X. Vom Alp-Drücken.

[126] Das Alp-Drücken ist eine gantz gemeine und bekannte Sache, wovon Gelehrte und Ungelehrte zu sagen wissen, ja es wird offtmahl mehr davon geredet, als geglaubet werden kan: Es ist an und für sich selbst etwas, so die Leute des Nachts im Schlaff befället, und dergestalt drucket, daß sie sich weder bewegen noch ruffen können; aber alles dieses ist eine gantz natürliche Sache. Die Physici nennen diese Kranckheit Incubus, Ephialtes, ist eine Kranckheit, da bisweilen in einem harten Schlaff dem[126] Menschen der Athem also gehindert wird, daß man nicht reden oder um Hülffe ruffen kan.1 Auch haben solche Leute im Traum die Einbildung, daß ihnen was auf der Brust liege; ja viele wollen närrischer Weise behaupten, sie haben ein Männlein, oder dergleichen was, über das Bett hinauf kriechen, und daß es sich ihnen auf die Brust geleget, verspühret: solches aber wiederfahret sowohl Alten, als Jungen, und dauret zu Zeiten auf eine halbe und gantze Stunde, meistentheils aber auch vergehet es bald wieder. Sie reden auch im Schlaff, allein sie sind nicht zu verstehen. Wenn sie wieder erwachen und alle Zufälle fürbey seyn, so verspühren sie annoch ein Zittern und Mattigkeit der Glieder, gleich ob sie geprügelt wären.

Es begegnet aber dieses Ubel meistentheils denen, so auf dem Rücken liegen, sonderlich, wann solche die Arm beyde über den Kopff legen.2 Herr D. Zwinger in seinem gewissen Artzt saget p. 106: Viel kleinglaubige und einfältige Weibs-Bilder, welche sich doch einbilden, alle Klugheit im Sinne zu führen, bereden sich und andere, daß solches entweder von einem Gespenst, oder von einer Verzauberung, herrühre: dadurch die Leute als im Schlaff erschröcket werden. Es ist ein vermessene Einbildung, da die Leute viel Kranckheiten, welche schwer zu heilen, gleich von einer Verzauberung herziehen wollen.[127] Die alten Medici, so sich in der Zergliederung des menschlichen Leibes und der Chymie nicht zuviel vertiefft, halten dafür daß solche Kranckheit von einigen aus dem mit Speisen allzusehr angefülleten Magen aufsteigenden Dünsten herkomme, dadurch nehmlich der Magen und die Brust ausgedehnet, und die zu dem Athemziehen nöthige Bewegung des Zwerchfells aufgehalten werde. Weilen sich aber dieses Ubel auch bey solchen Leuten erzeiget, welche ihren Magen bey der Abend-Mahlzeit gantz nicht beschweren, als glaube ich vielmehr, daß solches auch herrühre von einem Halitu narcotico, oder einem dicken, wüsten, sauerlechten Dampff, so sich mit den flüchtigen Lebens-Geistern (sonderlich denen, welche sich aus dem achten Paar der Nerven in die Brust, Lungen, und die Musculen derselben als Organa respirationis fliessen) vermischet, und dieselbige also entschläffert, daß sie gantz matt durch ihre Nerven gehen, und hiemit auch das Athemziehen hindern, welche Hinderung denn Anlaß gibt zu dergleichen Träumen und Einbildungen, nicht anders als bey den Jünglingen der häuffig in den Saamen-Gefässen gesammlete geistreiche Saame im Schlaff liebreiche Gedancken so lange erwecket, biß ihnen der Saame auch wider Willen ausfliesset. Ich achte also mit vielen Gelehrten, daß bey solcher Kranckheit eine gichterische Zusammenziehung der[128] Nerven in dem Zwerchfell, in den Musculen der Brust, oder auch in den Lufft-Röhren der Lunge vorgehe, welche durch verhinderte Bewegung solcher Theilen den Athem verhalte.

Diejenigen, derer Geblüt mit sauren melancholischen Feuchtigkeiten angefullet, sind diesem Ubel mehr unterworffen, und bekommen dasselbe bisweilen, sonderlich wenn sie auf dem Rücken liegen, da das Geblüt Mühe hat, sich durch die grosse Blut-Adern, Venam cavam, in die rechte Höhle des Hertzens und darauf ferner durch die Lungen in die lincken Höhlen desselben zu schwingen.

