591. An Friedrich August von Kaulbach

[244] 591. An Friedrich August von Kaulbach


[Ende Dezember 1883]


Lieber Fritz!

Nach all dem Grübeln über Gedons qualvollen Zustand war mir die Todesnachricht eine Art Trost. Das gesunde Bild des lieben Menschen kann doch nun wieder Platz gewinnen. Einige Zeilen, die ich darüber geschrieben, theile ich dir mit.

Dein Wilh. Busch.

Lorenz Gedon

† 27. Dec. 83.

So kernig schienst Du uns, so wetterhart,

Ein köstlich Bild urfrischer Gegenwart;

Ein Baum, an Stamm und Wurzel unbewegt,

Ob auch der Sturm in seinen Wipfel schlägt;

Und schon, da kaum dein goldner Herbst die Welt

Zur Erndte lud, hat Dich der Tod gefällt.


Die Schlange, die sich durch die Zeiten schlingt,

Vieltausendfach der Menschheit Leib umringt,

Die stets beneidet, was zu leben wagt,

Grausam hat sie auch deine Kraft zernagt.
[244]

Du warst ein rechter Sohn vergangner Zeit,

Der Liebling alter Kunst und Herrlichkeit;

Und dankbar nahmst du, was die Mutter dir

Als Erbtheil hinterließ zu Schmuck und Zier,

Der Mitwelt und der Nachwelt edles Gut,

Mit sorgsam kluger Hand in sich're Huth.

Schatzmeister warst du in der Schönheit Reich,

Doch Kenner auch und Könner allzugleich.


Das feine kunstvoll reizende Geräth,

Das Menschenbild in stoltzer Majestät,

Den Prachtpallast, den feierlichen Saal,

Aufstrebend kühn zum höchsten Ideal,

Von dir erdacht, gebildet und erbaut,

Wie froh bewundernd haben wir's geschaut.


Wie oft hast du die festlich heitre Nacht

Verschönt durch der Erfindung Zaubermacht,

Wenn dein Genie den altgewohnten Raum

Der Wirklichkeit entrückt zum holden Traum,

Wenn Du die Halle formenreich geschmückt

Und glücklich warst, weil Andre du beglückt.


Denn brüderlich und fest und liebewarm

Umschlang die Gegenwart dein starker Arm.


Voll Muth, voll Ungestüm, doch zart gesinnt,

Im Ernst ein Mann, in Fröhlichkeit ein Kind,

Der raschen That geneigt, des Redens Feind,

Ein glühend Herz warst du, ein treuer Freund,

Dazu ein wackrer Zecher, deutsch und echt;

Heil, jeder Stund! die ich mit Dir verzecht.


Im alten teutoburger Walde sahn

Wir uns zuletzt. Ich ging mit dir zur Bahn.

Du sprachst: Auf Wiedersehn! – Fort rollt der Zug,

Der dich für ewig in die Ferne trug. –


Ach, liebster Freund! Ein Theil von meinem Glück


Nahmst du mit fort und kehrst nie mehr zurück.


Wilh. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 244-245.
Lizenz:

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