Vorspiel.

[4] Der Heidelberger Schloßhof.


CHOR DER STUDENTEN.

»Alt Heidelberg, du feine,

Du Stadt an Ehren reich,

Am Neckar und am Rheine

Kein' andre kommt dir gleich.


Stadt fröhlicher Gesellen,

An Weisheit schwer und Wein,

Klar ziehn des Stromes Wellen,

Blauäuglein blitzen drein.

WERNER.

Und kommt aus lindem Süden

Der Frühling über's Land,

So webt er dir aus Blüthen

Ein schimmernd Brautgewand.


Auch mir stehst du geschrieben

Ins Herz gleich einer Braut,

Es klingt wie junges Lieben

Dein Name mir so traut.

CHOR DER STUDENTEN.

Und stechen mich die Dornen,

Und wird mir's drauss zu kahl,

Geb' ich dem Ross die Spornen

Und reit' ins Neckarthal

CHOR DER LANDSKNECHTE.

Ha! ha! ha! ha! ha! ha![4]

CONRADIN.

Worauf wollt ihr denn reiten?

Habt ja kein Roß im Stall,

Habt ja kein Schwert zum Streiten.

Seid Federfuchser all'!

CHOR DER LANDSKNECHTE.

Ha! ha! ha! ha! ha! ha!

CONRADIN.

Da schaut den schmucken Landsknecht an:

Vom Kopf zum Fuß ein ganzer Mann,

Trägt Sporn und Hieber nicht zum Staat,

Mit Herz und Hand ist er Soldat.

Ihr müßt sitzen, ihr müßt schwitzen,

Im Colleg die Ohren spitzen,

Während wir zu Kampf und Siegen

Hoch zu Roß die Welt durchfliegen.

CHOR DER LANDSKNECHTE.

Wohlauf, Kameraden, mit fröhlichem Muth,

Feinsliebchen im Herzen, die Feder am Hut,

Im goldgelben Wamms, mit dem Schwert in der Hand,

Auf wieherndem Rosse ins weite Land!

HAUSHOFMEISTER.

Aber – aber, meine Herren,

Welche nächtlich arge Störung!

Just als gäb' es hier Empörung,

Oder höllische Verschwörung!

CHOR DER STUDENTEN.

In Ermanglung and'rer Geister

Kommt der Haus- und Kellermeister!

Mitternacht muß nahe sein.

Ha! ha! ha!

HAUSHOFMEISTER.

Meine Herren, haltet ein!

Welche rohen Burschensitten!

Die Frau Kurfürstin läßt bitten,

Ihren Schlummer nicht zu stören

Und sich aus dem Schloß zu scheeren.[5]

CHOR DER STUDENTEN.

Hurrah, die Frau Kurfürstin!

Sicher wär's nach ihrem Sinn,

Wenn wir ihrer noch gedächten

Und ihr gleich ein Ständchen brächten.

EINIGE STUDENTEN.

Ja, wahrhaftig, klug gedacht!

Sang und Klang bei stiller Nacht,

Der entzückt ja stets die Frauen.

ANDERE STUDENTEN.

Doch wer wird sich wohl getrauen,

Ihre Durchlauchtigsten Gnaden

Kühnlich anzuserenaden?

ALLE STUDENTEN.

Bruder Werner, du allein

Kannst den Worten Töne leihn –

Spielst die Gambe, bläs'st die Flöte

Und zumal erst die Trompete – –

WERNER.

Die Trompete? – Ja, fürwahr:

Reicht mir 'ne Trompete dar!

Hab' in den Zigeunerhorden,

Drin ich aufgezogen worden,

Das Trompeten gut gelernt.

Gieb mir dein Kriegshorn, Spielgesell,

Du alter, wack'rer Degen, –

Im Mondstrahl blitzt es zauberhell

Und lockend mir entgegen.

CONRADIN.

Solch' einem schmucken Herrn

Hilft jeder Landsknecht gern! –

Zwar ist wohl für die hohe Kunst

Mein Kriegshorn nicht gemacht,

Doch hat es mir des Feldherrn Gunst

In mancher Schlacht gebracht.