Etliche schreiben, wenn einer auf dem Rücken liege, so fasse und drücke der Rück-Grad, und was drunter ist, das Hertz am nachsten; aus dieser Anhaltung werde die Bewegung des Hertzens in etwas verhindert. Wo nun die Bewegung gehemmet werde, da sammlen sich um das Hertz viel Dünste und grobe Qualme, welche hernach ins Gehirn steigen, und allerhand abentheuerliche Schreck-Bilder vorstelleten, gleichsam als wenn ein Gespenst da wäre, welches auf der Brust liege; ja, wenn das Hertz also gepresset werde, so werde auch die Lunge zugleich mit gedruckt, und der Stimme der Paß verleget, also, daß, welche mit diesem Affect beladen waren und anderer Leute Hülff schreyen und begehren wolten, doch die Lunge nicht bewegen, noch[129] eine Stimme von sich geben könten. Andere sagen, wenn der Mensch auf dem Rücken liege, so könten die Spiritus animales nicht herunter kommen, und die Lungen und Thoracem bewegen; dieweil das Gehirn, in welchem diese Lebens-Geister gezeuget werden, das Cerebellum druckte, und also den Gang durch die spinalem medullam denen Spiritibus verstopffte. Vid. M. Gottfr. Voigt im ersten Hundert seines physicalischen Zeit-Vertreibers.

Andere halten dafür, daß dieser Alp, oder Maren, Gespenster seyn, welche von den Füssen hinan kriechen, und den gantzen Leib einnehmen, ja die Leute also verpflichtet halten, daß sie um keine Hülffe schreyen können. Bernhard Gordon. de pass. cap. part. 2.624.

Noch andere sagen, daß diese Alp oder Maren verfluchte Menschen seyn, die keine Ruhe haben, bis sie in der Nacht in den Schlaff-Kammern herum gekrochen, und die Leut gedrucket.3 Sie geben auch vor, daß, wenn gleich alle Fenster und Löcher zugemachet wären, sie dennoch wohl durch ein gebohrtes Löchlein kriechen könten; wann aber solches eiligst zugestopffet würde, so müsten sie bleiben, und könten nicht wieder von dannen kommen, wenn auch gleich Thür und Thor aufgethan würden. Sie sagen ferner, der Alp steckte seine[130] Zunge den Leuten ins Maul, wenn er sich über diejenigen ausbreitete, und sie also einnehme: daher es dann auch komme, daß die Leut sprachloß würden, und sich ihres Schreyens nicht bedienen könten. Solchem Unheil vorzukommen, müsse man sich ins Bett verkehrt legen, und die Füsse hinlegen, wo der Kopff gelegen, und zum andern nicht auf dem Rücken, sondern auf dem Bauche liegen, damit der heranschleichende Alp, wenn solcher den Kopff suchete, die Post-Prædicamenta finde, und allda seine Zunge hinein schiebe; alsdenn fände er sich beschimpfft, und käme nicht wieder. Sie erzehlen auch, daß jemand einen solchen Alp vertreiben wollen, und habe eine scharffe Hechel auf seinen Bauch geleget, damit er solche Spitzen in sich stossen möchte, wenn er über ihn käme; aber der Alp sey klüger gewesen, und hätte die Hechel umgewendet, und also dem Men schen in den Bauch gedruckt. Vid. Joh. Prætorium in seiner neuen Welt-Beschreibung / part. 1.

Obwohl von oben angeregten M. Prætorii angezogenen Fabeln nichts zu schliessen, so ist doch im Gegentheil zu Zeiten der Teuffel auch nicht müßig, den Menschen, auf Göttliche Verhängniß, auf dieserley Art zuzusetzen: darum auch erfahrne Medici den Alp in natürlichen und unnatürlichen unterscheiden, und solches durch Exempel beglaubet machen, worunter fast denckwürdig[131] und lächerlich scheinet, was bey D. Kœnig in Heptad. Cas. Consc. Miscell. c. 2. und bey Freudio quæst. 79. zu lesen ist:4 Ein gewisser Rechts-Gelehrter lage in einer berühmten Reichs-Stadt in einem ordentlichen Wirths-Hause, und zehrete auf seine Kosten; ein wohlgefärbter lebhaffter Mann, der bey jedermann gar geliebt, aber noch unverheurathet lebete, derselbe ward schier alle Nächte angefochten, und mit diesem Ubel fast bis auf den Tod geplaget, von Kräfften erschwächet und erschöpffet.5

