in ihr Zimmer, um wundersam zu vernehmen, was doch diese alte Wettermacherin fürbringen werde. Da sie nun in die Kammer kamen, fanden sie das Weib sehr beschäfftiget, sie zoge ihr Wahrsager-Geräthlein aus einem kleinen Korbe, sahe aber ungern, daß die Jungfrau diesen Rüst mit sich bracht hatte, und sagete, sie könne es ihm aus den Augen ansehen, daß er von ihrer Kunst nicht viel halte: Hierauf säumte sie nicht lange, ihr Expergefex (wie es der Auror gibt) zu machen: sie breitete ein blau seiden Tüchlein, worauf wunderliche Bilder von Drachen, Schlangen und anderm Unzieffer genähet, über die Taffel, setzte auf dieses Tuch eine grüne gläserne Schale, und legete darein ein ander Gold-farben seidenes Tuch, endlich setzte sie auf besagtes Gold-farbenes Tuch eine ziemlich grosse crystallene Kugel, und bedeckte dieselbe gleichwohl auch mit einem weissen Tüchlein, nicht anders, als ob sie ein groß Heligthum verhüllete: bald hierauf hub sie an etwas bey sich selbst zu murmelen, auch wunderlich sich zu geberden, und wie nun solche Ceremonien geendet waren, nahm sie die Crystall-Kugel mit grosser Reverenz und[75] Ehrerbietung aus der gläsernen Schale, rief die Jungfrau, samt dem Studenten, zu sich gegen das Fenster: zeigete ihnen die crystallene Kugel, darin sie anfänglich nichts sahen, bald aber trat in dem Crystall die Braut hervor, in überaus köstlicher Kleidung, und zwar eben so prächtig angethan, als sie an ihrem Hochzeit-Tage gewesen.

Ob nun gleich die Braut überaus herrlich erschien, sahe sie doch in diesem Crystall sehr betrübt und jämmerlich aus, hatte auch darbey eine solche Todten-Farbe, daß man sie ohne grosses Mitleiden nicht betrachten konte. Sie schauete das Bild an, mit nicht geringem Schrecken, welcher aber bald hernach sich ungleich grösser vermehrete, als gerad gegen der Braut über der Bräutigam hervor kam, mit einem so grausam und greßlichen Gesicht, (da er doch sonst ein gar freundlicher Mensch war) daß man dafür hätte erzittern mögen: Er war gestieffelt und gespornet, hatte einen grauen Reise-Mantel mit güldenen Knöpfen um, unter welchem er 2. neue Pistolen hervor langete, und in jeder Hand eine hielt, die in der Lincken richtete er an seine eigene Brust, oder vielmehr aufs Hertz, die in der Rechten setzte er der Jungfer Braut für den Kopf; hierüber wurden diese beyde Anschauer mit einem solchen grossen Schröcken überfallen, daß sie weder aus noch ein wusten: bis er endlich die eine Pistol, die er der Liebsten recht an die Stirn[76] gesetzt, loßdruckte, mit einem dumpfigen Knall oder Puffen. Darob erstauneten diese Crystallschauer nicht anders, als ob das Wetter bey ihnen niedergeschlagen hätte. Sie stunden gantz erstarret, bis sie endlich halb gehend, halb kriechend zur Kammer hinaus kamen, allwo sie sich wieder etwas erquicketen.

Der alten Hexe war bey der Sache auch nicht wol zu Muthe, als welche nicht gedacht hatte, daß es also ausschlagen werde, weßwegen sie über Halß und Kopff zum Hause hinaus lieff; auch so bald nicht wieder kommen ist. Unterdessen konte gleichwol dieser eingenommene Schröcken die so fort glimmende Liebe in ihrem Hertzen nicht auslöschen; hingegen aber auch den schweren Stein, als den Widerwillen ihrer Eltern, nicht aus dem Wege räumen: denn derer Entschliessen blieb gantz in alter Meinung. Und beharrete sowohl ihr Stieff-Vatter als Mutter in dem Schluß, daß diese Heyrath nicht vollzogen werden solte: sondern brachten es vielmehr durch Bedrohung und aus Zwang dahin, daß die Jungfer einem fürnehmen Fürstlichen Bedienten in der Nachbarschafft die Ehe versprechen muste: diese aufgedrungene Heyrath gebahr aber bey der Jungfer eitel Hertzeleid, sie verbrachte ihre Zeit mit lauter Seuffzen, Heulen und Weinen, und ihr erster Geliebter ergab sich dem Unmuth und Verdruß zu eigen, daß er dadurch[77] in die äusserste Verzweifflung gerissen wurde.