Hei, wenn's so in die Schweden klang:[6]

»Zum Sturme – vorwärts marsch!«

Dann tönt es, wie ein Schlachtgesang,

Aus tausend Kehlen barsch:

»Haut zu, haut zu und schont sie nicht,

Bis euer Schwert in Stücke bricht!«

Doch nicht beim Reiterangriff nur

Ertönt' es auf des Feindes Spur,

Frisch zur Reveille schallt es früh,

Und erst am Abend spät für sie – –

So tön' auch nun zum Lied sein Klang,

Das einstmals Pfalzgraf Friedrich sang.

CHOR DER STUDENTEN UND LANDSKNECHTE.

»Ich kniee vor Euch als getreuer Vasall,

Pfalzgräfin, schönste der Frauen!

Befehlet, so streit' ich mit Kaiser und Reich,

Befehlet, so will ich für Euch, für Euch

Die Welt in Fetzen zerhauen.


Ich hol' Euch vom Himmel die Sonn' und den Mond,

Pfalzgräfin, schönste der Frauen!

Ich hol' Euch die Sterne sonder Zahl,

Wie Fröschlein sollt Ihr die funkelnden all'

Gespiesst am Degen erschauen.


Befehlet, so werd' ich für Euch zum Narr,

Pfalzgräfin, schönste der Frauen!

Ja, Narre bin ich schon sonder Befehl,

Das Sonn'licht blendet mich allzuhell

Von Euren zwo Augen, den blauen.«

HAUSHOFMEISTER.

Gegen Geister hilft der Pater,

Wasser gegen Katz' und Kater:

Wenn wir doch ein Mittel kennten

Gegen Landsknecht' und Studenten!


Die Frau Kurfürstin will schlafen,

Der Senat soll euch bestrafen; –

Geht ihr nicht, so schick' ich schnell

Noch zu Rector und Pedell.[7]

DIE STUDENTEN.

Zum Pedell? Hei duida!

Nennst du ihn, gleich ist er da.

Pedelle sind der Segen

Von jeder Zeit,

Im Sonnenschein und Regen

Zum Fang bereit.

Sie essen nicht,

Sie trinken nicht,

Vergessen nicht

Des Dienstes Pflicht:

Pedelle sind der Segen

Von jeder Zeit.

HAUSHOFMEISTER.

Seht mir solche frechen Rotten

Selbst die Obrigkeit verspotten.

Sucht das Weite! macht euch fort!

Hier ist wahrlich nicht der Ort,

Noch bei Nacht zu commerciren; –

Will den Rector gleich citiren!

CONRADIN.

Ei, ei, Jungbürschlein wohlgemuth,

Du bläs'st ja wie ein Stabstrompeter!

In dir steckt echtes Reiterblut,

Du bist zu gut für Tint' und Feder.

Es fehlt zum Landsknecht, glaube mir,

Nur Federhut und Säbel dir.

Laß dich mit meinem Hut' mal schmücken!

Trink' aus dem Humpen, Kamerad,

Auf uns're Rotte – – dann bist du Soldat!

WERNER.

Laßt ab! laßt ab! es ist mir bekannt,

Die Werbertrommel geht durchs Land; –

Ihr könntet selbst ja Werber sein.

CONRADIN.

Ich, Werberoffizier! – O nein![8]

WERNER.

Ein Reitersmann möcht' ich wohl sein;

Allein mein alter Pflegevater,

Der mich von den Zigeunern kaufte

Und dann auf seinen Namen taufte

Und hier an uns'rer alma mater

In beiden Rechten ist Professor,

Der möchte gern, ich würd' Assessor.

CONRADIN.

Ei, Respect vor der Carrière!

Nun, so nimm dein Corpus juris,

Setz' dich auf die Bank und höre,

Wie vom Herrn Professor wird

Altes röm'sches Recht docirt.

WERNER.

Römisches Recht, die größte der Plagen?

Ach, ich hab' es längst im Magen! –

Möchte in die Ferne schweifen,

Wo der Mond die Nebel küßt,

Kühn die weite Welt durchstreifen,

Bis ein holdes Lieb mich grüßt.


Möcht' auf muth'gem Rosse jagen,

Kämpfen kühn mit dem Geschick,

Bis zwei liebe Augen sagen:

Ruhe aus, hier winkt dein Glück!