Er bediente sich der Aertzte Rath, und gebrauchete fleißig, was ihm geordnet worden, aber alles vergeblich und sonder Frucht; indessen hielt diß nächtliche Drücken immerfort an, mattete und mergelte ihn aus. Endlich kommt ein Landfahrer, der gab ihm den Rath, wenn der Druck aufgehöret, solle er stillschweigend vom Bett aufstehen, und in ein Glaß sein Wasser abschlagen, hernach solch Glaß mit Pergament überall wohl verbinden, und in eine verschlossene Truhe setzen, als denn erwarten, was nachgehenden Tages darauf erfolgen wurde. Der Jurist folgete diesem Rath, und da er abermahl über alle massen abgemattet worden, that er, wie ihm der Landfahrer gesaget. Darauf erschien folgenden Tages um 9. Uhr eine alte runtzlechte Vettel, welche in Gegenwart seiner und seines Rathgebers mit vielen Thränen bittet, er solle doch die Truhe[132] aufsperren, und das vermachete Glaß mit Harn ausschütten, im widrigen würde sie, wegen Verhaltung ihres Harns, das Leben einbüssen müssen. Er wolte solches aber nicht thun, sondern schändete sie hefftig aus, und verzog eine gantze Stunde, ehe er ihr Hülff wiederfahren ließ. Weil sie aber ohne Unterlaß heulete und weinete, ließ er sich erbitten und bewegen die Truhe zu eröffnen, und goß das Glaß aus Aufstehenden Fuß aber fieng sie an im Zuschauen aller Anwesenden ihr Wasser lauffen zu lassen, welches längst der Gassen bis an ihr Hauß währete, woraus man erkante, daß sie eine Hexe ware, und diesem Menschen zeither solche Plage angethan hatte, denn von selbiger Zeit an ist er gleich gesund und von dergleichen Drucken nicht mehr beschweret worden.

Ein dergleichen erzehlt D. Frommann lib. 3. de fascinat. Magica part. X. Sect. 2. c. 5. p. 966. wie er berichtet, in seinem Vaterland auch kund und ruchtbar worden:6 Nehmlich, daß einer, den gleichfalls der Alp gedruckt, eben dergleichen von jemand erlernetes Mittel zu Handen genommen, sein aufgefangenes Wasser bey der Nacht in ein Glaß gethan, und 3. Tage lang fleißig verwahret habe. Nach derer Verfliessung sey die Magd im Hause zum Mann gekommen, und hätte gebeten, daß er doch das Glaß wider den Boden werffen wolle. Dessen er sich zwar Anfangs[133] geweigert, doch endlich erbitten lassen, auf ernstlich Angeloben, daß sie ihm weiter nicht beschwerlich oder schädlich fallen wolle. Da er nun das Glaß aus der Hand geworffen und zertrümmert, hat diese Hex, noch unverruckten Fusses, einen gantzen Strudel Wasser von sich geströhmet, und ihren so lang bishero zusammen gesparten nassen Schatz auf einmahl ausgelediget. Sie ist aber nachmahls, nachdem sie reiff zur Straff gewesen, auf dem Scheiterhauffen verbrannt worden.

Noch ein Exempel führet Francisci in seinem Proteo an, von zwey Jungfern, welche Schwestern, und von ihren Eltern wenig Verlassenschafft, sich mit künstlicher Hand-Arbeit, in einem Bestand-Zimmer, in einer gewissen Stadt, ehrlich hinzubringen sucheten.7 Selbige wohneten in einem Hauß, da es wegen eines Gespenstes nicht allerdings rein war: Allda sehr offt, ja manche Woche wohl 3 bis 4 mahl des Nachts, so bald sie im Bettlagen, etwas auf sie gefallen, und mit überaus schwerer Bürde gedruckt hat, daß sie weder schreyen noch Hülff ruffen können; welches ihnen nicht allein im Schlaff, sondern auch wachend widerfahren. Ist öffters auch bey Mondschein, wie ein düsteres Schatten-Bild, zu ihnen kommen, und hat sich auf ihr Bett geworffen. Uber dieses klageten sie nicht nur über die Nacht allein, sondern, daß solches auch bey hellem[134] Tage von ihnen in ihrer Wohn-Stube und Kammer gesehen würde, habe auch zu mehrmahlen bey heiterm Tage ein Gewerffe und Poltern in der Stube angerichtet, daß fast niemand darvor bleiben konnen; bis ihnen endlich gerathen worden, solch Zimmer zu verlassen: und nachdem dieses geschehen, hätten sie beyde guten Frieden und Ruhe gehabt. Woraus zu schliessen, daß solch Drücken nicht allemahl Hexen sind, sondern, daß sich auch vielmahl der Satan in derer Gestalt einfinde.