Inzwischen wurde die Hochzeit angesetzt, und wegen Erwartung unterschiedlicher Fürstl. Personen, welche diesem Fest solten beywohnen, so viel herrlicher darauf zugerichtet: wie nun der Tag herbey kam, daß die Braut in ihrem grösten Gespräng solte abgehohlt werden, sandte die Fürstin ihre mit 6. Pferden bespannte Leib-Kutsche nebst etlichen Hof-Dienern, und einigen Reutern in die Stadt, welchen sich der Braut fürnehmste Anverwandte und Freunde, theils zu Pferde beyfügeten, und in zierlicher Ordnung zur Stadt hinaus reiseten.

Dieses aber hatte der erste Liebste alles gar genau ausgekundschafftet, und war der Meinung, dem andern, ungeachtet er weit höheres Standes war, seine Liebste nicht so schlechterdings zu überlassen, wes wegen er ein paar gute neue Pistolen in Bereitschafft hatte, des Vorsatzes, mit der einen die Braut, mit der andern aber sich selbst vom Leben zu helffen. Zu solchem vorhabenden doppelten Mord hatte er ein wohlgelegenes Hauß, so etwa das 10. oder 12. von dem Thor war, ausersehen, bey welchem die Braut fürbey fahren muste: indem selbe nun in ihrem grösten Pracht mit den Wagen und Reutern, unter Zuschauen einer grossen Menge Volcks, daher gefahren kame, gab der verzweiffelte Liebhaber[78] Feuer in die Kutsche; es ging aber dem Satan nicht nach seinem Willen, denn der Schuß geschahe ein wenig zu frühe, also, daß die unschuldige Braut gantz unverletzt bliebe, und allein einer adelichen Damen, die im Schlag saß, ihr Haupt-Schmuck, den sie etwas hoch trug, vom Kopf herab geschossen ward; worüber sie aus Schröcken in Ohnmacht sanck, deswegen auch aus der Kutsche gehoben, und in das nächste Hauß getragen werden muste, sie daselbst zu erquicken.

Indem aber fast alles der Kutsche zueilete, und der Thäter merckte, daß er gefehlt hatte, flohe er durch das Hauß zur Hinter-Thür geschwind hinaus, sprang über ein ziemlich breit Wässerlein und kame also, wie eifrig man ihm auch nachsetzte, davon.

Nachdem nun diese Unruhe ein wenig gestillet, verfolgete die Braut ihre Reise, die Hochzeit würde auch mit gröstem Pracht vollendet, wiewohl mit geringem Vergnügen der betrübten Braut, welche nun allgemach ihrer Crystallschauung nachdachte, und den Erfolg davon zu Gemüth zoge. So war auch ihr neuer Ehegespann ein harter, boßhaffter und feindseliger Mensch, derselbe tractirte hernach dieses tugendhaffte und holdselige Fräulein nicht aus menschlich- sondern vielmehr bestialische Weise, sie muste täglich seine Fäuste prüfen, und ward von ihm in allen Gesellschafften verschimpfft,[79] ungeachtet sie ihm ein liebstes Kind zur Welt gebohren hätte. Von solchem übelen Tractament erwuchs aber der Kummer, welcher solche in noch bester Jugend bey 30. Jahren von der zeitlichen Welt nahm: Und diß war die Straffe, wenn man von GOtt abweichet, und sich mit satanischem Wahrsagen behelffen will.