O Wonnegedanken,

O Träume voll Lust,

Ihr schlingt euch wie Ranken

Um meine Brust!


Brich, jugendlich Wagen,

Mit frischem Schein,

Wie rosiges Tagen

Ins Leben herein![9]

CONRADIN.

Das nenn' ich Gedanken

Voll Lebenslust!

O, laß sie nicht wanken

In deiner Brust!


Die Jugend muß wagen,

Muß muthig sein –

Nicht grübeln, nicht zagen,

Dem Glücke sich weih'n.


Darum greif' nach der Trompete,

Nimm ein schwarzgelocktes Mädchen,

Heißt sie Marthe oder Grete –

Wenn sie nur die Schönst' im Städtchen;

Zieh zu Roß landaus, landein,

Kannst bei uns Trompeter sein.

WERNER.

Wie? Trompeter? – Potz Element!

Und in eurem Regiment?

Ei, das wär', wie ich's gewollt!

CONRADIN.

So stoß' an und nimm dies Gold!

CHOR DER LANDSKNECHTE.

Ja, stoß' an und nimm das Gold,

Dann ist's so, wie du's gewollt!

Bist dann unser Kamerad,

Juchhe! Landsknecht und Soldat.

WERNER.

Nein, damit fangt Ihr mich nicht.

CONRADIN.

Nun, so kenn' ich meine Pflicht:

Auf, ergreift mir den, Soldaten!

WERNER.

Burschen 'raus!

DIE LANDSKNECHTE.

D'rauf Kameraden![10]

CONRADIN.

Ei, der kann's ja wie ein Reiter!

DIE STUDENTEN.

Burschen drauf!

RECTOR MAGNIFICUS.

Haltet ein! nicht weiter!

HAUSHOFMEISTER.

Seht Ihr es, Magnificenz?

Klar wird's Euch zur Evidenz:

Eure academ'sche Jugend

Ehrt nicht Ruh', noch Bürgertugend; –

Exemplarisch müßt Ihr strafen – –

Ihre Durchlaucht kann nicht schlafen!

DER RECTOR MAGNIFICUS.

Exemplarisch muß ich strafen –

Ihre Durchlaucht kann nicht schlafen!

Schlimm ist das Trompetenblasen,

Schlimm das Lärmen und das Rasen

Hier bei Nacht im hohen Schloß;

Darum sei der ganze Troß

Relegirt und exmittirt,

Excernirt und excludirt.

EINIGE STUDENTEN.

Relegirt und exmittirt?

ANDERE.

Excernirt und excludirt?

RECTOR.

Alle – Alle relegirt!

WERNER.

Relegirt von Bank und Schulden?

STUDENTENCHOR.

Relegirt? O Schreckenswort!

Heidelberg, wir müssen fort![11]

Musenstadt, dir muß ich klagen

Was dein Strafgesetzbuch spricht:

Nachtigallen dürfen schlagen,

Doch Studenten dürfen's nicht.

WERNER.

Herr Rector magnificus,

Bringt dem Carcer unsern Gruß:

Nimmer sperrt Ihr uns mehr ein,

Wollen freie Reiter sein!

CHOR DER STUDENTEN.

Nimmer sperrt ihr uns mehr ein,

Wollen freie Reiter sein!

WERNER.

Ja, freie Reiter! – Nun wohlan,

Gebt her das Kriegshorn, den Hut mit der Feder –

Mein Handgeld her! Bin Reitersmann

Und wohlbestallter Kriegstrompeter.

ALLE.

Wohlauf, Kameraden, mit fröhlichem Muth,

Feinsliebchen im Herzen, die Feder am Hut,

Im goldgelben Wamms, mit dem Schwert in der Hand,

Auf wieherndem Rosse ins weite Land!


Wo Muth, da ist Kraft, und wo Kraft, da ist Macht;

Je dichter der Feind, desto heißer die Schlacht;

Je heißer die Schlacht, desto kühler 's Quartier:

Stets vorwärts weht lustig des Landsknechts Panier!

Der Vorhang fällt.
[12]


Quelle:
Viktor Nessler: Der Trompeter von Säckingen. Leipzig [o. J.], S. 4-13.
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