Heurnius in Tract. de Morb. Capitis cap. 30. erzehlt, so unlängst (seiner Zeit) in diesen Jahren etlichen Personen begegnet ist. Ich erinnere mich, schreibt er, daß, als ich noch ein kleiner Knabe war, ich neben einer ehrbaren und gar tugendhafften Matron schlieff, indem dieselbe einsmahls im Schlaff lage, erblickte ich einen schwartzen Kerl, der sich über sie auf das Deckbett zu legen schien: des Morgens klagete sie, der Alp hätte sie befallen; Ich, ob ich schon nur ein Knab war, durffte ihr doch von solchem schwartzen Kerl nichts sagen, weil er mich bedrohet hatte, wofern ich etwas davon ausschwätzen würde.

Eine Geschicht von einem Alp, welche auf dem Schloß Torgau in meiner Kindheit passiret, will allhier noch mit anhencken:8 Als ich noch ein Knab war, muste[135] ich in der Kammer bey einem Dienstmägdlein schlaffen, welches meiner seligen Mutter aufzuwarten pflegete: in derselben Kammer aber muste auch die Köchin, wiewohl in einem besondern niedrigen Bettlein liegen.9 Dieselbe beschwerte sich auch, daß manche Woche zu zwey bis dreymahlen sich etwas zu ihrem Bett nahete, und sie dermassen peinigte, daß sie unmöglich einen lauten Schrey thun könte: wordurch fast eine solche Furcht erwüchse, daß man ungern mehr in solcher Kammer schlaffen könte: als nun solches ruchtbar worden hat sich dieser Alp in 14. Tagen nicht mehr in der Kammer spühren lassen: worauf mein seliger Vater allerhand Argwohn geschöpffet, und weilen man genaue Achtung auf das Gesind hatte, ist auf den Laquay gemuthmasset worden, daß derselbe, weil er offt mit der Köchin allerley Schertz getrieben, unfehlbar der Alp seyn müsse, weswegen gedachter mein Vater dem Schreiber, welcher in einer Kammer mit dem Laquay geschlaffen, einen Thaler versprochen, wann er hinter diesen Possen kommen könte: dieser aber wurde dadurch ein guter Wächter, hielt sich bey der Sache, um des versprochenen Thalers willen, gantz geheim, und da einmahl, als sie in ihre Kammer zu Bett gehen wollen, der Laquay sich niederzulegen gesäumet; thate der Schreiber als ob er schon eingeschlaffen; damit schliche der gute Laquay heimlich[136] aus der Kammer, und wolte, wie er sonst mehr zu thun gepfleget, die Köchin drucken: über eine kleine Weile schleichet solchem der Schreiber barfüßig nach, und findet der Magd Kammer offen, ziehet solche Thür zu, und weil dieselbe eine Anwurff-Kette hatte, vesperrete er damit die Thür, daß niemand heraus kommen konte: und gehet damit nach meiner Eltern Zimmer, klopffet leise an, und sagete, wie er vermeinet, daß er den Alp in der Magd Kammer gefangen hatte: ob es aber gleich schon über Mitternacht war, stehet doch mein Vater auf, und nimmet zu sich einen Corporal mit 2. Mußquetirern, gehet nach der Kammer, und findet in solcher den leibhafften Alp, welcher eben beschäfftiget gewesen, zum Fenster hinab zu springen, so doch sonder Lebens-Gefahr nicht geschehen konte: lässet den so lang gefürchteten Alp in Arrest nehmen, die Köchin aber in eine andere Kammer sperren, bis an folgenden Morgen: allwo beyde ihre bisher geübete Leichtfertigkeit gütlich gestanden, die dann beyde nach gewöhnlichen Rechten mit 14. tägiger Gefängnuß bestraffet, und aus dem Dienst geschaffet worden, der Laquay aber hat allzeit hernach den Nahmen Alp behalten müssen.

Marginalien

1 Was solches eigentlich für eine Kranckheit ist.


2 Verschiede Meynungen / wovon solches Ubel entstehe.


3 Fabelhaffte Meynung von dem Alp.


4 I. Geschicht.


5 Offter ist doch der Satan dabey im Werck.


6 II. Geschicht.


7 III. Geschicht.


8 IV. Geschicht.


9 Von einem natürlichen Alp.


Quelle:
Bräuner, Johann Jacob: Physicalisch= und Historisch= Erörterte Curiositaeten. Frankfurth am Mayn 1737, S. 126-137.
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