454. An Georg Hesse

[199] 454. An Georg Hesse


Wiedensahl 12. Jan. 1880.


Mein lieber Georg!

In der vollen Woche vor Weihnachten fuhr ich bei sehr heftiger Kälte von München nach Leipzig, holte Hermann ab, blieb mit ihm einen Tag bei Bruder Gustav in Wolfenbüttel, und dann trafen wir Adolf und Otto in Stadthagen und kamen hierher und feierten das Weihnachtsfest zusammen. Wir waren ganz vergnügt. In der Dämmrung gingen wir immer ins Feld, wo wir auf einem Teiche zwei schöne Rutschbahnen neben einander machten, so daß wir sehr lustig auf und ab schleifen konnten. – Den 31ten Dec. reiste ich nach Wolfenbüttel. Es war ganz abscheuliches Schlackerschneewetter. Aber als ich Abends um Neun ankam, stand die Bowle schon auf dem Tisch, Bruder Hermann aus Celle war auch da, und bald hatte sich der Reiseverdruß in Behagen umgewandelt. Ich hatte mir vorgenommen, ein paar Tage nach Ebergötzen zu gehn; indeß eben, als ich mich reisefertig machte, kam die Nachricht, daß das kleine Mädchen meines Freundes die Masern bekommen hätte. Daher bin ich seit acht Tagen schon wieder in Wiedensahl, wo ich auch vorläufig bleiben und jeden Abend rechtzeitig zu Bett gehen will, was mir, hoffe ich, gut bekommen soll. Mein Husten, der sonst mein getreuer Reisegefährte war, muß irgendwo unterwegs den Zug verpaßt haben, denn er ist bis jetzt noch nicht wieder bei mir angelangt.

Daß es der lieben Mama und Dir und dem Gretchen letzthin nicht gut gegangen, hat mir sehr leid gethan. Ich wünsche von ganzem Herzen, daß ihr nun mal lange Zeit recht wohl und gesund bleibt.

Mit den besten Grüßen an die Mama, den Papa und unser liebs Gretel verbleibe ich

Dein getreuer

Onkel Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 199.
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