651. An Eduard Daelen

[270] 651. An Eduard Daelen


Wiedensahl 18. Aug. 1886


Geehrtester Herr Daelen!

Ihre liebenswürdige Erwiderung auf meinen letzten Brief hab ich erhalten. Derselbe sollte im Grunde nur den Dank für das Wohlwollen aussprechen, welches Sie mir in Ihrem Buche so reichlich haben zu Theil werden laßen. Die Bemerkungen, zu denen mich Ihr eigner Wunsch verleitet hatte, bitt ich durchaus als subjektive Schnörkel anzusehn, wie ich denn auch schon durch meine vorausgeschickte Ansicht über die Schwierigkeit, ja Unmöglichkeit, des genauen Biographirens das, was wie Tadel aussehn könnte, in bescheidenes Licht zu setzen hoffte.

Was mein Verhältniß zu alten Bekannten betrifft, so würd ich's, falls mal ein Knubs unter vier Augen vorkäme, doch weder für klug noch ehrenhaft halten, einen Dritten damit zu behelligen; schon deshalb nicht für klug, weil ich mich nicht dem daraus folgenden, altbekannten Verdachte aussetzen möchte, der in der Regel nur zu begründet ist. – Da allerdings, wo es sich um eine eigentliche Rechtsfrage handelt, würd ich einen Juristen zu Rathe ziehn. – Wenn ich nun aber auch nicht geneigt bin, mich über meine Freunde wehklagend bei Andern auszusprechen, so bin ich doch noch nicht so seelengut und schüchtern, daß ich mich über ihre kleinen Eigenheiten gelegentlich nicht mehr zu ergötzen wagte.

Gegen Ihren Angriff auf die Ultramontanen hab ich Nichts eingewandt. Wird's doch kaum lange mehr dauern, bis gegen die Unduldsamen mehr Hiebe nöthig sind, denn je. Ich wollte nur, indem ich auf meine anders gerichtete Gemüthsverfaßung hinwies, die Erwartung ablehnen, welche Sie in Bezug auf meine Reise nach Italien angedeutet hatten.

Also nochmals: Keine Kritik! Käm's aber mal so, daß mir die eignen Fehler gestatteten, einem einzelnen Mitmenschen die seinigen vorzurücken, dann müßt ich die Entschuldigung zu großer Jugend entschieden ablehnen bei Einem, der einen so stattlichen Vollbart hat, wie Sie.

Zu möglichst wahrheitsgemäßer Auskunft bin ich, wie früher, so auch fernerhin, stets bereit.

Es soll mich freun, mal wieder Etwas von Ihnen zu hören.

Mit freundlichem Gruß

Ihr ergebenster

Wilh. Busch.


651. An Eduard Daelen: Faksimile Seite 1
651. An Eduard Daelen: Faksimile Seite 1
651. An Eduard Daelen: Faksimile Seite 2
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Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 270-271.
Lizenz:

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