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[262] 635. An Franz von Lenbach
Wiedensahl 21. Oct. 85.
Nur langmüthig, liebster Lenbach! Möcht ich doch auch so scheinen. –
Von Levi erhielt ich seit Jahresfrist keine Antwort; Spatzen, Katzen und die Kölnische Zeitung sind inzwischen meine Musikalischen Leitsterne. Dem Kaulbach scheint auch schon seit anno 84 das Stubenmädel die Dintenviole verschüttet zu haben. Du selber schriebst vor ein paar Wochen nach hartnäckiger Pause. – Was ist da zu machen? – Mit sich selbst ist man nicht immer in der vornehmsten Gesellschaft. Die großen Geister, deren Körper zur Zeit noch die Ehre haben, sie zu beherbergen, wollen nicht stets in der schriftlichen Droschke herumrumpeln, um Visiten zu schneiden. Die Gefahr läge nahe, in angenehmer Fäulniß gemächlich dahin zu stumpfen, gäb's nicht liebenswürdige Todte, die, schon längst der irdischen Hülle entledigt und unabhängig von Eisenbahnbillets und Postmarken, allstündlich bereit sind, den Einsamen besuchend zu umschweben, zu belustigen, zu belehren, und auf den leisesten Wink sanft säuselnd wieder hinweg zu schwinden. – Das tröstet, das macht geduldig, das macht verstockt. – Schon meinte ich, mit meiner Antwort hätt's Zeit bis nächste Woch. Da du aber drohend einen so großmächtigen Potentaten citirst, wie den Landesvater aller Lügen, der ja leider auch meiner ist, so mußt ich wohl sofort den Ellenbogen und die Finger krumm machen, um dir Was zu erwidern. Zudem hielt ich's nicht für ehrenrührig, deinem Brief ein Bißl zwischen die Falten zu spähn. Du kommst nach Kaßel. Sollte es dir recht sein, wenn wir alldort mal zusammen die Bilder besähn? Wenn ich morgens früh von hier wegfahre, bin ich Nachmittags zwischen 4 und 5 in Kaßel. Angenommenen Falls bitt ich dich also, mir rechtzeitig telegraphisch Nachricht zu geben. Mit den allerherzlichsten Grüßen dein
Wilh. Busch.