Von solchem Crystallschauen schreibt Jonas Jacobus Boissardus lib. de divinitat. c. 5. und Zeiler in dial. 99. folgende Geschicht:6 Als einmahl ein vornehmer adelicher Herr von grosser Wissenschafft, wegen begangener Mordthat, sich ausserhalb Vaterlandes aufhalten muste, kame er in Kummer, es werde ihm sein schön junges Weib bey seiner Entfernung nicht getreu seyn, sondern sich mit andern in Buhlschafft einlassen.7 Wie er nun mit solchen Sorgen beschäfftiget, verfügete er sich einsmahls mehr aus Fürwitz, als Ernst, zu einer solchen teuffelischen Wahrsagerin, und begehrte von ihr, sie solte in den Spiegel sehen, zu erfahren, was seine Ehe-Liebste, von welcher er nun zehen Tag entfernet war, zu Hauß verrichten möchte. Die Zauberin verspricht ihm, seinem Verlangen ein Genüge zu thun, und benennet ihm einen Tag, da er wieder kommen solte: dieser stellete sich auch ein, und nahm unterschiedene gute bekannte Freunde zu sich, derer er sich als Zeugen bey dieser Begebenheit bedienen wollte. Wie sich nun solche bey der Zauberin[80] eingefunden, nahm sie ihr Mägdlein, ein Kind von 8. Jahren, lösete solchem die Haare auf, besprengte es mit Weyh-Wasser, murmelte darzu etliche zauberische Worte, und stellete das Kind in einen mit allerhand wunderlichen Charactern bezeichneten Circul, und hieß solches, daß es sich in dem gegenwärtigen Zauber-Spiegel fleissig umsehen solte. Die Zauberin fragte sie zu dreyen mahlen: Was siehest du? Das Mägdlein antwortete mit unterbrochener zitterender Stimme, indem sie vorher ihre Augen und gantzen Leib seltsam verdrehet: Ich sehe eine schöne grosse Stube mit schönen Schildereyen gezieret, einen künstlich gesetzten Ofen, unter dem Boden sehe ich einen schönen Leuchter hangen, und an den Wänden auf Thresoren allerhand gülden und silbern Gefässe, die Bäncke sind mit kostbaren Decken und Pulstern belegt, und auf dem Tisch lieget ein Mantel mit einem Hut und Degen. Hierauf war sie ein wenig stille, sagete aber bald wiederum: Ich sehe einen weissen Hund bey dem Ofen liegen, und sonst nichts. Uber Vermuthen sagete das Kind wiederum: Ja itzo sehe ich eine Jungfrau, die auf dem Haupt einen Zierrath von Sammet träget, etc. mit einem feinen Kleide angethan etc. weiß aber nicht, was das schwärtzlichte sey, so sie auf ihrer Hand liegen hat, und mit dem Speichel und mit dem rechten darinnen, glatt und weich machet, und darbey lächelt. Ich sehe, fuhr sie fort, einen Jüngling mit gelblechten[81] Haaren hinter dem Ofen stehen, daß er die Hosen hat bis an die Knie sincken lassen; als dieses der Edelmann hörete, und aus Beschreibung des Kindes befindet, daß es seine Ehefrau sey, wurde er über alle massen erschrocken, und, weil er nicht geringen Argwohn auf solchen gestalten Jüngling hatte, er würde mit seiner hinterlassenen Liebsten nicht viel gute Seyde spinnen, gieng er mit verwirretem Gemüth von dieser Zauberin hinweg, und gedachte nicht anders, als wie er seiner Ehe-Frau, wegen treuloser Thät, mit diesem Jüngling das Leben nehmen möche; und ritte sporenstreichs nacher Hause; daß er innerhalb 10. Tagen über 100. Meilen reisete. Weil er aber, wegen begangenen Mords, nicht sicher in die Stadt gehen dörffen, ließ er seine Frau auf das nächste Dörff zu sich forderen, führete sie beyseits; fragete sie mit blossem Degen, ob nicht auf die und die Zeit ein junger Gesell, oben entblösset, vor ihr gestanden sey? Die Frau fällt ihm zu Füssen, bittet ihn, sich nicht so jäh zu übereilen; es sey wahr, daß auf erzehlte Zeit und Weise vergleichen vorgangen, es sey aber ihr Bruder gewesen, welcher zu ihr kommen, und sich beklaget, er hätte ein sehr böses Geschwär über der Hüffte, dem sie ein Pflaster aufgeleget, da er dann das Wammes abgezogen, und das Hembd ein wenig herab gestreifft habe, wie er dessen selbst ein lebendiger Zeuge[82] seyn könte. Auf solche freymüthige Bekänntniß des Weibes wird der Mann anderes Sinnes, und an statt des vorgenommenen Mords umarmet er sie, als seine Gemahlin, mit tausend Liebkosungen, begibt sich nach genommenem Abschied wiederum in sein Exilium, und ward froh, daß er seine Hände nicht mit unschuldigem Blut besudelt. Verfluchte darauf das Crystallsehen, und alle zauberische Künste, als einen Betrug und Verführung des Teuffels.

