312. An Maria Anderson

[155] 312. An Maria Anderson


Wolfenbüttel 24 Sept. 75.


Meine liebe Frau Anderson!

Es mag ja nicht übel sein, sich in den grünen Wald zu setzen, ein Buch aufzuschlagen und nun, was da drin steht, nebst dem Duft und Rauschen der Tannen auf sich wirken zu laßen. Mir will's aber doch nicht paßen. –Wenn ich in der Wiese auf dem Rücken liege, das eine Bein zurück gezogen, das andere darüber geschlagen, und nichts sehe, als ein Stück Himmel, die zierlichen Fahnen der Gräser und den erhobenen Fuß, hinter dem die Wolken vorüber ziehn, so wäre mir die Einmischung eines fremden Intellekts, auch des besten, höchst unbehaglich. – Zudem sind mir die Brücken und Wege, erratische Blöcke, Haide und Moor meiner Heimath schon so belebt genug durch die drolligen und ernsten Spukgeschichten, welche mich in der Jugendzeit, an Winterabenden in der Spinnstube erzählt, gar oft ergötzt und entsetzt und noch heut ihren Zauber nicht verloren haben. – Ich denke sie am liebsten in der Sprache, in welcher sie mir erzählt wurden, in meiner Dorfsprache. – Nun fiel es mir neulich mal wieder recht auf, wie wahrhaftig und ähnlich dem die Hexenscenen im Macbeth sind. Ich mußt es versuchen, sie mir in mein liebes Plattdeutsch herüber zu holen. – Drum spatzierte der Shakespear mit. – Sonst ist mir dazu der Winter gut, wenn's friert und schneit, und wenn man sich dann so sein klimperkleines Plätzchen vom großen Weltall abgesondert, gemüthlich erwärmt und heimlich beleuchtet hat.

In Sommer und Winter

Ihr ergebenster

Wilh. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 155.
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