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[175] 377. An Johanna Keßler
München 8 Febr. 77
Liebe Tante!
Ich bin immer noch in einem gelinden Dusel. Bälle, Einladungen, maskirte Kneipen wechseln mit einander ab. Es ist mir, als litt ich an einer mäßigen Krankheit, an die man sich schließlich gewöhnen muß. Zu alledem explodirte noch eine Schachtel schwedischer Sicherheitszündhölzer (daher der Name) in meiner rechten Hand, so daß die Nägel schmolzen und anitzo die Fingerspitzen aufplatzen.
Mit dem Malen ging es folgendermaßen. Als meine Bekannten davon hörten, hieß es: Thun Sie das doch nicht! Bleiben Sie bei dem, womit Sie uns Allen Pläsir machen! – Lenbach setzte mir von seinen modernen Farben auf die Palette. – Ich blieb aber hartnäckig bei meinem Oker und meiner Manier, stahl mir ein paar katzenjämmerliche Morgenstunden, wo ich allein sein konnte und malte ein paar ungenirte Skizzen hin. Nun kam erst der Gedon und sagte: Ja, das hab ich halt nicht gewußt! Dann Seitz und Lossow und sagten: Ja, das ist ja, was die Dietzschule will! und so fort Einer nach dem Andern bis zum Prinzen Ludwig nebst Gemahlin. Dies alles wäre natürlich sehr schön, wenn ich nicht das peinlich-kümmerliche Gefühl hätte, daß ohne ein stilles Plätzchen nichts ordentliches für mich zu machen ist. Ich male wohl Abends bei Lampenlicht nach der Natur; aber das hilft nicht viel. Hoffentlich findet sich ein Atelier, was ich behalten kann, wenn ich auch nur den vierten Theil des Jahres hier wäre.
Von allen Bekanntschaften intereßirt mich eigentlich nur eine junge talentvolle Spanierin mit pechschwarzen Haaren aus Paraguay, die ich übermorgen Abend malen werde.
– Die für das Glas bestimmten Figuren scheinen mir für das Treppenhaus doch gar zu unbedeutend. Mir liegt eine Gobelinimitation im Sinn, womöglich nach bekannten Darstellungen. Vielleicht findet sich ja aber auch ein eigener Einfall, der einigermaßen paßt.
Vierzehn Tage werd ich wohl noch hier bleiben und vor wie nach im Hôtel wohnen.
Leben Sie recht wohl, liebe Tante! Und herzliche Grüße an Alle!
Ihr Wilh. Busch.