Wir wollen noch eine Historie, so G.P. Harßdörffer im 7ten Theil seiner jämmerlichen Mord-Geschicht in der 151. Historie beschreibet, hieher setzen, als folget:8 Valdrea, eine Wittib, hatte ihre Treue lange Jahre über, bey einer Fürstin in Franckreich mit wohlgeleisteten Diensten, als eine Silber-Beschliesserin, beglaubet, und ihr viel schöne Pfenning zusammen gesparet, daß sie also bey Hof in allem Uberfluß gelebet, und ihr nichts gemangelt, als die Kunst gute Tage ohne Laster und Sünde zu ertragen.9 Dieses alte verdorrete Holtz begunte sich mit neuer Liebe anzufeuren, und ob sie wohl so schön, als ein krancker Spanier, und so freundlich, als ein gesunder Affe, vermeinte sie doch, daß sie noch wohl Liebens-würdig und so klüg, daß sie frembdes Wasser auf ihre Mühle leiten könte. In diesem Wahn richtete sie ihre Neigung auf einen[83] jungen Schrifftling, genannt Mastick, welcher ein sehr schöner und wohlgeberdet er Jungling war, darbey arm, daß er kein ander Mittel hatte, sich hoch zu schwingen, als die Schreib-Feder, so nach und nach stärcker werden solte. Valdrea gab diesem Mastick viel gute Worte, er ihr aber hingegen wenig Gehör, daß sie ihn auf Begebenheit in ihr Zimmer führte, und ihm ihre schöne Ducaten zeigete; allein diesen Jüngling konten solche auch nicht so weit blenden, daß er sie zu eheligen willigen solte, und richtete also diese Versucherin nichts aus, weil dieser Mastick einen Abscheu für diesem lebendigen Grab und alltägigen Fegfeuer hatte. Als nun dieser Jungling die alte Magoram mit hönischen Schelt-Worten unbescheiden verachtete, hat sie ihre Lieb in Haß, und die Holdseligkeit in Zorn verkehret, und Tag und Nacht gesonnen, wie sie sich an dem undanckbaren Gesellen rächen möchte. Es fügete sich aber nachgehends, daß etliche Nacht-Diebe mit falschen Schlüsseln in das Zimmer kamen, in welchem das Silber-Geschirr verwahrlich gehalten worden, und von demselben ein groß Antheil verwendeten. Hierüber wolte Valdrea fast verzweifflen, wiewohl sie ausser allem Verdacht und nicht daran schuldig war. Man forschete aller Orten nach, es konte aber nichts erkundschafftet werden; Valdrea hatte eine alte Gevatterin, Nahmens Ginetta, welche eine[84] berühmte Hexenmeisterin und alles in ihren Crystall und Zauber-Spiegel sehen ließ. Zu dieser verfügete sich Valdrea, und, nachdem sie auf eine gewisse Zeit beschieden worden, hat sie ihr vorgewiesen etliche gantz unbekannte Angesichter, wie selbige das Silber-Geschirr entwendet hätten. Hiermit aber war ihr noch nicht gedienet, weil sie nicht wuste, wo selbe zu betreten waren. Was beginnet aber dieses alte rachgierige Weib? Sie sagete zu ihrer Gevatterin, daß ihr dadurch noch nicht geholffen wäre, und hätte dieser Diebstahl nicht geschehen können, sonder Hülff und Rath eines Hauß-Genossen, welcher ohne allen Zweiffel Mastick seye, solte darbey auch seine Gestalt erscheinend machen. Ginetta aber verspricht die Gestalt Masticks in einem Spiegel darbey vorzuzeigen, damit war Valdrea zufrieden, und zeiget solches ihrer Fürstin unverzöglich an, daß sie doch eine Dienerin wolte mitschicken, welche sie wolte sehen lassen, wie Mastick um den neulichen Diebstahl gute Wissenschafft