26. An Dora Ebhardt

[23] 26. An Dora Ebhardt


München d. 19 März 1862.


Ja, was ist denn das? – Dora! Du? – Und Weh=Weh hat das gute Kind am Fuß und muß zu Hause sitzen. Nun! Darin kannst du sicher auf meine Theilnahme rechnen; denn gestern, als dein freundlicher Brief in meine Hände kam, war ich eben im Begriff, nach sechs schlaflosen Nächten und eben so viel verhungerten Tagen meine müden Knochen in die Frühlingssonne zu schleppen, um nach einer langweiligen, nun glücklich überstandenen Halsgeschwulst wieder einmal frische Luft zu schöpfen. Wie angenehm überraschend kam mir da dein Brief! – Ich bin nicht so arrogant, das Motiv dazu in irgend einer liebenswürdigen Seite meiner Persönlichkeit zu suchen; denn wie ich nicht prosaisch genug bin, dein Fußübel aus der mißlungenen Attaque auf ein Hühnerauge herzuleiten, ebenso bin ich bescheiden genug, in der Besorgniß um das Schicksal deines liebenswürdigen Bildnißes den wahren Grund deines Schreibens zu finden. Wie dem auch sei: Ich danke dir! – Eure drei Photographien sind glücklich und wohlbehalten bei mir angekommen, wenn auch etwas verspätet, da ich nicht in der Gesellschaft bei Schafroth, sondern in der Künstlergesellschaft »Jung=München« Mitglied bin. Ich würde auch gleich darauf meine Danksagung haben von Stapel laufen laßen, wenn nicht eine Andeutung in Minna's Briefe »daß Mama in den nächsten Tagen an mich schreiben wollte« mich zum Zögern veranlaßt hätte. Zugleich kam dann unser Maskenfest dazwischen, das mit seinen Leiden und Freuden mein ganzes[23] Wesen in Anspruch nahm. Meine Kostümphotographie lege ich für dich mit ein; ich gehörte zum Kellerpersonal des Prinzen. – Vorbei! Vorbei! –

Seit acht Tagen hängt an unserm Himmel die schönste Frühlingssonne. Der Flieder und die Siringen treiben schon Blätter, und hinaus eilen die Gedanken nach Norden. Ja, im August, da hoffe ich Euch Alle wieder zu sehn. Bis dahin leb wohl, liebe Dora, und behalte in freundlichem Andenken

Deinen Vetter

Wilh. Busch.


P.S. An Großmutter König, an Henriette und Agnes gieb die einliegenden Photographien mit meinen herzlichsten Grüßen.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 23-24.
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