habe. Ob nun wohl die Fürstin nicht darein willigen, und sich des Satans Rath bedienen wolte, hat ihr doch Valdrea die Sache so leicht gemachet, daß sie ja auch ihren Spiegel, wegen des gebräuchlichen Schmuckes zu Rath ziehe etc. Nachdem nun die Fürstin eine Dienerin, Lamberta genannt, dahin gesendet, und die Sache besagter massen angehöret, daß nehmlich Mastick Wissenschafft[85] und als ein Beystand der Diebe sein Antheil von dem gestohlenen Silber habe, hat man diesen unschuldigen Schreiber in die Hafft, und endlich gar in die peinliche Frage werffen lassen. Der Jüngling war zart, und bekannte aus Schmertzen, was ihm nie zu Sinne kommen, kein Verdacht konte wider ihn, weil man von dem Zauber-Spiegel nichts melden dürffen, aufgebracht werden, als daß er offt zu spielen pflegete, und keine Mittel dazu habe. Ob er sich wohl Anfangs entschuldiget, daß er von gewonenem Geld spielete, wolte es doch nichts helffen, und kame noch darzu, daß er ein Gasconier war, da die Kinder gerne lange Finger macheten, also würde er sonder Zweiffel nicht aus der Art schlagen. Kurtz zu sagen, der arme Mastick wurde zum drittenmahl peinlich gefraget, und als ein Hauß-Dieb zum Strang verurtheilet; seinem Beicht-Vater aber bekennete er, daß er diesen Diebstal weder begangen, noch begehen helffen, mit Bitte, solches nach seinem Tode anzusagen, und daß er solches aus Marter bekennet, u.s.f. Valdrea sahe ihn hinrichten, und freuete sich, daß sie sich wegen ihrer Verachtung mit seinem Tod gerächet. Seine Unschuld muste aber bald auf ihren Kopffkommen. Denn wenig Tage hernach wurde ein Mörder eingezogen, welcher bekennet, daß er besagtes Silber-Geschirr entwenden helffen, und daß seine Gesellen in Engelland[86] entwichen, ihm aber seinen Antheil zuvor zugestellet. Mastick, sagete er beständig, wäre von allem diesem unwissend gewesen, und auf diese Bekänntnus wolte er sein Leben enden, wie dann auch erfolget. Uber dieses schwätzete Ramberta von der Ginette Kunst oder vielmehr Zauber-Spiegel, und wurde Valdrea benebens der Hexen, und Ramberta in das Gefängniß gesetzt, da dann der gantze Verlauff sich eröffnet, und die zwo Alten gehenckt und verbrannt, Ramberta aber, weil sie aus Einfalt ihrer Fürstin gefolget, der Gefängniß wieder erlassen.

Aus angeführten Exempeln zeiget die Erfahrung, daß der Teuffel allzeit die Leute entweder affet, oder aber Unschuldige im Crystall anzeiget, wordurch er viel Jammer und Hertzleid anzurichten pfleget. Darum soll jedweder Christ für solchem Crystall- und Spiegelschauen einen Abscheu haben, damit er durch solche sein Gewissen nicht verletzt und die arme Seel in Gefahr gerathe.

Marginalien

1 Was darin für ein Unterscheid.


2 I. Geschicht.


3 Teuffel gibt einem ein Crystall / bekommt schlechten Lohn.


4 II. Geschicht.

Teuffelischer Betrug eines Crystallen.


5 III. Geschicht.

Unglückseliges Crystallschauen.


6 IV. Geschicht.


7 Eine wunderbare Crystallschauung.


8 V. Geschicht.


9 Einer wird durch die Crystallschau unschuldig erhenckt.


Quelle:
Bräuner, Johann Jacob: Physicalisch= und Historisch= Erörterte Curiositaeten. Frankfurth am Mayn 1737, S. 68-87.
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